Hier veröffentlichen wir Beiträge zu aktuellen Themen, in der Reihenfolge des Bekanntwerdens.
Um aber Themen, die über eine gewisse Zeit aktuell sind, nicht immer wieder neu aufgreifen zu müssen,
wenn es eine Veränderung gibt, ist der Aktualisierungsstand gekennzeichnet.
Neue Beiträge, die bei Veränderungen noch aktualisiert werden, haben einen Punkt.
Beiträge ohne Punkt sind abgeschlossen und werden nicht mehr verändert
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Das sind die "CargoCity"-Flächen auf dem Flughafengelände
(Grafik: openstreetmap.org, Beschriftungen verändert)
27.04.2024
Mit einem
Masterplan CargoHub
möchte Fraport
"ein umfassendes Innovations- und Investitionspaket"
auf den Weg bringen und
"drei zentrale Initiativen zur Weiterentwicklung des Standorts: Digitalisierung & Prozessinnovation, Flächenoptimierung und Flächenentwicklung"
starten.
Grund ist die Erwartung, dass
"das Cargo-Geschäft weltweit und in Europa mittel- bis langfristig weiter zunehmen"
wird, was
"für den Standort im Jahr 2040 ein Luftfrachtaufkommen von über drei Millionen geflogenen Tonnen"
bringen soll,
"ein Plus von rund 50 Prozent gegenüber dem bisherigen Höchstwert von 2021".
Ist das nun ein neuer Ausbauschritt, drohen bisher nicht geahnte, neue Belastungen? Wie immer lohnt es sich, die großspurigen Ankündigungen auf ihren realen Gehalt zu untersuchen, die bisherigen Entwicklungen zu betrachten und zu versuchen, daraus mögliche neue oder veränderte Pläne abzuleiten.
Da wäre zunächst einmal zu fragen, wie realistisch die Grundannahme der Steigerung des Frachtaufkommens auf das Anderthalbfache bis 2040 ist. Diese Annahme stützt sich, ähnlich wie die Prognosen für die Passagier-Entwicklung, im Wesentlichen auf die Erfahrung, dass die Luftfracht global in den letzten 50 Jahren
stetig gewachsen
ist und Krisen wie die Finanzkrise 2008/9 und auch die Pandemie 2020/21 sehr schnell überwunden wurden. Natürlich weiss niemand, ob dies angesichts neuer globaler Krisen und zunehmender Aufrüstung und Kriegsgefahr in vielen Teilen der Welt auch weiterhin gilt und wie hoch der Anteil Europas/Deutschlands daran sein wird, aber diese Faktoren entziehen sich jeder Prognose.
Von den drei angekündigten Initiativen ist Digitalisierung & Prozessinnovation am wenigsten einer Beurteilung zugänglich. Dass es hier Verbesserungsbedarf und -potentiale gibt, ist allgemein bekannt. Aber die von Fraport als "zentrale Maßnahme" angekündigte
Air Cargo Community
gibt es bereits, fast
alle machen mit,
nur die "Roadmap", die über zu erwartende Entwicklungen Auskunft geben könnte, ist nirgendwo zu finden. Die
Maßnahmen-Liste,
die Fraport anbietet, ist imposant, aber wenig konkret.
Über die beiden anderen Initiativen gibt es allerdings deutlich mehr Informationen.
Die Flächenoptimierung bezieht sich im Wesentlichen auf die
CargoCity Süd.
Dort war zuletzt 2020 eine neue Halle
in Betrieb gegangen,
Anfang dieses Jahres begann der
Bau einer weiteren Halle
für DHL. Damit scheint sich auch ein Trend zu verstetigen, wonach FRA Frachtflugverkehr
von anderen Standorten abzieht, auch weil Lufthansa ihre
Europa-Frachtflotte ausbaut,
die auf FRA stationiert ist. Der BDL hatte in seiner
jüngsten Studie
noch eingeschätzt:
"Europafracht hat für Frankfurt eine im Vergleich zu den anderen Airports eher geringe Bedeutung".
Lufthansa
investiert
auch in ihr Frachtcenter LCC in der CargoCity Nord und baut dort neue Hochregallager und Hallen. Damit werden wohl auch die Voraussetzungen geschaffen, neue, umstrittene Geschäftsmodelle chinesischer Handelsplattformen
zu unterstützen.
Neu ist allerdings die Ankündigung,
"vorhandene Flächen in der CargoCity Süd umzugestalten und weiterzuentwickeln. Flugbetriebsflächen und Frachtflächen sollen so getauscht werden, dass 43.000 Quadratmeter zusätzliche Luftfrachtfläche mit direkter Anbindung an das Vorfeld sowie 20.000 Quadratmeter zusätzliche Flächen für Ground Handling und Sonderabfertigungen entstehen".
Wie das räumlich aussehen soll, zeigen Skizzen auf der entsprechenden
Unter-Seite.
"Die 18 bisher geplanten Flugzeugpositionen werden dabei lediglich neu angeordnet".
Trotzdem nimmt Fraport dafür ein bisheriges Tabu-Wort in den Mund und formuliert:
"Hierzu steht Fraport in intensivem Austausch mit den zuständigen Genehmigungsbehörden und wird das notwendige Planänderungsverfahren zeitnah anstoßen".
Der ansonsten unantastbare Planfeststellungsbeschluss soll also für diese "Optimierung" tatsächlich geändert werden - etwas, was bei anderen Themen bisher meist als unmöglich zurückgewiesen wurde, egal, wie sehr sich Voraussetzungen und/oder Rahmenbedingungen geändert haben.
Üblicherweise wird in solchen Fällen argumentiert, dass der von einem PFB "Begünstigte" natürlich das Recht habe, Änderungen an den ihm zugestandenen Rechten zu beantragen, aber immerhin handelt es sich bei einem solchen Verfahren um einen Abwägungsprozess, in dem auch die Belange Dritter, also auch der Anwohner, zu berücksichtigen sind. Man sollte sich aber dabei keine Illusionen machen. Die Neuverteilung der vorhandenen Flächen betrifft die Interessen Dritter bestenfalls marginal und wird den Fraport-Wünschen wohl kaum im Weg stehen. Und die möglichen weiteren Konsequenzen dieser Änderung, wie zum Beispiel erhöhte Frachtmengen, mehr Frachtflüge etc. sind von der bestehenden Genehmigung, die ja praktisch keinerlei Grenzen diesbezüglich kennt, völlig abgedeckt.
Auch die Flächenentwicklung, die den Aufbau der CargoCity West, dem ehemaligen Ticona-Gelände, meint, ist rechtlich weitestgehend abgesichert. Die Stadt Kelsterbach hat 2017 den notwendigen
Bebauungsplan
für das Gelände beschlossen, ein weiterer für die Anbindung an die Rüsselsheimer Strasse (ehem. B43) ist
auf den Weg gebracht.
Allerdings dürfte ungewiss sein, ob die Stadt Unterführung und Kreisel überhaupt finanzieren kann, wenn die Gewerbesteuer von Fraport auch
in den nächsten Jahren wegfällt. Aber das ist eine Frage der Prioritäten.
Wir konnten nicht feststellen, ob die vorgeschriebenen Altlasten-Sanierungen abgeschlossen wurden und ob die Unterkünfte für Kreuzkröte, Flussregenpfeifer, Zauneidechse und Heidelerche in dem schmalen Grünstreifen zur Autobahn hin ordnungsgemäß errichtet wurden, aber daran scheitert eine Bebauung nur selten.
Dem angekündigten
ersten Schritt
steht also nichts im Weg. Da
"sind Speditionsanlagen in zwei Reihen auf einer Fläche von 250.000 Quadratmetern sowie Betriebsanlagen auf 70.000 Quadratmetern geplant",
die
"voraussichtlich ab 2028 für die Vermarktung zur Verfügung"
stehen. Deren
"Anbindung an den Flughafen"
soll
"über einen Verkehrsanschluss an die B43 mit einer neu errichteten Unterführung"
erfolgen. Im Kern geht es also um eine Erweiterung des Mönchhofgeländes, nur innerhalb des Flughafen-Zauns.
Inwieweit im zweiten Schritt noch wesentliche (und juristisch angreifbare) Veränderungen erfolgen sollen, lässt sich frühestens dann beurteilen, wenn die wolkigen Ankündigungen einer
"organisatorischen Anbindung an den Flughafen über integrierte Prozesse",
"einer luftseitigen Anbindung an den Flughafen über die Landebahn Nordwest"
oder
"einem Trimodal Hub mit einem KV-Terminal (Kombinierter Verkehr) eines externen Vorhabenträgers"
wenigstens ein bißchen mit Inhalt gefüllt werden. Da das Ganze aber unter einem Bedarfs-Vorbehalt steht und mit einer Umsetzung bestenfalls irgendwann nach 2030 zu rechnen ist, ist es derzeit kein Thema.
Als Neuigkeit bleibt also allein die Ankündigung eines Planänderungs-Verfahrens für die CargoCity Süd, alles andere entspricht den bisherigen
Ausbau-Planungen.
Verändert sind noch Namen und Begrifflichkeiten. Es gibt einen "Masterplan", nach "Airport City" und "Cargo City" gibt es jetzt den "Frankfurt CargoHub" (oder "Fraport CargoHub"?), entsprechend wird die ehemalige
Airport City West
nun zum "LogisticHub West".
Wer Spaß an juristischen Auseinandersetzungen, gute Nerven und entsprechende Ressourcen hat, kann also demnächst mal wieder versuchen, der weiteren Wucherung dieses Flughafens ein paar Paragraphen in den Weg zu legen, aber die Erfolgsaussichten dürften begrenzt sein. Da lohnt es wohl eher, immer wieder aufzuzeigen, welche Schäden Fraport, Lufthansa & Co. mit solchen Projekten in wirtschaftlicher, ökologischer und gesundheitlicher Hinsicht anrichten.
Das waren die Meßstellen auf dem Flughafengelände
(Grafik entnommen einer
Präsentation
zur UFP-Belastungsstudie,
Beschriftungen ergänzt. Zum Vergrössern anklicken)
18.04.2024
Anfang der Woche hat das Umwelt- und Nachbarschaftshaus etwas überraschend eine
Pressemitteilung
zum Stand des Projekts
SOURCE FFR
veröffentlicht - die erste seit Beginn des Projekts vor über einem Jahr. Anlass war:
"Zweite Messkampagne zu ultrafeinen Partikeln (UFP) im Rahmen von SOURCE FFR (Study On Ultrafine Particles in the Frankfurt Airport Region) auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens wurde abgeschlossen."
Der erste Kampagne wurde laut dem im März präsentierten
Zwischenbericht
"im September / Oktober 2023"
durchgeführt.
"Die zweite Messkampagne am Frankfurter Flughafen startete am 19. März 2024 und wurde am 16. April 2024 abgeschlossen. Diese erweitert nicht nur die Datenbasis der ersten Messkampagne, sondern diente auch zum erstmaligen Einsatz von neuer Aerosolmesstechnik auf einem Flughafenvorfeld. ... Ziel der beiden Messkampagnen insgesamt ist es, die Partikelemissionen von rollenden, startenden und landenden Flugzeugen in unmittelbarer Nähe zu messen."
Um die Bedeutung zu betonen, fehlt es nicht an Superlativen.
"Die Detailtiefe von SOURCE FFR und damit auch die Aussagekraft dieser Studie wurde bisher von keiner anderen Ultrafeinstaubstudie in einer Metropolregion mit Flughafen erreicht",
und
"Mit Blick auf das Gesamtvorhaben handelt es sich um die umfassendste Flughafenstudie zum Thema Ultrafeinstaub."
Weitere Highlights stehen kurz bevor. So
"wird die Technische Universität Braunschweig (TUBS) im Herbst 2024 und Frühjahr 2025 Messungen der UFP-Konzentrationen in verschiedenen Höhen im Umfeld des Flughafens durchführen."
Dabei
"sollen vertikale Messungen erfassen, wie sich die Konzentration der Partikel mit der Höhe verteilt ... aber auch, welchen Einfluss Überflüge auf die UFP-Belastung haben."
