Hier veröffentlichen wir Beiträge zu aktuellen Themen, in der Reihenfolge des Bekanntwerdens.
Um aber Themen, die über eine gewisse Zeit aktuell sind, nicht immer wieder neu aufgreifen zu müssen,
wenn es eine Veränderung gibt, ist der Aktualisierungsstand gekennzeichnet.
Neue Beiträge, die bei Veränderungen noch aktualisiert werden, haben einen Punkt.
Beiträge ohne Punkt sind abgeschlossen und werden nicht mehr verändert
(auch Links werden nicht mehr aktualisiert).
Beiträge aus vorangegangenen Jahren befinden sich im Archiv.
Die Visionen der Fraport (hier etwas zusammengekürzt):
In vier Jahren sollen die Schadstoffe beseitigt und der östliche Teil der Fläche entwickelt sein, irgendwann nach 2031 steht die Gesamtfläche zur Verfügung,
und der Rest ist Traumtänzerei.
21.12.2024
Obwohl die Dezember-Sitzung der Fluglärmkommission eindeutig durch das Thema Flachstarts geprägt war, gab es zum Schluss noch andere Themen, die, wie immer, wenn es um Fluglärm geht, auch Raunheim betreffen. Beschlüsse gab es dazu nicht, aber aus den Materialien dazu ist noch Einiges zu lernen - selbst zum Thema Startverfahren.
Das langfristig wohl wichtigste Thema ist die Entwicklung des sog. 'Logistikhub West', des ehemaligen Ticona-Geländes. Die Präsentation der Fraport
im April dieses Jahres
war Anlass für den Kreisausschuss des Kreises Groß-Gerau, dazu schon im Juni einen
Antrag
einzureichen.
(Zur Erinnerung: im Kreis Groß-Gerau wurde 2021 die
seit 2016 bestehende,
inzwischen völlig exotisch wirkende Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und den Linken bestätigt, die in ihrem
Koalitionsvertrag
brauchbare Aussagen zur Flughafen-Politik gemacht hat und das Thema offensichtlich ernst nimmt).
Der Antrag formuliert wichtige Fragen:
- Wie sind die Pläne konkret ausgestaltet?
- Wie wirkt sich der neue CargoHub auf die Kommunen des Kreises Groß-Gerau aus im Hinblick auf zusätzliche Verkehrsbelastung, Emissionen, Lärmentwicklung etc.?
- Wird sich der Flottenmix ändern bzw. welche Frachtflugzeuge sollen eingesetzt werden?
- Ist mit einer Zunahme des Fluglärms, insbesondere in den Nachtrandstunden zu rechnen?
- Ist mit einer Zunahme der Flugbewegungen gegenüber dem jetzigen Zustand zu rechnen?
- Gibt es Pläne, von der Nordwestlandebahn auch Flüge starten zu lassen?
- Wäre hierfür eine Anpassung der Planfeststellung nötig?
Wie immer antwortet Fraport auf die konkreten Fragen nicht, aber diesmal immerhin mit vielen bunten Bildchen. Interessant darin sind im Wesentlichen zwei Punkte. Zum einen soll der Bebauungsplan geändert werden, um eine "Anbindung an LNBW für BPOL" zu ermöglichen. "BPOL" ist nicht weiter erläutert, steht aber üblicherweise als BPol für die Bundespolizei, die am Flughafen Aufgaben der Luftsicherheit wahrnimmt. Warum sie hier an die Nordwestbahn gebunden werden soll, ist nicht ganz klar. Möglicherweise ist das nur ein Türöffner, um schon einmal eine Verbindung zum Flughafengelände herzustellen, die man später noch brauchen kann. In jedem Fall kann so ein Planänderungsantrag eine Gelegenheit sein , Fragen zu den Auswirkungen dieser Maßnahme zu stellen.
Das gilt umso mehr für den auch in dieser Präsentation wieder erwähnten Antrag auf Änderung des Planfeststellungsbeschlusses 2007 für einen
"Flächentausch zwischen Flugbetriebs- und Frachtflächen"
in der CargoCity Süd. Da im PFB 2007 (angeblich) alle Umweltauswirkungen des Flughafenausbaus abgewogen wurden, müsste bei Änderungen natürlich geprüft werden, welche Abwägungen betroffen sind. Dazu müssten (mindestens) die Fragen aus dem Antrag des Kreis Groß-Gerau beantwortet werden.
Zwar enthalten die Begründungen zum Bebauungsplan "ehem. Ticona-Gelände"
(Teil 1
und
Teil 2)
einige Aussagen zu dem zu erwartenden Verkehr, aber erstens beschränkt auf den Verkehr dort, nicht auf die Auswirkungen des gesamten "Masterplan Cargohub", und natürlich erst recht nicht zur gesamten Immissionssituation in der Region nach Umsetzung der Maßnahme. Da aber ohnehin schon absehbar ist, dass z.B. die neuen
Grenzwerte für Stickoxide
auch ohne zusätzliche Emissionen nicht eingehalten werden können und die
Richtwerte der WHO
unerreichbar bleiben, bietet sich hier ein Ansatz, einzugreifen.
Zwar liegt das Protokoll der FLK-Sitzung noch nicht vor, aber da weder ein Beschluss gefasst noch das Thema in der
Pressemitteilung
erwähnt wurde, ist zu befürchten, dass die FLK die Gelegenheiten nicht nutzen wird, Fraport zur Offenlegung der genaueren Planungsgrundlagen zu zwingen und eine umfassende Bewertung der Umweltfolgen und ggf. weitere Auflagen durchzusetzen.
Es ist zu hoffen, dass der Kreis Gross-Gerau sich nicht mit den paar Bildchen abspeisen lässt, die Fraport präsentiert hat, aber entsprechender Druck auch von anderen Seiten wäre sicher hilfreich. Das Gelände des "Logistikhub West" liegt zwar im Kreisgebiet, aber die Folgen des zusätzlichen Verkehrs am Boden und in der Luft betreffen natürlich die ganze Region.
Ein weiterer interessanter Punkt war eine
Präsentation
der Lufthansa zu
"Störenden Geräuschen im Endanflug bei Triebwerken von Pratt & Whitney".
Das Thema war
bereits 2020 aufgekommen,
als diese Geräusche insbesondere bei Anflügen über Rüsselsheim und Raunheim vermehrt auftraten. Nach einem wenig aussagekräftigen
Zwischenbericht
im Juli 2022 gibt es nun ein paar zuverlässigere Ergebnisse:
Die wahrscheinlichste Quelle für die Geräusche sind die Brennkammern der Triebwerke, genauer gesagt einiger Triebwerks-Reihen des Herstellers Pratt & Whitney, die insbesondere an den Flugzeugtypen A220, A320NEO und A321NEO genutzt werden, und auch da nur unter noch nicht genau identifizierten Bedingungen beim Übergang zwischen verschiedenen Betriebszuständen (d.h. bei Beschleunigung).
Abhilfe ist damit allerdings noch nicht geschaffen. Zwar