"Im Sommer 2024 wird die UFP-Ausbreitungsmodellierung gestartet, in der für die zwei Jahre 2019 und 2024 die Konzentration der UFP in der Modellregion berechnet wird. Parallel dazu werden Immissionsmessungen in und um Frankfurt herum durchgeführt, die der Modellvalidierung dienen."
Aber das Beste kommt wie immer zum Schluss:
"Im Frühjahr 2025 steht ein weiterer Meilenstein bevor: Das wissenschaftliche Konsortium um das TROPOS wird einen schriftlichen Bericht über erste Projektergebnisse vorlegen, der öffentlich zugänglich sein wird."
Die Kernbotschaft dieser Pressemitteilung an die Öffentlichkeit ist also: "Wir machen hier seit einem Jahr ganz tolle Sachen und haben auch noch viel vor, aber bis ihr erfahrt, was dabei rauskommt, müsst ihr noch ein Jährchen warten."
Muss das so sein? Natürlich ist klar, dass eine vollständige Auswertung solcher Messungen einiges an Zeit in Anspruch nimmt, insbesondere dann, wenn neue Meßtechniken eingesetzt wurden. Trotzdem drängen sich eine Reihe von Fragen auf, auf die zumindest vorläufige Antworten möglich sein sollten. Wie verhalten sich die gemessenen Größenordnungen von nicht-flüchtigen und flüchtigen Partikeln im Verhältnis zu an anderen Flughäfen durchgeführten Messungen? Unterscheiden sich die Messungen an den drei Meßpunkten, die ja im Wesentlichen die drei Phasen startender, landender und rollender Verkehr repräsentieren? Haben sich in der ersten Meßkampagne Auffälligkeiten ergeben, die in der zweiten Kampagne überprüft werden konnten? Ergaben sich spezielle Arbeitshypothesen, die nun zu prüfen sind?
Man könnte die Liste fortsetzen. Auch zu den "nächsten Schritten" wären weitere Details interessant. Wo genau kommt die TUBS-Drohne zum Einsatz, und wie soll damit der "Einfluss der Überflüge" gemessen werden? Was wurde aus einem vergleichbaren Einsatz am Berliner BER gelernt? Wo überall werden "Immissionsmessungen zur Validierung der Modellierung" durchgeführt, und was wird da alles gemessen?
Natürlich würden Aussagen zu diesen Fragen nicht zum Tagesgespräch in den Kneipen der Region, aber es gibt genügend Menschen, die sich von der Schadstoff-Belastung durch den Luftverkehr betroffen fühlen und die genauer wissen wollen, was getan wird und welche Fortschritte es geben könnte, aber eben auch, was nicht getan wird und wo es mehr politischen Druck braucht, um Fortschritte zu erzielen.
Wir haben einiges dazu bereits in unserer
Kritik
anlässlich des FFR-Treffens mit den BIs im März formuliert, und diese PM liefert keine einzige Antwort dazu. Wir wollen aber nicht warten, bis das Glück auch zu uns kommt, wie es die 20er-Jahre-Operettenschnulze den braven Mädchen empfiehlt. Wir fordern von einem Projekt, das mit Steuergeldern ein Problem untersucht, das für die Bevölkerung im Umfeld des Flughafens von höchster Relevanz ist, größtmögliche Transparenz und Offenheit und eine zeitnahe und detaillierte Information darüber, was getan wird und was dabei herauskommt.
„Luftansicht des Frankfurter Flughafens, um 1984“,
in: Largis Hessen, Historische Bilddokumente
(Ausschnitt, Beschriftung ergänzt)
10.04.2024 (Update 20.04.2024)
Vor 40 Jahren, am 12. April 1984, wurde die Startbahn 18 West am Flughafen Frankfurt in Betrieb genommen - ganz ohne die sonst bei solchen Gelegenheiten unvermeidlichen Feierlichkeiten. Zu gross war der Widerstand gegen dieses Projekt in der Region gewesen, zu viele Menschen waren dagegen auf die Strassen und in den Wald gegangen - und zu brutal hatte der Machtapparat aus Politik und Polizei die Konzerninteressen dagegen durchgeprügelt, als dass sich irgend jemand eine öffentliche Feier getraut hätte. Die Zeichen standen überwiegend auf Befriedung.
Die gelang dann auch weitgehend. Neben einer
satirischen Eröffnungsveranstaltung
der BIs anlässlich der Inbetriebnahme gab es am 14.04. noch einmal eine grössere "Sonntagsdemo" mit rund 15.000 Teilnehmer*innen, danach flauten die Aktivitäten immer weiter ab.
Der aktivistische Teil der Bewegung setzte die Strategie der "Nadelstiche" am Startbahngelände noch einige Zeit fort, bis nach den tödlichen Schüssen auf zwei Polizeibeamte anlässlich einer
Jubiläumsaktion
zum Jahrestag der Hüttendorf-Räumung am 02.11.1987 auch damit Schluss war.
Inzwischen sind die Ereignisse von damals wohl nur noch denen präsent, die direkt daran beteiligt waren. Die Tradition der
Sonntagsdemos
lebte im Widerstand gegen den Bau der Nordwestbahn nochmal auf, und vor zehn Jahren haben die Stadt Mörfelden-Walldorf, einst Zentrum des Widerstands, und die dortigen BIs auch noch eine
eigene Veranstaltung
zu diesem Jahrestag gemacht. Heute aber wird er in den Medien eher wie ein Ereignis abgehandelt, das Stoff für den Geschichtsunterricht oder eine Museumsausstellung liefert.
Was aus der Geschichte der Bewegung gegen die Startbahn West zu lernen wäre, hat schon mal vor drei Jahren anlässlich anderer
Jahrestage
eine Rolle gespielt. Im Herbst 2021 jährten sich einer der wenigen juristischen Erfolge der Bewegung und zwei Niederlagen. Das von der Landesregierung bekämpfte "Mediations-Nachtflugverbot" konnte vor Gericht verteidigt werden und trat 2011 in Kraft, allerdings zusammen mit der Eröffnung der Nordwestbahn, einem wesentlichen Schritt der neuen Ausbaurunde. Und vierzig Jahre vorher, am 02.11.1981, wurde mit der brutalen Räumung des Hüttendorfs auf dem Startbahngelände die Hauptbauphase der 18 West eingeleitet.
Der recht unterschiedliche Umgang mit diesen Ereignissen sowie die Tatsache, dass sich Anfang 2021 eine der ältesten Strukturen des Widerstands gegen den Flughafenausbau, die "Interessengemeinschaft gegen Fluglärm (IGF)"
aufgelöst
hatte, waren damals schon Anlass für
Betrachtungen
über den aktuellen Stand der Widerstands-Bewegung. Die
Rede
anlässlich des 12. Jahrestages der Inbetriebnahme der Nordwestbahn im Herbst letzten Jahres war ein Versuch, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Diskussionen im Vorfeld des aktuellen Jahrestages machten aber sehr deutlich, dass die wesentlichen Fragen nach wie vor unbeantwortet sind. Welche Lehren aus der Startbahn-Bewegung für heute zu ziehen sind und wie der Kampf gegen die weitere Expansion des Flughafens und des Luftverkehrs erfolgreicher geführt werden könnte, ist nach wie vor offen.
Fragt man stattdessen zunächst, welche Bedeutung dieser Ausbauschritt eigentlich hatte, fällt die Antwort leichter. Die Startbahn West hat wesentlich dazu beigetragen, die Kapazität des Flughafens zu erhöhen, obwohl sie betrieblich gesehen wohl die dümmst-mögliche Variante einer Erweiterung war. Nur für Starts in eine Richtung nutzbar, erfüllt sie nur ein Viertel der Aufgaben, die eine Bahn normalerweise hat (Starts und Landungen in beide Richtungen). Quer am Ende des Haupt-Bahnsystems gelegen, muss der Zubringer-Verkehr die anderen Bahnen kreuzen, was insbesondere bei Landungen aus Westen zu Verzögerungen und Staus führt. Empfindlich für zu starke Rückenwinde aus Norden, ist das Risiko eines Ausfalls bei bestimmten Wetterlagen recht hoch.
Dass sie trotzdem so gebaut wurde, weil anderer Platz nicht zur Verfügung stand, macht klar: FRA sollte trotz der völlig ungeeigneten Lage in einem Ballungsgebiet zum zentralen deutschen Hub ausgebaut werden, und mit dem Bau der Startbahn West wurde diese Entscheidung ein Stück weiter in Beton gegossen und damit schwieriger zu korrigieren. Dass dann 25 Jahre später eine betrieblich ebenso fragwürdige vierte Bahn in den Kelsterbacher Wald betoniert wurde, war nur noch eine weitere traurige Konsequenz.
Damit wird es aber immer unwahrscheinlicher, dass der lokale Widerstand in der Rhein-Main-Region wesentliche Änderungen in der Rolle von FRA im Flughafen-System der Bundesrepublik erzwingen könnte, selbst wenn es gelänge, eine neue Bewegung in der Dimension der Startbahnbewegung der frühen achtziger Jahre zu organisieren (wovon wir meilenweit entfernt sind). Fraport wird ihre Position aggressiv verteidigen und auszubauen versuchen, und sie hat breite Unterstützung der etablierten politischen Kräfte dafür - jedenfalls solange, bis das Wachstum des Luftverkehrs generell an Grenzen stösst. Das könnte durch eine rationale gesellschaftliche Entscheidung bewirkt werden - wird aber sehr viel wahrscheinlicher durch die Wirkung äusserer Einflüsse, speziell der Auswirkungen der eskalierenden Klimakatastrophe, geschehen.
Auf dem Weg dahin bleibt der Bewegung im Wesentlichen nur, als
gute Demokraten
in der Tradition der Startbahn-Bewegung die Entwicklungen zu begleiten, Mißstände aufzudecken, die
negativen Folgen des Flugverkehrs
zu benennen,
Lügen
und
Greenwashing
zu entlarven, kurz also,
zu sagen, was ist. Kleine Erfolge, wie Verbesserungen beim Schallschutz, gewisse Reduktionen bei den Schadstoff-Immissionen, Blockaden besonders belästigender oder riskanter Flugverfahren etc. sind denkbar - grössere Veränderungen können, wenn überhaupt, dann nur im Bündnis mit anderen Bewegungen erzielt werden.
Auch das aber setzt fundierte Analysen der aktuellen Entwicklungen, präzise Argumentationen und Hartnäckigkeit voraus - Dinge, die der aktuellen Bewegung allzu oft fehlen. Das aber kann man aus allen erfolgreichen Bewegungen, wie z.B. auch der Anti-AKW-Bewegung, lernen. Es ist harte Arbeit, den Gegner immer wieder mit wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fakten zu konfrontieren und seine Behauptungen zu widerlegen. Emotionale Empörung ist auch notwendig - reicht aber alleine bei Weitem nicht aus.
Auf der Webseite des BBI gibt es noch einen lesenswerten Beitrag von zwei Mitstreitern aus Mörfelden-Walldorf, die im Kampf gegen die Startbahn West von Anfang an an vorderster Front dabei waren. Jossy Oswald und Rudi Hechler.
17.03.2024
Wie angekündigt, wurde das eigentlich für Freitag, den 26.01., geplante, aber verschobene 'Austauschtreffen' zwischen FFR/UNH und den Bürgerinitiativen am 08.03. nachgeholt. Gegenüber dem
Stand Ende Januar
waren der Einladung nicht nur Präsentationen eines
Projektberichts
und eines
Konzepts
für die Wirkungsstudie beigefügt, sondern auch noch eine weitere Präsentation zur
UFP-Belastungsstudie.
Zusätzlich wurden auf der
Projekt-Webseite
zwischenzeitlich noch der ausführliche
Bericht
über die
"Erstellung eines Studiendesigns zur Entwicklung einer UFP-Wirkungsstudie"
sowie die
Stellungnahme
der "Wissenschaftlichen Qualitätssicherung" dazu eingestellt.
Durch die zusätzlichen Materialien und die Möglichkeit, nicht nur die Folien zu sehen, sondern auch die Erläuterungen dazu zu hören, wurde schon einiges verständlicher.
Besonders viel zum besseren Verständnis bei trug aber die Bereitschaft der beiden Vortragenden, Frau Prof. Hoffmann für das Design der Wirkungsstudie und Herr Prof. Vogel für den Stand der Belastungsstudie, auf alle Fragen aus der Runde ausführlich einzugehen,. Auch die Ergänzungen der Fluglärmschutzbeauftragten, Frau Barth, die als Mitglied des FFR-AK UFP über den dortigen Diskussionsstand berichtete, waren hilfreich.
Es liegt in der Natur der Sache, dass trotzdem etliche Fragen unbeantwortet blieben und etliche Antworten unbefriedigend waren. Darauf wollen wir hier in der logischen Reihenfolge eingehen und zuerst die kritischen Fragen formulieren, die sich aus den vorliegenden Aussagen zur Belastungsstudie ergeben. Diese Fragen sind zusammengefasst folgende:
Hier nur soviel: Dass die UFP-Quellen aus dem Flugverkehr nicht umfassend erfasst werden, lässt sich schon aus der in der Präsentation angedeuteten Definition des Modellierungsgebietes schliessen. Es wurde offensichtlich ausschließlich mit dem Flughafengelände als Quelle festgelegt und umfasst wesentliche Bereiche, in denen hinreichend niedrig geflogen wird, nicht.
Dass die Messungen zur Validierung der Modellierungen nicht ausreichen werden, deutet sich dadurch an, dass in vielen Bereichen bisher nicht oder nicht ausreichend gemessen wird. Es gibt aber nur ganz wenige Aussagen über zusätzliche Messungen, die auf keinen Fall ausreichen können.
Zu den geplanten Modellierungen gibt es garkeine Aussagen, so dass man auf das zurückgreifen muss, was bisher an Modellen eingesetzt wurde. Das reicht mit Sicherheit nicht aus, und es ist nicht erkennbar, dass im laufenden Projekt relevante Ressourcen für die Entwicklung neuer Techniken eingesetzt würden.
Auch bei der Untersuchung der gesundheitlichen Wirkungen der Flugzeug-UFP ist leider Skepsis angebracht. Zwar ist das Design der Wirkungsstudie noch nicht endgültig festgelegt und der FFR-Koordinierungsrat wird noch im Einzelnen beschliessen, was aus dem vorgelegten Konzept noch alles aus "finanziellen Gründen" herausgekürzt wird. Aber es gab beim Treffen klare Aussagen zu zwei Dingen, die nicht stattfinden werden.
Wenn im Konzept der Wirkungsstudie von "zeitlich hoch aufgelösten" Darstellungen die Rede ist, geht es um Stunden- oder bestenfalls Halbstunden-Werte. Es gibt also auch keine Chance, die bestenfalls Minuten andauernden, extrem hohen Belastungen zu erfassen und zu untersuchen, die regelmäßig bei Überflügen entstehen.
Ohne extrem rechthaberisch wirken zu wollen, können wir daher feststellen, dass alle Bedenken, die wir bei der Vorlage der ersten Projektkonzeption im Juli 2022 formuliert haben, sich zu bestätigen scheinen, und dass die Kernaussage des damals präsentierten Graphical abstract nach wie vor gültig ist:
Auf dem Weg zu einer Ultrafeinstaubstudie im FFR bestimmt die Luftverkehrswirtschaft die Marschrichtung(Wir hätten ja mit solchen Prognosen gerne mal unrecht, aber das ist offenbar systembedingt unmöglich.)
Der Einfluss der Luftverkehrswirtschaft wird dabei nicht einmal besonders subtil zur Geltung gebracht. Im neunköpfigen Koordinierungsrat, der letztendlich auch über die finanziellen Hebel darüber entscheidet, was gemacht wird und was nicht, sitzen drei Vertreter der Luftverkehrswirtschaft (Fraport, Lufthansa, DFS), drei Vertreter*innen der Fraport-Anteilseigner (Land Hessen/Staatskanzlei, HMWEVW, Stadt Frankfurt) und zwei kommunale Vertreter. Dazu kommt der FFR-Vorsitzende, der dort als "Präsident acatech" geführt wird, aber bei Kenntnis der Geschichte des Flughafenausbaus beim besten Willen nicht als neutral betrachtet werden kann.
Damit muss man davon ausgehen, dass auch mit diesem Projekt die entscheidenden Fortschritte beim Verständnis der Wirkungen von Ultrafeinstaub aus Flugzeug-Triebwerken auf die Gesundheit der Anwohner nicht erreicht werden. Das heisst aber nicht, dass das Projekt völlig unbrauchbar wäre. Es gibt immer noch Hoffnung, dass aus den durchgeführten Untersuchungen wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen werden können, welche gesundheitlichen Schäden UFP im Allgemeinen anrichten können. Damit könnte auch ein wichtiger Beitrag zur Ableitung von allgemeinen Grenzwerten für die UFP-Belastung geleistet werden.
Ein vollständiges Bild der Belastungen durch den Flugverkehr und der daraus resultierenden Schäden wird es aber nur dann geben, wenn die Betroffenen insgesamt wesentlich mehr Einfluss darauf erzwingen, was untersucht wird.
Wenn also das laufende Projekt absehbar zu klein dimensioniert oder unzureichend ausgerichtet ist, dann kann die Schlussfolgerung daraus nur sein, dass die hier offen bleibenden, aber dringend zu lösenden Fragen anderswo bearbeitet werden müssen. Und es wäre auch nur konsequent, wenn dafür die für die Probleme Verantwortlichen herangezogen würden. Wer potentiell toxische Stoffe in Verkehr bringt und im Verdacht steht, durch ihre Nutzung Gefahren für die Öffentlichkeit zu bewirken, hat zu beweisen, dass die dadurch geschaffenen Risiken tolerabel sind, oder er muss diese Nutzung verändern oder einstellen. Im Klartext: die Hersteller von Turbinen-Ölen, von Flugzeug-Triebwerken und die Fluggesellschaften haben zu untersuchen, was ultrafeine Partikel aus diesen Ölen bewirken und wie ihre Freisetzung minimiert werden kann.
Ebenso haben Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten am Arbeitsplatz oder ihre Kunden spezifischen Risiken aussetzen, diese Risiken zu untersuchen und zu minimieren. Fraport wäre also als Erste in der Pflicht, die UFP-Belastung an den Arbeitsplätzen und in den Aufenthaltsbereichen am Flughafen und deren gesundheitliche Wirkung zu untersuchen und zu minimieren.
Von selbst werden sie das natürlich nicht tun. Es braucht öffentlichen Druck auf die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen, solche Konsequenzen durchzusetzen. Die nächste Gelegenheit, zuständige Politiker*innen mit solchen Fragen zu konfrontieren (und die Chance zu haben, dass sie zuhören), sind die
Europawahlen
im Juni.
29.02.2024
Mitte Februar hat Fraport etwas überraschend per
Pressemitteilung
verkündet, dass sie in diesem Jahr eine grosse Werbekampagne unter dem Titel
100 Jahre wie im Flug
durchziehen wollen.
Anlass ist:
"Ein Jahrhundert ist vergangen, seit mit Gründung der Südwestdeutschen Luftverkehrs AG die Geschichte der heutigen Fraport AG begann und sich die Stadt Frankfurt am Main zum Luftverkehrsstandort entwickelte".
Das gemeine Volk erwartet
"jede Woche neue bunte Geschichten und Aktionen rund um den Flughafen"
und
"zahlreiche Publikumsveranstaltungen auf der Besucherterrasse des Airports",
aber
"das Fachpublikum spricht Fraport mit hochkarätig besetzten Konferenzen und Vorträgen gesondert an".
Freuen wir uns also auf ein bißchen Disneyland am Flughafen, und vielleicht sickert ja aus den illustren Fachrunden auch noch die ein oder andere Information durch.
Ganz dumm soll aber auch die Öffentlichkeit nicht bleiben, deshalb gibt es auf der Kampagnenseite auch zwei inhaltliche Elemente: eine
Festschrift,
auch "Jubiläumsbuch" genannt, zu "100 Jahren Flughafengeschichte", und eine Bilderstrecke
Fliegen gestern und heute
zu 100 Jahre Luftverkehr von 1909 bis 2026 (ja, das sind 117 Jahre, und heute ist nicht 2026, aber dazu kommen wir gleich).
Im Inhaltsverzeichnis ist es nicht erkennbar, aber die Bilderstrecke ist auch in der Festschrift auf den Seiten 118 bis 123 abgedruckt, allerdings nicht mit Fotos, sondern nur mit Zeichnungen.
Zunächst wollen wir kurz auf die positiven Aspekte eingehen, die es in diesen Materialien erstaunlicherweise auch gibt. Dazu gehört, dass sowohl in der Bilderstrecke als auch in der Festschrift im Kapitel Verantwortung auf das grösste Verbrechen der Nazis am Frankfurter Flughafen eingegangen wird: die Errichtung des KZ-Außenlager Walldorf und der Einsatz von 1.700 jüdischen Zwangsarbeiterinnen für den Bau einer neuen Start- und Landebahn für die 'Wunderwaffe Düsenjäger' im zweiten Halbjahr 1944. Fraport weist auch auf die Verstrickung ihrer Vorgänger-Gesellschaft in diese und andere Verbrechen während der NS-Herrschaft hin und kann zurecht für sich in Anspruch nehmen, bereits in der Vergangenheit zu Aufklärung und Dokumentation und einer gewissen Entschädigung der überlebenden Frauen beigetragen zu haben.
Damit unterscheidet sie sich positiv z.B. von der Firma Züblin, die damals die Bahn mit Hilfe der Zwangsarbeiterinnen gebaut hat und bis heute am Ausbau des Flughafens gut verdient, vom Airrail Center/The Squaire über Brücken für die Landebahn Nordwest bis hin zu
Terminal 3
und
LCCevolution
von Lufthansa Cargo.
Erst im Jahr 2023 hat Züblin zusammen mit der Mutterfirma STRABAG im Rahmen gemeinsamer Jubiläumsfeierlichkeiten so etwas wie
Verantwortung eingestanden
für die Beteiligung an
"dem menschenverachtenden Einsatz von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen auf den Baustellen"
und erklärt:
"Maßnahmen, die zur Erforschung der Tatsachen und dem Andenken der Opfer dienen, werden von den Unternehmen rückhaltlos unterstützt".
Von Entschuldigung und Entschädigung ist aber auch da nicht die Rede.
Positiv (jedenfalls im Vergleich zu anderen) ist insgesamt auch das Festschrift-Kapitel zum
Thema
Vielfalt,
das wichtige Aussagen zu Diversität und Inklusion enthält, den teilweise schwierigen Weg dorthin andeutet und mit einem Bekenntnis zur Bekämpfung
"fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Gewalt"
und
"für ein demokratisches, an den Grundsätzen von Humanität und Menschenwürde orientiertes Miteinander"
endet.
Warum gerade am Anfang dieses Kapitels noch ein paar historische Fakten benannt sind, die in den anderen Kapiteln fehlen, erschliesst sich nicht. Die wenigen Sätze weisen aber auf einige Randbedingungen der Anfangsphase der Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland hin, die etwas klarer machen, in welcher Tradition Fraport wirklich steht.
Wenn Fraport-Chef Schulte
mit Pathos davon spricht,
dass der Flughafen
"ein Symbol für Verbindungen – Verbindungen zwischen Kulturen, Menschen und Ideen"
sei, wo
"Welten zueinander"
finden und
"eine Atmosphäre des Austausches und der Zusammenarbeit"
schaffen, beschreibt er damit bestenfalls einen Teil der Wirklichkeit. So sehr solche und ähnliche idealistische Vorstellungen Individuen angetrieben haben mögen, die Geschichte des Luftverkehrs wurde und wird von anderen Kräften geprägt.
Auch Frankfurt wurde nicht erst durch die
Internationale Luftschiffahrt-Ausstellung
1909
"zu einem Hotspot der deutschen Luftfahrt".
Die
Entwicklung des Luftverkehrs
begann auch hier einiges früher, und in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde besonders deutlich, was die
treibenden Kräfte
waren. Aber Fraport möchte nicht so gerne darüber reden, dass der zivile Flugverkehr ohne massive staatliche Subventionen nicht möglich gewesen wäre, und dass diese Subventionen hauptsächlich deshalb flossen, weil er zugleich Wegbereiter und Tarnkappe des Sektors war, der im Mittelpunkt des staatlichen Interesses stand: des Militär-Flugbetriebs.
Ähnlichkeiten zur heutigen Situation sind weder beabsichtigt noch zufällig, sondern systembedingt. Auch wenn das Verhältnis von zivilem und militärischem Flugbetrieb heute komplexer ist, hat sich an der
Subventionsabhängigkeit
nichts geändert. Allein die Steuerbefreiungen von Kerosin und internationalen Flügen beliefen sich nach
Schätzungen des UBA
2018 auf über 12 Milliarden Euro.
Deshalb listet Fraport im
Kapitel
Wirtschaft,
das auch die Anfangszeit behandelt, lieber lange Reihen von Zahlen zu beförderten Passagieren und Frachtmengen, Investitionen und Stammkapital auf, die das schöne Bild vom ständigen Wachstum malen sollen, leider hin und wieder unterbrochen von widrigen externen Ereignissen wie Kriegen, Wirtschaftskrisen und Pandemien. Es ist das
übliche Fraport-Gerede
vom grenzenlosen Wachstum, hier wieder garniert mit den ebenso üblichen Phantasien über
induzierte, katalysierte und imaginierte Arbeitsplätze
und Spekulationen über die angebliche
wirtschaftliche Bedeutung
des Flughafens.
Es werden auch tolle,
50 Jahre alte Ziele
erwähnt wie
"Die FAG sollte ein vorbildlicher Arbeitgeber mit leistungsgerechter Bezahlung und sozialer Sicherheit sein",
aber dabei natürlich übergangen, dass davon heute
nichts mehr wahr ist,
weil
"sich der zivile Luftverkehr in Europa von einem stabilen, staatlich geprägten Segment zu einem schnelllebigen ökonomischen »Haifischbecken« gewandelt hat, in dem heute eine Vielzahl verschiedener Anbieter und Subunternehmen einen harten Unterbietungswettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten austragen"
und Fraport da einer der grossen Fische ist.
Auch ist natürlich nicht davon die Rede, dass die
aktuellen Geschäftsmodelle
der Flughäfen in keiner Beziehung nachhaltig sind und auch Fraport den Flugbetrieb mit Gewinnen aus anderen Bereichen
quersubventionieren
muss. Dafür darf ein inzwischen ausgetauschter Minister von
"exakten Berechnungen"
der
"wirtschaftlichen Bedeutung"
des Flugverkehrs faseln und dafür uralte Gutachten zitieren, deren
Methodik fragwürdig
ist und die wirtschaftliche Effekte behaupten, die
empirisch nicht nachweisbar
sind.
Und der IHK-Chef empfiehlt den "angrenzenden Kommunen",
"sich als Teil einer erweiterten Airport City zu verstehen"
und
"mit einer vorausschauenden Flächenpolitik"
weitere
"innovative und internationale Unternehmen"
anzulocken. Für gesundheitliche oder ökologische Bedenken ist in seiner Sicht auf die
"Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main"
kein Platz. Und nicht nur damit ist er aus der Zeit gefallen. Auch der Begriff "Airport City" ist
seit Jahren überholt
und wird wegen allzuviel Anmaßung nicht mehr verwendet. Aber das war für hessische Unternehmerverbände
noch nie ein Argument.
Er passt damit aber zu Fraport, die z.B. auf S. 77 ihrer Festschrift über eine Allianz mit dem Flughafen Amsterdam Schiphol namens
Pantares
schreibt, als würde die noch existieren. Dabei ist sie schon vor Jahren von der Bildfläche verschwunden, und in der einzigen je entwickelten gemeinsamen Aktivität, einem Logistik-Zentrum in Hongkong, werden sie als
einzelne Investoren
geführt.
Das mag man noch als Kuriosum abtun, aber im
Kapitel
International
wird es unter
Geschäfte jenseits des Zauns
richtig unverschämt. Dort behaupten sie:
"Athen-Eleftherios Venizelos war Mitte der 1990er-Jahre ein Referenzmodell für die Fähigkeiten der Frankfurter gewesen. 2015 führte der Erfolg dazu, dass Fraport ... den Zuschlag erhielt, 14 griechische Flughäfen für 40 Jahre zu managen."
Angesichts der Tatsache, dass diese 14 Flughäfen einem unter EU-Aufsicht stehenden griechischen Staat
mit kriminellen Mitteln
gestohlen wurden und Fraport auch in den Folgejahren
von den Zwangsbedingungen profitierte,
ist diese Aussage an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Und auch bei anderen Fraport-Übernahmen bleibt
der schmutzige Hintergrund
unerwähnt.
Was im
Kapitel
Umwelt
alles fehlt, mißverständlich oder falsch dargestellt oder schlicht gelogen ist, lässt sich im Rahmen eines solchen Beitrags garnicht alles auflisten. Unsere ganze Webseite beschäftigt sich seit nunmehr zwölf Jahren damit, und wir empfehlen einfach, die einschlägigen
Themenblöcke
für eine alternative Darstellung und Hinweise auf die vielfältigen Skandale zu durchforsten.
Lediglich zwei Themen wollen wir hier aufgreifen, weil sie in der Festschrift prominent präsentiert werden und wir dazu bisher wenig gesagt haben. Da ist einmal die Klimapolitik der Fraport, bei der sie eine noch erschreckendere Borniertheit demonstrieren als in anderen Bereichen, und Aussagen zur Biodiversität.
Das Instrument, das Fraport für ihre Aktivitäten im Bereich Klimapolitik an vielen Stellen zitiert, ist die sog.
Airport Carbon Accreditation
(ACA), ein Zertifizierungs-Mechanismus, den sich Fraport im Rahmen ihres Dachverbandes
ACI Europe
selbst so zurechtgeschneidert hat, dass sie 2009
"als erste Flughafen-Betreibergesellschaft die Akkreditierung"
erhielt und
"bereits 2012 das Level 3 (Optimisation")"
erreichte - und seither dabei stehengeblieben ist. Die fortschrittlichsten Flughäfen auf diesem Gebiet haben inzwischen das siebte Level erreicht und sind (wegen der Mängel dieses Instruments) trotzdem noch lange nicht am Ziel, aber Fraport behauptet, sie würden
"verantwortungsvoll und transparent führen",
wenn sie auf absehbare Zeit im unteren Mittelfeld verbleiben.
Dass sie ACA, in dem es alleine um CO2 geht, dann auch noch als Mittel
"zur Vermeidung von Luftschadstoffen"
präsentieren und als Erfolgsbeweis
"die niedrigsten Jahresmittelwerte von NO und NO2 innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten"
während der Coronapandemie anführen, ist an Absurdität kaum noch zu überbieten.
Sie versuchen es allerdings, wenn sie von
"vielfältiger Flora und Fauna"
auf dem Flughafengelände reden und von
"Grünflächen von rund 600 Hektar Größe, die mit regionalen Gräserarten bepflanzt"
und
"Heimat für zahlreiche, zum Teil auch seltene Tierarten"
sind. Beweis: Es
"sind mehrere Fuchsbauten auf dem Gelände zu finden".
Ausserdem gibt es vierzehn
"in Deutschland oder Hessen gefährdete Pflanzen auf dem Gelände des Flughafens".
Das muss man sich erstmal trauen: man rodet riesige Flächen in einem jahrhundertealten Wald, betoniert grosse Teile, verhindert in allen anderen Teilen jeden grösseren Aufwuchs, vergrault alles, was sich bewegt und gross genug ist, bei den eigenen Maschinen Schaden anzurichten, erzeugt ein in Bezug auf Licht, Lärm und Schadstoffe extremes Lokalklima - und feiert sich dann dafür, dass die Natur robust genug ist, auch für eine solche Umgebung noch ein paar Arten zu finden, die sonst wenig Chancen haben, aber da existieren können. Und Fraport hat auch noch das Glück, einen ansonsten ernstzunehmenden Ornithologen zu haben, der das alles irgendwie gut findet.
Da bewegt sich das
Kapitel
Zukunft
ganz im Rahmen der Erwartungen, wenn dort verkündet wird,
"Bis 2045 sollen die CO2-Emissionen auf null sinken. LED-Lampen, Umstellung der Fahrzeugflotte, energetische Ertüchtigung der Gebäude und der Gepäckförderanlage sind hier die entscheidenden Stellschrauben ...".
Ansonsten wird da noch über freies Internet, Biometrie, IT und andere Gadgets gefaselt und die üblichen Phantasien der Luftverkehrswirtschaft über
Wasserstoff und SAF
wiedergekäut.
Dazwischen gibt es noch die Drohung, die noch ruhigeren Gegenden der Region, aber insbesondere die Städte in absehbarer Zeit mit
Flugtaxis
zu verlärmen und natürlich auch für
Überschall-Flugzeuge
offen zu sein, sollten sie jemals wieder in Betrieb gehen.
Interessant sind noch die Aussagen zum Terminal 3. Neben der Versicherung, dass es 2026 in Betrieb gehen wird, werden dafür auch noch revolutionäre Eigenschaften wie "großflächige Photovoltaik" und "Regenwasser-Nutzung" angekündigt, von denen bisher nicht die Rede war. Dass es nicht mehr mit Glühbirnen, sondern mit LEDs beleuchtet wird, war allerdings vorher schon bekannt.
Und auch die
Auftakt-Talkrunde,
in der als treue Erfüllungsgehilfen aus dem Politik-Lager die Frankfurter Ex-OB Petra Roth und der hessische Ex-Ministerpräsident und
notorische Lügner
Roland Koch auftreten durften, blieb fast frei von Überraschungen. Die beiden wurden allseits gelobt und lobten sich selbst dafür, wie konsequent sie alle Ausbau-Wünsche des Flughafens umgesetzt haben. Frau Roth garnierte das noch mit Anekdoten darüber, wie sie sich selbst davon überzeugt habe, wie unerträglich der Lärm sein kann und dass er krank machen kann, aber tröstete sich damit, dass sie der Fraport eine "Kulturstiftung" abgetrotzt habe, die das alles wieder wundersam (für sie?) erträglich macht.
Lediglich dass Herr Koch, dreist und arrogant wie eh und je, aber ausnahmsweise mal nahe an der Wahrheit, noch hervorhob, dass dieser Flughafen eigentlich für Stadt und Region viel zu gross ist und nur existieren kann, weil er auch noch andere Regionen auf der Welt ausbeutet, hätte eigentlich ein Ansatz für Diskussionen sein können, aber alle nickten nur freundlich dazu und fanden das ganz in Ordnung. Dass er damals im letzten Moment die Nachtflugbeschränkungen, die er als unabdingbar für den Ausbau bezeichnet hatte ("Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot - Kein Nachtflugverbot ohne Ausbau"),
mit falschen Behauptungen
wieder einkassieren wollte,
übergingen er und alle anderen natürlich auch.
100 Jahre wie im Flug
darf also nicht mißverstanden werden als ein Versuch, in irgendeiner ernsthaften Weise Firmengeschichte aufzuarbeiten, sich mit den sie prägenden schweren Konflikten auseinanderzusetzen und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Das Micky-Maus-Niveau der meisten Beiträge und Veranstaltungen ist im Grunde eine Beleidigung für alle Beteiligten, gibt aber auch einen Hinweis darauf, was Fraport heute hauptsächlich ist: eine Art durchkommerzialisierter Umsteigebahnhof in einem gigantischen Vergnügungspark, dessen Attraktionen auf der ganzen Welt verteilt sind. Das eindeutig dominierende Kerngeschäft ist
der Tourismus,
Geschäftsflieger und die Luftfracht, insbesondere für den Luxuskonsum, sind weitere Standbeine, alles andere ist mehr oder weniger Beiwerk. Dass hinter der freundlichen Fassade
aggressive Profitgier
die Strategie bestimmt, kann niemanden überraschen.
Warum sie diese Kampagne gerade jetzt durchziehen, erschliesst sich uns noch nicht. Vielleicht ist es einfach die Notwendigleit, nach fünf Chaos-Jahren
von 2018
bis heute
mal wieder was fürs Image zu tun, vielleicht glauben sie auch, den Kritikern der
kommenden Zumutungen
frühzeitig Wind aus den Segeln nehmen zu können. Beides wird ihnen in ihrem unmittelbaren Umfeld nicht gelingen, weil die Belastungen schlichtweg zu hoch sind. In der weiteren Region könnten sie damit aber Erfolg haben, wenn die Betroffenen nicht massiv dagegen halten.
06.02.2024 (Update 26.02.2024)
Das Umweltbundesamt hat einen Text mit dem wenig aussagekräftigen Titel Analyse des Vollzugsstandes der 2. FlugLSV veröffentlicht. Das lässt nicht erahnen, dass hier eine unglaubliche Skandalgeschichte beschrieben wird.
Die Fluglärmkommission informiert dazu:
"Im Auftrag des Umweltbundesamtes hat das Öko-Institut e. V. analysiert, welche baulichen Schallschutzmaßnahmen aufgrund der Änderung des Fluglärmschutzgesetzes im Jahr 2007 tatsächlich umgesetzt wurden und wie hoch die Kosten hierfür waren. Als Fazit wird festgestellt, dass "weder die prognostizierte Anzahl der Anträge, noch die im Rahmen der Novellierung des FluglärmG 2007 erwarteten Kostenfolgen erreicht wurden".".
Das deutet schon an, dass der Schutz vor Fluglärm damit kein besonders hohes Niveau erreicht haben kann, aber um zu verstehen, wie unzureichend die Regelungen tatsächlich sind, muss man sich noch einige Details anschauen.
Als der Gesetzestext 2004 entworfen wurde, ging die Luftverkehrswirtschaft noch
"von möglichen Kosten in Höhe von ca. 1 Mrd. € aus".
Diese Schätzung wurde im Laufe des Verfahrens auf eine
"Summe von 614 Mio. Euro"
reduziert. Der Entwurf wurde aber im Gesetzgebungsverfahren bis zur Verabschiedung 2007 noch deutlich verwässert, so dass das UBA im
Fluglärmbericht 2017
feststellen konnte:
"So wurden bislang an zivilen und militärischen Flugplätzen insgesamt rund 18,3 Mio. € für bauliche Schallschutzmaßnahmen erstattet. Zu dieser Summe kommen noch 45 Mio. €, die in den nächsten Jahren erwartet werden".
Der aktuelle Bericht stellt nun fest, dass bisher (Stand 31.01.2023) knapp 32,3 Mio. € ausgegeben wurden, davon knapp 26 Mio. € (also rund 80%) am Flughafen Frankfurt. Da die Antragsfristen fast überall abgelaufen sind, wird sich daran auch nicht mehr viel ändern.
Es ist einer verantwortungslosen Luftverkehrslobby zusammen mit willfährigen Politikern und Regierungsbeamten in Bund und Ländern also gelungen, die für die Gesundheit der Anwohner*innen rund um die deutschen Flughäfen als notwendig erachteten Ausgaben auf kaum fünf Prozent (!) des ursprünglich kalkulierten Betrags zu senken.
Welche Schäden deshalb durch
vermeidbare Krankheiten
und
vorzeitige Todesfälle
entstanden sind, wird in der Studie nicht abgeschätzt - und auch sonst nirgendwo.
Auch wenn man berücksichtigt, dass neben den Mitteln für Schallschutzmaßnahmen nach dem Fluglärmgesetz für neue oder ausgebaute Flughäfen auch noch Mittel nach dem jeweiligen Planfeststellungsbeschluss oder anderen Programmen ausgezahlt wurden, ändert sich das Bild in den meisten Fällen kaum. Das lässt sich auch am Flughafen Frankfurt zeigen.
Hier gab es laut UBA-Text (S. 67) vorher schon
"zwei freiwillige Erstattungsprogramme: das „Freiwillige passive Lärmschutzprogramm“ sowie das „Freiwillige Nachtschutzprogramm“".
Das erste lief von 1983-1989 mit technisch heute völlig überholter Ausstattung, statistische Aussagen dazu gibt es offenbar nicht mehr. Das "Nachtschutzprogramm" lief von 2001-2006 mit zum großen Teil ebenfalls veralteter Ausstattung (Fenster der Schallschutzklasse 3 und die unsäglichen "Schalldämmlüfter"). Da waren 17.500 Wohneinheiten anspruchsberechtigt, 14.000 haben Anträge gestellt. Wieviele Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurden und was es gekostet hat, wird nicht gesagt.
Für das Programm ab 2011, das laut Gesetz überwiegend erst ab 2017 starten sollte, aber zur Beruhigung der nach der Eröffnung der Landebahn Nordwest ziemlich wütenden Bevölkerung mit Steuermitteln vorgezogen wurde und ab 2013 starten konnte, gibt es ein paar mehr Daten. Demnach liegen 12.500 Wohneinheiten sowohl in der Tagschutzzone 1 (TSZ1) als auch in der Nachtschutzzone (NSZ), in letzterer, da sie grösser ist, zusätzlich noch 69.000 WE (in Raunheim ist das ein Bereich nördlich der Ringstrasse/Jakobstrasse und im äussersten Süden). In der TSZ1 wurden 11.100 Anträge gestellt und 9.700 bewilligt, davon wurden etwa 2/3 tatsächlich auch umgesetzt. In der NSZ wurden 28.600 Anträge gestellt, 25.000 bewilligt, aber nur rund 1/3 umgesetzt.
(Im UBA-Text sind in der Tab. 23, S. 62, die diese Daten zusammenstellt, die Spaltenüberschriften durcheinander geraten. Korrekt findet man die Darstellung in einer
Präsentation,
die bereits im Mai letzten Jahres in der Fluglärmkommission vorgestellt wurde.)
Die Methoden, mit denen den Menschen ein angemessener passiver Schallschutz vorenthalten wird, sind vielfältig. Bereits im Gesetz angelegt sind ein völlig unzureichendes Schutzniveau, das aber durch willkürliche Beschränkungen des finanziellen Aufwands pro Wohneinheit häufig nicht einmal erreicht wird, abschreckende Wartefristen (bis zu sechs Jahren), absurde Anrechnungen früherer Maßnahmen und weitere Schikanen, die nur einem völlig perversen Rechtsverständnis entsprungen sein können.
Dadurch und durch die Beschränkungen der geförderten Maßnahmen auf bestimmte Räume bzw. Raumnutzungen entstehen Bewilligungen, die technisch komplett unsinnig sind und/oder für eine sinnvolle Umsetzung erhebliche Eigenmittel der Bewohner erfordern. Gerade in der Nachtschutzzone, in der nur der Schutz von Schlafräumen gefördert wird, wurden daher viele Bewilligung, z.B. für eine partielle Dämmung der Fassade vor oder des Dachs über dem Schlafraum, nicht umgesetzt. Und die von Fraport angebotenen "Schalldämmlüfter" waren lüftungstechnisch, energetisch und akustisch von Anfang an eine Zumutung.
Es liessen sich noch eine Reihe weiterer Gründe dafür aufführen, dass die insgesamt 34.700 Bewilligungen letztendlich nur zu den 20.000 Maßnahmen geführt haben, die der UBA-Text auf S. 65 im Einzelnen aufführt (s. auch Grafik oben).
Dennoch führt Frankfurt sowohl nach der Zahl der Anträge (39.700, also für fast die Hälfte der 81.500 antragsberechtigten Wohneinheiten) als auch nach der ausgezahlten Summe (knapp 26 Mio €) die "Erfolgsliste" des Berichts mit großem Abstand an, was natürlich auch daran liegt, dass kein anderer deutscher Flughafen soviel Wohnbebauung verlärmt. Insgesamt wurden für alle deutschen Flughäfen nur knapp über 32 Mio € für Schallschutzmaßnahmen nach dem Fluglärmgesetz ausgegeben. Fraport nennt sogar 24.400 geförderte Haushalte und eine Summe von 28 Mio. € für dieses Programm und weist noch darauf hin, dass sogar noch mehr Geld als einmalige Schmerzensgeld-Zahlung, offiziell "Aussenwohnbereichsentschädigung gem 3. FlugLSV", ausgezahlt wurde, nämlich 32 Mio. € für 11.900 Haushalte. Dieses Geld stammt aber aus dem sog. "Regionalfond", der 2012 von der Hessischen Landesregierung zur Befriedung der Region mit über 260 Mio. €, ganz überwiegend aus Steuergeldern, ausgestattet wurde. Daraus wurden ebenfalls noch Schallschutzmaßnahmen für private Haushalte finanziert, aber wieviel, haben wir auf die Schnelle nicht herausgefunden. Der grössere Teil dieses Geldes ging jedenfalls in die "kommunale Schiene", d.h. Schallschutz- und sonstige Maßnahmen der Kommunen an öffentlichen Einrichtungen.
Dass es aber auch noch deutlich besser gemacht werden kann, wird im UBA-Text nur kurz angedeutet, weil es nicht Thema der Studie war. An einigen Flughäfen wurden die Regelungen des Fluglärmgesetzes praktisch garnicht angewendet, weil dort im Planfeststellungsbeschluss zur richtigen Zeit weitergehende Schallschutzauflagen formuliert wurden. Dabei ragt der Berliner BER heraus, für den eine ausgezahlte Summe (inkl. "Schmerzensgeld") von über 121 Mio. € und ein noch offener Betrag von rund 45. Mio € genannt werden.
Aus den
Berichten
der Betreibergesellschaft FBB ergibt sich, dass dort 26.500 Wohneinheiten anspruchsberechtigt sind, für 85 % davon Anträge gestellt wurden und die zu 97 % abgearbeitet sind. Mit der Umsetzung hakt es allerdings auch da: in der neuesten
Pressemappe
kann man nachlesen, dass zwar
"rund 430 Millionen Euro ... bereits in den passiven Lärmschutz am Flughafen BER investiert"
wurden, aber erst 33% der baulichen Umsetzungen erfolgt sind.
Zusätzlich zum deutlich grösseren Umfang der Zahlungen hat der Widerstand gegen den Bau dieses Flughafens, dem sicher auch die relativ "großzügigen" PFB-Auflagen zu verdanken sind, mit intensiver Lobbyarbeit und aufwändigen Gutachten vor Gericht auch noch
bessere technische Lösungen
durchgesetzt.
Vergleicht man Frankfurt und Berlin anhand der anspruchsberechtigten Wohneinheiten und der nach Betreiberangaben aufgewendeten Summe, so ergibt sich für Frankfurt 60 Mio € für 81.500 WE oder 736 €/WE, für Berlin 430 Mio € für 26.500 WE oder 16.226 €/WE. In Berlin wurde demnach pro Wohneinheit 22mal mehr für Schallschutz ausgegeben als in Frankfurt. Dieser Vergleich mag in Details problematisch sein, aber er zeigt doch die unterschiedlichen Grössenordnungen, um die es hier geht.
Trotzdem muss man davon ausgehen, dass auch in Berlin
nicht alles so geregelt
ist, wie es
gesundheitlich notwendig
wäre. Auch da zeigt sich einmal mehr: der passive Schallschutz kann und muss sehr viel besser werden, aber er bleibt trotzdem
nur eine Notlösung.
Ohne ein Schrumpfen des Flugverkehrs am Tag und ein Verbot in der Nacht geht es nicht.
Fraport hält für die geplagten Anwohner aber erstmal eine andere Wohltat bereit. Seit dem 01. Februar nimmt das
Fraport Infofon
Fluglärmbeschwerden auch wieder telefonisch entgegen, täglich von 5 bis 24 Uhr. Der Fortschritt ist beachtlich:
"Telefon-Agentinnen und Agenten nehmen die Anfragen auf und leiten an die Beschäftigten des Fraport-Nachbarschaftsdialogs weiter",
wo sie bisher in schriftlicher Form auch gelandet sind. Im
Anfrage-Portal
konnte man sich allerdings zeit- und energie-sparend die Floskeln, die später als Antwort kommen würden, gleich direkt abholen.
In einer
Präsentation
für die Fluglärmkommission nennt Fraport noch weitere Details. Derzeit läuft ein Testbetrieb:
"Das Infofon wird für 15 Monate wieder in Betrieb genommen. In dieser Testphase werden Daten evaluiert und Anfang 2025 über eine eventuelle Fortführung entschieden".
Für Anwohner in Flörsheim und Raunheim interessant:
"Das Infofon nimmt auch Hinweise zu Wirbelschleppenschäden auf".
Wenn die natürliche Intelligenz nicht ausreicht, die Sinnhaftigkeit dieser Einrichtung angemessen zu würdigen, kann
Künstliche Intelligenz
aushelfen:
"Insgesamt machen Fluglärmbeschwerden Sinn, weil sie die berechtigten Anliegen der betroffenen Menschen hervorheben. ... Wenn genügend Menschen ihre Unzufriedenheit äußern und sich beschweren, kann dies dazu führen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um den Fluglärm zu reduzieren".
Eifrig teilnehmen soll sich also lohnen. Fraport hält dafür auch noch eine besondere Auszeichnung bereit. Wer mehr als 300 Beschwerden pro Jahr schafft (und über Raunheim gibt es jährlich Zehntausende von Fliegern, die zu laut sind), erhält den Ehrentitel "Vielbeschwerer" (nicht gegendert) und muss sich nicht mehr mit aussagelosen Einzelantworten herumärgern, sondern wird nur noch statistisch erfasst. Also: Ruf doch mal an!
Man muss allerdings vermuten, dass diese KI nicht mit den Ergebnissen des bisherigen "Nachbarschaftsdialogs" trainiert worden ist. Allein unsere Anfragen vom
12.08.2023,
29.07.2023
und
18.07.2023
sollten ausreichen, um deutlich zu machen, dass mit diesem Instrument keinesfalls "die berechtigten Anliegen der betroffenen Menschen hervorgehoben" werden und ihre dort geäusserte Unzufriedenheit nicht zu Maßnahmen führt. Individuelle Beschwerdeführer werden mit nichtssagenden Floskeln abgefertigt, institutionaliserte Beschwerden diskriminiert, die Berichterstattung auf ein Minimum reduziert und in ungelesenen Berichten versteckt (z.B.
hier,
S. 5).
Selbst die
FAZ mahnt milde:
"Das Infotelefon zum Fluglärm ... kann nur ein kleiner von vielen Schritten sein, die notwendig sind, den Fluglärmschutz fortzuschreiben".
Welche Schritte sonst noch notwendig sind, erfährt man da aber nicht.
Allerdings ist klar, welche Fragen in absehbarer Zeit anstehen. Der UBA-Text weist an mehreren Stellen darauf hin, dass einerseits eine Neufestsetzung und dabei sehr wahrscheinlich
eine Vergrösserung
des Lärmschutzbereichs am Frankfurter Flughafen überfällig ist und dabei eine Reihe von rechtlichen Fragen auftreten, die die Ansprüche der Anwohner direkt betreffen. Diese müssen überwiegend behandelt werden im Rahmen der andererseits auch längst überfälligen Novellierung des Fluglärmgesetzes, das auch
in vielen anderen Fragen
auf den neuesten Stand gebracht werden muss.
Es wäre sicherlich nicht verfrüht, wenn sich die BIs und die kommunalen Organisationen allmählich mit einer Strategie für das Vorgehen in diesen Fragen beschäftigen würden.
In der Sitzung der Fluglärmkommission vom 14.02. hat das RP Darmstadt einen
Abschlussbericht
zur Umsetzung der Maßnahmen des passiven Schallschutzes am Frankfurter Flughafen präsentiert. Für Maßnahmen nach Fluglärmgesetz steht im Wesentlichen dasselbe drin wie in der UBA-Studie, lediglich die Verteilung der Mittel auf die Kommunen ist differenzierter dargestellt.
Für die Zuschüsse nach Regionalfondsgesetz gibt es noch ein paar neue Zahlen:
"Für private Wohnimmobilien ... gab es Zuschüsse ... bis zu 4.350 Euro je Wohneinheit"
und
"Für 14.600 private Wohneinheiten sind Zuschüsse i.H.v. 43 Mio. Euro gezahlt worden".
Für fast 99% der Wohneinheiten wurden Anträge gestellt, und fast 85% der Anträge wurden genehmigt. Wieviele davon wofür umgesetzt wurden, ist nicht angegeben. 18 Kitas und Schulen erhielten insgesamt 10,4 Mio. Euro für Türen und Fenster, Lüftungs- und Klimaanlagen, Dach- und Wand-Dämmungen.
Als Drittes werden noch die Schmerzensgeld-Zahlungen ("Entschädigungen für fluglärmbedingte Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit des Aussenbereichs von Wohnungen und schutzbedürftigen Einrichtungen") aufgelistet. Von den 12.500 antragsberechtigten Haushalten haben 7.000 (58%) Anträge gestellt, davon wurden 6.100 (87%) genehmigt, ausgezahlt wurden 31,9 Mio. Euro, d.h. pro Antrag etwas über 5.200 Euro. Da die Pauschale pro Wohnung maximal 3.700 Euro betragen hat, aber 18% der Anträge nach Verkehrswert abgewickelt wurden und dafür 27% der Mittel ausgezahlt wurden, darf man schliessen, dass auch hier wieder die Wohlhabenderen mehr bekommen haben.
Bleibt noch die Frage, wer die Mittel aufgebracht hat und in welche Kommunen sie geflossen sind. Die erste Frage beantwortet die Präsentation in der Zusammenfassung. Dort heisst es:
Die neuen Logos für das Gesamtprojekt und die beiden Teilprojekte, zum besseren allgemeinen Verständnis jetzt in Englisch. Wir haben uns erlaubt, Übersetzungen und Hinweise auf die ursprünglichen Bezeichnungen hinzuzufügen.
(Man beachte auch die subtilen Farbunterschiede der Logos)
31.01.2024
Am Freitag, den 26.01., wurden im
Konvent
des 'Forum Flughafen und Region' nach 9 Monaten Pause mal wieder ein paar Informationen über das
am 01.04.2023 gestartete
Ultrafeinstaub-Projekt vorgestellt.
Ursprünglich sollten anschliessend auch die Bürgerinitiativen informiert werden, dieser Termin wurde allerdings nach Absprache verschoben.
Die präsentierten Informationen sind noch nicht allgemein online verfügbar, aber für Februar ist eine Aktualisierung der
Projekt-Webseite
angekündigt, die derzeit noch auf dem Stand vom April letzten Jahres ist.
Wer eine Einladung zu einem der beiden Treffen erhalten hat, hat auch einige Materialien dazu bekommen, darunter Präsentationen eines
Projektberichts
und eines
Konzepts
für die Wirkungsstudie sowie Berichte des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zu UFP-Messungen in
Flörsheim
und
Mainz-Hechtsheim.
Nichts Schriftliches gibt es bisher zu einer im Konvent vorgestellten Präsentation des Projektleiters, Prof. Vogel, zu Modellierungen im Rahmen der Belastungsstudie.
Eine Neuerung ist allerdings schon für alle sichtbar: Das Projekt hat jetzt eigene Logos, sowohl für das Gesamtprojekt als auch für die beiden Teilprojekte. Sie sind nicht so aussagekräftig wie
unser Vorschlag,
auch wenn man mit viel Optimismus hoffen könnte, dass damit die Rolle der Wirbelschleppen beim Transport der ultrafeinen Partikel angedeutet werden soll. Konsequent ist die Umbennung auch nicht: wer "SOURCE FFR" im Netz sucht, kann zwar lernen, dass auch in Frankreich
schon lange Rugby gespielt
wird, findet aber nur mit Glück etwas über Ultrafeinstaub.
Der Projektbericht enthält keine Aussagen über den Stand der Arbeiten in der Belastungsstudie, sondern schildert den Ablauf der Entwicklung des Designs der Wirkungsstudie bis zur geplanten Ausschreibung im Sommer 2024. Demnach liegt der Abschlussbericht der Design-Gruppe vor, hat die projekt-interne Qualitätssicherung passiert und muss nun noch vom
Koordinierungsrat,
dem Entscheidungsgremium des FFR, abgenommen werden.
Wesentliche Inhalte des Abschlussberichts werden in der "Konzept"-Präsentation dargestellt, insbesondere die verschiedenen möglichen Studien-Ansätze mit ihren jeweiligen Voraussetzungen und potentiellen Ergebnissen und einer allgemeinen Aussage zum notwendigen Aufwand. Es wird betont, dass eine Kombination unterschiedlicher Studien-Module notwendig ist, um die wichtigsten Fragen zu klären, und ein Beispiel für eine solche Kombination mit einigen Details und einer Abwägung der Vor- und Nachteile beschrieben.
Im Projektbericht wird sehr deutlich gesagt, dass
" nicht alle vorgeschlagenen Module ausgeschrieben und beauftragt werden".
Das FFR, d.h. konkret der Koordinierungsrat, wird die auszuschreibenden Module auswählen. Kriterien für die Auswahl sind an erster Stelle die
"finanzielle Umsetzbarkeit",
dann folgen
"Einschätzung und Hinweise"
der projekt-internen
"wissenschaftlichen Qualitätssicherung"
und schließlich der
"regionalen Akteure und ggf. weiterer Experten".
Nun ist es trivial, dass in einem Projekt zu einer komplexen Thematik wie der gesundheitlichen Wirkungen von Ultrafeinstaub niemals alle auftauchenden Fragen vollständig beantworten werden können. Da es aber mit der vielbeschworenen
Transparenz
in finanziellen Fragen nicht weit her ist, lässt sich nicht beurteilen, inwieweit die dadurch gegebenen Einschränkungen angemessen sind.
Neben den finanziellen Aspekten stellen sich auch noch inhaltliche Fragen. In der "Konzept"-Präsentation wird auf die zentrale Rolle der
"Expositionserfassung",
genauer der
"Adressgenauen Zuordnung der UFP-Expositionen"
hingewiesen. Als
"bereits abgedeckte Erhebungen durch OK-UFP Belastung"
werden
"Messung und Modellierung von UFP im Studiengebiet (z. B. Umfeld Schulen)"
genannt,
"zusätzlich benötigte Erhebungen"
seien
"z. B.: Messung und Modellierung weiterer Jahre, chemische Zusammensetzung",
ggf. auch
"Ko-Expositionen: z. B.: Quellenspezifischer Lärm, PM10,…".
Angesichts der Tatsache, dass das letzte grosse
UFP-Projekt
am Flughafen Frankfurt an der Modellierung der UFP-Ausbreitung
gescheitert ist,
wüsste man natürlich schon gerne, ob hier wesentliche Fortschritte erzielt wurden oder wenigstens aus der Belastungsstudie zu erwarten sind. Auch dass die
"chemische Zusammensetzung"
der UFP unter den
"zusätzlich benötigten Erhebungen"
aufgelistet ist, wirft die Frage auf, ob die
chemischen Marker,
die von Projektbeteiligten in vorangegangenen Untersuchungen an der HLNUG-Meßstation Schwanheim identifiziert worden sind, nicht oder nicht im notwendigen Umfang genutzt werden. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass bei der Beschreibung der toxikologischen Untersuchungen in der Konzept-Präsentation nicht ausdrücklich gesagt wird, dass dabei zwischen UFP aus Flugzeug-Triebwerken und anderen Quellen differenziert werden könnte oder müsste.
Abschliessend wäre noch kurz auf die beiden Meßberichte des HLNUG aus dem Jahr 2023 einzugehen. Der jüngste Bericht über die Messungen in Mainz-Hechtsheim unterscheidet sich positiv von den Vorgängern, weil da auf
fragwürdige Auswertungen
verzichtet wird und die regionalen Besonderheiten angemessener berücksichtigt werden als bei den
Betrachtungen
zu den Messungen in Flörsheim.
Es gibt aber auch einen technischen Unterschied in den Messungen. Während für alle früheren Messungen der Gesamt-Partikelanzahl gemäß der noch gültigen Norm
DIN CEN/TS 16976
ein untere Grenze für den Durchmesser der erfassten Partikel von 7 Nanometern (nm) galt, wurde für die Messungen in Hechtsheim erstmals der Entwurf der kommenden Norm
prEN 16976:2023
mit einer Untergrenze von 10 nm zugrunde gelegt.
Die Bedeutung dieser Änderung ist umstritten. HLNUG begründet sie:
" In der neuen prEN 16976:2023 wird gegenüber der alten Technischen Spezifikation (CEN/TS 16976:2016) die untere Messgrenze von 7 auf 10 nm angehoben, um eine einheitliche untere Messgrenze für unterschiedliche Messverfahren zu erreichen. Diese Harmonisierung ist notwendig, um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Messungen zu gewährleisten." Die Vergleichbarkeit wiederum ist notwendig, wenn Wirkungen der UFP auf Gesundheit und Umwelt untersucht werden sollen.
Für die Luftgüte-Überwachung (eine Kernaufgabe des HLNUG) wäre es andererseits natürlich besser, soviel wie möglich von dem in der Luft vorhandenen Schadstoff zu erfassen, die Grenze also möglichst niedrig anzusetzen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich bei der Festlegung ihrer
UFP-Richtwerte
flexibel gezeigt und empfiehlt in ihrer
Stellungnahme zur guten Praxis - UFP
für die Messung eine Untergrenze der Partikelgrösse von kleiner oder gleich 10 nm. In den Erläuterungen wird noch ausgeführt, dass derzeitige Messmethoden Untergrenzen von 2 bis 20 nm nutzen.
Die neue Norm, die wohl im Laufe dieses Jahres verpflichtend wird, erscheint daher als ein pragmatischer Kompromiss zwischen dem, was für die verschiedenen Anwendungsbereiche wünschenswert wäre, und dem Verlangen, den messtechnischen Aufwand möglichst niedrig zu halten. Folge ist für die HLNUG-Messungen mit CPC-Geräten natürlich, dass die gemessenen Werte nach unten gehen, weil ein Teilbereich der vorhandenen Partikel nicht mehr erfasst wird. Wie groß dieser Bereich ist und welche Bedeutung er hat, lässt sich nur schwer abschätzen.
Andererseits arbeiten andere HLNUG-Messungen, insbesondere in Raunheim und Schwanheim, schon länger mit einer Untergrenze von 10 nm, die neuen Ergebnisse sind daher besser vergleichbar.
Natürlich schreien diese Unsicherheiten wieder einmal danach, die Messungen zu ergänzen und an geeigneten Stellen zumindest eine Zeitlang zwei CPCs mit unteren Erfassungsgrenzen von 7 bzw. 10 nm parallel laufen zu lassen, um festzustellen, wie relevant die Unterschiede für die hier vorliegenden Fragestellungen sind. Die Frage ist deshalb offen, weil zwar bei der hocheffizienten Verbrennung in Flugzeugtriebwerken besonders viele kleine Partikel entstehen, sehr kleine Partikel aber auch besonders schnell "wachsen". Eine
neuere Studie
berichtet bei natürlicher Entstehung neuer Partikel Wachstumsraten für Partikelgrössen von 10-25 nm zwischen 3,67 und 4,70 nm pro Stunde, für noch kleinere Partikel sind sie wahrscheinlich noch höher. "Gealterte" Partikelwolken enthalten daher wesentlich weniger sehr kleine Partikel als frisch entstandene, das gilt wahrscheinlich auch für bei Verbrennung emittierte Partikel.
Und auch ein anderer
seit Jahren bestehender
Mangel müsste endlich abgestellt werden. Um die Effekte von Überflügen erfassen zu können, müssen die Messungen in der Nähe der Flugrouten in der Lage sein, schnelle Partikelanzahl-Konzentrationsänderungen zu registrieren. Die vom HLNUG dort, insbesondere auch in Raunheim eingesetzten SMPS-Geräte, die die Größenverteilung der Partikel messen, können das nicht. Sie brauchen im besten Fall 2 Minuten, um alle Größenbereiche zu scannen und eine Messung zu beenden. Ein durch einen Überflug hervorgerufener Peak, der einige 10 Sekunden andauert, wird dabei bestenfalls teilweise, ev. auch garnicht erfasst. Auch hier wäre es das Mindeste, ein CPC-Gerät parallel laufen zu lassen, um beide Aspekte zu erfassen.
Ob irgend etwas davon passiert, werden (vielleicht) die angekündigten Aktualisierungen im Februar oder das nächste Austauschtreffen zwischen UNH und BIs zeigen. Allzu grosse Erwartungen sollte man nicht hegen, aber auch die Hoffnung noch nicht aufgeben. Es bleibt spannend.
Der starke Anstieg von 2022 zu 2023 ist zum Teil bedingt durch den Wechsel von einer "La Nina"- zu einer "El Nino"-Phase in der Ozean-Zirkulation. Aber unabhängig davon zeigen alle Trend-Parameter auf einen grundlegenden schnellen Anstieg. (Details siehe hier).
21.01.2024
Nach den
neuesten Daten
des internationalen Dachverbandes der Airlines, der 'International Air Transport Association (IATA)', hat der globale Luftverkehr im November 2023 bereits wieder 99% des Niveaus von 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, erreicht. Das Maß sind dabei die 'revenue passenger kilometers (RPKs)', d.h. die Summe der von den zahlenden Passagieren zurückgelegten Kilometer.
Die Entwicklung ist in den verschiedenen Sektoren des Flugbetriebs (Kurz- und Mittelstrecke/Langstrecke, Punkt-zu-Punkt-Verkehr, Charter/Linienflüge, Fracht, etc.) und in verschiedenen Weltgegenden unterschiedlich, und die Zahlen
variieren auch
je nachdem, ob die Zahl der Flüge oder der Passagiere betrachtet wird, aber die Tendenz ist klar: die Pandemie-bedingten Einbrüche sind im Wesentlichen überwunden, ab jetzt soll das Wachstum wieder ungestört weiter gehen.
Auch in anderen Bereichen geht das Wachstum weiter wie vor der Pandemie. Die durch menschliche Aktivität bedingten Emissionen von Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen sind
auch 2023 weiter gewachsen, und entsprechend werden auch die Symptome der Klimakatastrophe immer deutlicher.
Die Meteorologische Welt-Organisation WMO hat für 2023 einen
neuen globalen Temperatur-Rekord
festgestellt, der nur noch etwa 0,05 °C entfernt ist von dem in Paris formulierten Ziel von 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau, auf die der Temperaturanstieg begrenzt werden soll. Diese Grenze werde wahrscheinlich 2024 zum ersten Mal überschritten werden.
Der UN-Generalsekretär kommentierte:
"Die Aktionen der Menschheit verbrennen die Erde. 2023 war nur eine Vorschau auf die katastrophale Zukunft, die uns erwartet, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir müssen auf Rekorde im Temperaturanstieg mit umsteuernden Aktionen antworten." (eigene Übersetzung).
Der EU-Klimawandel-Dienst Copernicus hat diese "Vorschau"
genauer analysiert
und findet extreme Ozean-Temperaturen, mehr Extremwetter-Ereignisse wie Hitzewellen, Fluten, Dürren und Wildfeuer mit signifikanten Wirkungen auf die menschliche Gesundheit, Ökosysteme, Natur und Infrastruktur und drastische Rückgänge bei Meer- und Gletscher-Eis.
Entsprechend kommt auch das diesjährige
Winter-Meeting der Reichen und Einflussreichen
in Davos nicht darum herum, wie schon
im letzten Jahr
in seinem
Global Risk Report
die Konsequenzen der eskalierenden Klimakatastrophe an prominenter Stelle zu erwähnen. Kurzfristig rangieren sie allerdings nur ab Rang 2, weil es den befragten Expert*innen zunächst wichtiger erscheint, das
verloren gegangene Vertrauen
in die Weisheit der herrschenden Eliten wieder herzustellen, das insbesondere durch gefälschte Informationen gefährdet sei.
Das ist allerdings ein aussichtsloses Bemühen. In Davos werden die existierenden Macht- und Herrschaftsstrukturen, die die aktuellen Krisen hervorgebracht haben, hartnäckig verteidigt, und es wird eisern festgehalten an
weiterem Wachstum,
das erforderlich sei zur Überwindung der Klimakrise und der gesellschaftliche Spaltung, die im Kern erzeugt wird durch die
eskalierende Umverteilung von unten nach oben. Beides
verstärkt
aber tatsächlich die Krisen, die es angeblich bekämpfen soll. Ohne eine
Überwindung des Wachstums-Mantras,
eine Berücksichtigung der
Grenzen des Wachstums
und der
planetaren Belastungsgrenzen
geht es nicht.
Es ist nun einmal keine Erfindung perfider Aktivist*innen, dass Konzerne und Regierungen schon
seit Jahrzehnten
über die bevorstehende Klimakatastrophe informiert sind und trotzdem
die Hauptverursacher,
die fossilen Brennstoffe, massiv gefördert haben und dies
auch weiterhin tun, obwohl selbst die einst zu deren Förderung gegründete
Internationale Energie-Agentur
inzwischen
dringend davor warnt.
Die
Profite,
die die grossen Öl- und Gas-Konzerne und ihre Investoren in den Jahrzehnten ihres schnellen Wachstums einstreichen konnten, werden auf 30 Billionen US-Dollar geschätzt. Das soll natürlich so weitergehen, und dafür nimmt man auch 20 Billionen Dollar globale Klimaschäden und
eine 3°C heissere Welt
in Kauf.
Daran ändert auch nichts, dass in den
Beschlüssen der Weltklimakonferenz COP28
Ende letzten Jahres nach 25 Jahren
erstmalig wieder
alle Parteien zu einem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen aufgefordert wurden, auch wenn die Formulierung
Interpretationsspielraum lässt.
Wenige Staaten werden so deutlich wie Saudi-Arabien, dessen Energieminister die Beschlüsse als
a la carte menu
bezeichnet, aus dem nach Belieben ausgewählt werden könne, aber viele handeln stillschweigend ähnlich.
"Fake News" werden dagegen überwiegend von denen produziert, die den menschengemachten Klimawandel leugnen wollen und dafür auch
wissenschaftliche Studien missbrauchen. Aber auch Chefs von Ölkonzernen können sich damit
nicht einmal dann zurückhalten,
wenn sie ausgesucht wurden, um Klimakonferenzen zu leiten.
Die Ergebnisse der Wissenschaft sind
allerdings eindeutig,
der schnelle Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist zwingend notwendig. Sogar das EU-Parlament hat sich einer Initiative angeschlossen, die einen
Nicht-Weiterverbreitungsvertrag
für fossile Brennstoffe fordert. Aber die EU muss sich von ihrem eigenen Klima-Beirat
vorhalten lassen,
"dass die EU-Politik noch nicht vollständig auf die Notwendigkeit des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen abgestimmt ist"
und daher
"die schädlichen Subventionen für fossile Brennstoffe, die sich EU-weit auf 50 Milliarden Euro pro Jahr belaufen, vollständig abzuschaffen"
und
"noch stärkere Reduktionen nach 2030 vorzubereiten"
sind.
Der vollständige
englische Text
ist noch wesentlich deutlicher und warnt, dass die bisherige Politik riskiert,
"die EU-Infrastruktur auf emissions-intensive fossile Brennstoffe festzulegen".
Darüber hinaus wird
"die Einführung neuer Politiken zur Erreichung ambitionierterer Reduktionen in der Nachfrage nach Materialien, Energie und Treibhausgas-intensiven Produkten" (eigene Übersetzung)
empfohlen.
Der
Bericht
selbst konkretisiert das für
eine ganze Reihe von Maßnahmen,
insbesondere auch in Bezug auf das Transportwesen in der EU. Er stellt zunächst fest, dass die bisherige Mobilitätsstrategie Nachfrage-Reduktionen explizit ausgeschlossen und ausschließlich auf "modal shift" gesetzt hat, also auf die Verlagerung auf weniger emissions-intensive Transportmittel, und damit gescheitert ist. In der Zusammenfassung wird dann mit Bezug auf den Personentransport im Luftverkehr festgestellt: es fehlt eine Politik oder Strategie zur Reduktion der Nachfrage, und internationale Flüge in die und aus der EU werden auch vom Emissionshandel nicht erfasst (S.127). Die Wachstumsrate in diesem Bereich muss bis 2030 auf 6% dessen, was in der Referenzperiode 2015-2019 erreicht wurde, gesenkt werden (von 33 auf 2 Giga-Personenkilometer/Jahr, S.126). Das wäre zwar noch nicht die eigentlich notwendige Reduktion der Zahl der Flugbewegungen, aber doch eine deutliche Beschränkung des aktuell noch vorherrschenden Wachstumswahns.
In Großbritannien gehen selbst wirtschaftsfreundlichste Think Tanks wie
Chatham House
noch weiter und schlussfolgern:
"Ein kluger risiko-minimierender Ansatz wäre, für den Rest der 2020er Jahre weniger weit und weniger häufig zu fliegen. In diesem Niedrig-Risiko-Szenario ... müsste die Nachfrage nach geflogenen Passagier-Kilometern 2030 36,1 % niedriger sein als 2019".
Werden nicht-CO2-Effekte berücksichtigt,
"müsste die Nachfrage bis 2030 um mehr als 60% im Vergleich zu 2019 beschränkt werden, um zerstörerische Klimarisiken zu vermeiden" (eigene Übersetzung).
Die Jahresbilanz der Klimaentwicklung in 2023, der Entwicklungen der wissenschaftlichen Erkenntnisse über deren Ursachen und der Wege zu ihrer Abschwächung bestätigt also zusammen mit der
Vorschau fürs laufende Jahr,
dass die
Klimaziele der Luftfahrt
und ihre
aktuellen Strategien
weit weg sind von dem, was notwendig ist, um die Klimakatastrophe einzudämmen und das 1,5°C-Ziel von Paris oder auch nur das 2°C-Ziel noch in Reichweite zu halten.
Die Politik bleibt
auf Bundes-
wie auf
Landes-Ebene
noch weiter hinter dem Notwendigen zurück. Schon im letzten Sommer, noch vor der
rechtlich fragwürdigen
Verwässerung des Klimaschutzgesetzes hatte der
Expertenrat für Klimafragen
festgestellt,
"dass das vorgelegte Klimaschutzprogramm 2023 nicht die Anforderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes an ein Klimaschutzprogramm erfüllt".
Von den ehemals so hoch gelobten
Forderungen
des
Bürgerrat Klima,
die u.a. lauten:
"Die Flugticketpreise müssen die wahren Klimakosten abbilden"
und
"Es sollen ehrgeizige Anstrengungen unternommen werden, Flüge, insbesondere Kurzstreckenflüge, zu vermeiden",
redet in Regierungskreisen schon lange niemand mehr.
Und weil die Bundesregierung nun auch noch
verfassungswidrig
die
falschen Schulden bremst,
ruiniert sie mit Haushaltskürzungen auch noch die
letzten Ansätze von Klimaschutz
im Verkehrsbereich. Eine wohl versehentlich vorgeschlagene Einsparung bei einem
Klimafeigenblatt des Luftverkehrs
wurde dagegen ganz schnell
wieder zurück genommen.
Die Klima-Katastrophe wird also weiter eskalieren und die dadurch bedingten globalen und innergesellschaftlichen Krisen auch - wenn es nicht doch noch einer breiten zivilgesellschaftlichen Bewegung gelingen sollte, eine Kursänderung zu erzwingen. Die aktuell stattfindenden Massenkundgebungen gegen Rassismus und Faschismus lassen hoffen, dass so etwas nicht ganz unmöglich ist.
06.01.2024 (Update 21.01.2024)
Zu Beginn des neuen Jahres zeigt der Luftverkehr viele Entwicklungen ähnlich denen zu Anfang 2023. Das Wachstum soll weitergehen, und das Haupthindernis dabei ist derzeit immer noch die Unfähigkeit der handelnden Akteure der Luftfahrtindustrie selbst.
Fraport hat im gesamten Jahr 2023 so gut wie nie einen geordneten Flugbetrieb organisieren können. Zu Spitzenzeiten hat das Chaos nicht nur zu gewaltigen Verspätungen, sondern auch zu einer Vielzahl von zusätzlichen Belästigungen für die Anwohner geführt. Ursache war nicht zuletzt die Tatsache, dass Fraport nach eigenen Angaben ihren Personalbestand von 20.468 im September 2019 auf 15.814 im September 2023, d.h. um fast ein Viertel (22,7%) reduziert hat.
Lufthansa
muss ihren Sommerflugplan 2024, der für die zu erwartende Nachfrage ausgelegt war, schon
wieder ausdünnen,
weil nach wie vor massive
"Engpässe beim Personal wie bei den verfügbaren Flugzeugen"
existieren. Dabei sind die Personalengpässe
selbst verschuldet, weil LH während der Corona-Pandemie massiv Personal abgebaut und die eigene
Flugschule geschlossen
hat.
Trotzdem versucht das Management weiterhin, Personalkosten niedrig zu halten und die Konditionen der Beschäftigten
weiter zu verschlechtern
und riskiert dabei auch Konflikte mit
Piloten,
Flugbegleiter*innen
und
Bodenpersonal,
die im Januar
in Streiks
münden könnten. Die Gewinnung neuen Personals wird daher sehr schwierig bleiben.
An Flugzeugen fehlt es vor allem deshalb, weil Flugzeughersteller und ihre Zulieferer die gleichen Fehler gemacht und somit die gesamte Lieferkette
von den Rohstoffen bis zum Endprodukt
in Gefahr gebracht haben. Dazu kommen vielfältige technische Probleme
bei Triebwerken
und Skandale um
minderwertige Materialien,
mangelnde Qualitätskontrollen
und
gefälschte Bauteile,
die zu
Triebwerks-Rückrufen
in bislang ungekannten Ausmaßen geführt haben.
Die Tendenz, mehr Profit auf Kosten der Sicherheit zu machen, hat auch in diesem Sektor schon
Menschen in Gefahr gebracht,
aber grosse Katastrophen sind bisher zum Glück ausgeblieben.
Dazu kommen für Lufthansa auch noch Luxusprobleme, wenn z.B. wegen fehlender
Luxus-Bestuhlungen
brandneue Flugzeuge
vorübergehend stillgelegt
werden müssen.
Auch die Deutsche Flugsicherung DFS, die schon seit dem Personalabbau vor 10 Jahren permanent am Limit arbeitet und am Chaos der Vor-Corona-Zeit erheblichen Anteil hatte, versucht, mit Neueinstellungen das Problem zu mindern. Aber auch technische Lösungen und Automatisierung sollen dazu beitragen. "Wir müssen weg von der zentralen Rolle des Sprechfunks", meint der DFS-Chef, und viel mehr Daten automatisch übermitteln. Was das für die Sicherheit bedeutet, bleibt abzuwarten.
Wie die europäische Dachorganisation der Flugsicherungen EUROCONTROL
feststellt,
hat auch das Wetter zunehmend Einfluss auf den Flugbetrieb und sorgt ebenfalls für Verspätungen, weswegen
"das Eingrenzen der Wirkungen schlechten Wetters eine der Hauptprioritäten für 2024" (eigene Übersetzung)"
werden soll.
Dieses zunehmend "schlechte Wetter" ist natürlich überwiegend eine Folge der sich
entwickelnden Klimakatastrophe,
die nicht zuletzt auch durch den Luftverkehr mitverursacht ist. Dennoch denkt die Luftverkehrswirtschaft nicht daran, ihrer Verantwortung dafür gerecht zu werden, und hält an ihren
völlig unbrauchbaren Klimazielen
fest.
Unmittelbar emissions-reduzierend wirkende
technische Fortschritte
gibt es auf dem Gebiet des Flugzeugbaus praktisch keine. Eine
Vorschau aufs kommende Jahr
benennt als Neuigkeiten ein
Überschallforschungsflugzeug,
zwei Kampfhubschrauber und
neue Lufttaxis.
Bei Passagierflugzeugen gibt es nur einige neue Varianten von zum Teil uralten Modellen, darunter auch der
Skandalflieger B737 MAX,
der wegen Konstruktionsmängeln, die zu zwei Abstürzen geführt hatten, zwei Jahre lang am Boden bleiben musste und weiterhin von
Produktionsfehlern
und
Qualitätsmängeln
geplagt wird, die auch aktuell immer wieder zu
Unfällen
führen.
Zu den Fortschritten, die in den nächsten Jahren zu erwarten sind, gab es im letzten Sommer
interessante Aussagen.
Der weltweite Flugverkehr soll in den nächsten 20 Jahren um 3,6 %/a wachsen, und das dafür notwendige Fluggerät wird nahezu ausschließlich aus Typen bestehen, die bereits heute fliegen - und dann noch 10 bis 20 Jahre weiter fliegen werden. Angekündigte Neuerungen im Bereich der Mittelstreckenjets bleiben dürftig. Airbus arbeitet zwar
"an den Grundlagen für ein Passagierflugzeug mit Wasserstoff-Antrieb, das im Jahr 2035 fertig sein soll",
will aber gleichzeitig
"zwischen 2035 und 2040 einen vergleichsweise konventionellen Nachfolger für seine Mittelstreckenjets fertig haben",
der dann wohl der Haupt-Umsatzbringer werden soll. Boeing kündigt gar keine neuen Technologien an, sondern setzt wie Airbus auf konventionelle Weiterentwicklungen, die
"etwa 20 bis 30 Prozent weniger Sprit verbrauchen als das derzeitige Modell".
Für die besonders klima-schädigende Langstrecke gibt es überhaupt keine Ansagen.
Es bleibt also dabei, dass die technische Entwicklung primär darauf ausgerichtet ist, Emissionen durch eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs pro Personen- oder Tonnen-Kilometer abzusenken - die einzige 'Klimaschutz-Maßnahme', die die Luftfahrtindustrie schon bisher aus eigenem Antrieb und mit Nachdruck verfolgt hat, weil sie direkt Kosten einsparen hilft. Weniger Emissionen heisst natürlich nicht nur weniger CO2, sondern auch weniger sonstige Schadstoffe wie Stickoxide und Ultrafeinstaub. Dieses "Weniger" ist allerdings nur relativ. Durch das geplante Wachstum würde absolut von Treibhausgasen und
Schadstoffen
deutlich mehr ausgestossen als heute.
Darüber hinaus ist auch zu befürchten, dass die alleinige Konzentration auf den Treibstoffverbrauch auch schon erzielte Fortschritte bei der Reduktion von Triebwerkslärm rückgängig macht, denn einige der möglichen neuen Techniken könnten deutlich mehr Krach machen. Leiser wird es dadurch wohl in keinem Fall.
Die Pläne der Luftverkehrswirtschaft gehen also allesamt in die falsche Richtung und drohen, die Schäden an Gesundheit, Umwelt und Klima weiter zu steigern. Ein Umsteuern könnte nur durch massive
politische Regulierung
dieses Sektors erreicht werden. Dafür fehlt allerdings derzeit noch auf allen Ebenen - Deutschland, Europa, International - eine Bewegung, die den dafür notwendigen Druck auf die politischen Kräfte und Institutionen erzeugen könnte.
Grösser wird nur der Druck durch die voraussichtlich
weiter steigenden Temperaturen weltweit
und die Zunahme der Zahl der Wetterextreme. Es bleibt daher notwendig, immer wieder deutlich zu machen, dass diese drohende Katastrophe nur eingedämmt werden kann, wenn grundlegende Veränderungen stattfinden. Dafür können auch kleine Anlässe genutzt werden, wie beispielsweise die bevorstehende Inthronisierung einer hessischen Landesregierung, die die
negativen Entwicklungen noch beschleunigen
will.
Als Aufwärm-Übung für die kommenden Auseinandersetzungen bietet sich daher an eine Teilnahme an der
Dabei gibt es sicherlich viele gute Gründe, gegen diesen Koalitionsvertrag zu sein. Aber in Bezug auf die Flughafen-Politik sollten den Aussagen dieses Vertrages ganz klare Forderungen entgegengesetzt werden. Statt im Planfeststellungsbeschluss "festgelegten Auflagen zum Nachtflugverbot ... und Eckwerten" (eine Stunde Beschränkungen und fünf Stunden Flugverbot mit Ausnahmen sowie 701.000 Flugbewegungen pro Jahr) nachkommen zu wollen, brauchen wir
Die neue Landesregierung sollte von Anfang an wissen, dass sie mit Widerstand zu rechnen hat, wenn sie die Wachstumsphantasien von Fraport und Lufthansa politisch unterstützen und durchsetzen möchte - umso mehr, je deutlicher wird, welche Schäden damit an der Gesundheit der Anwohner, der Umwelt im Rhein-Main-Gebiet und dem Klima weltweit verursacht werden.
Also auf zur Kundgebung - solange die guten Vorsätze fürs neue Jahr noch nicht vergessen sind.
Bilder und Redebeiträge der Kundgebung gibt es auf der Webseite des BBI
Beiträge aus vorangegangenen Jahren befinden sich im Archiv.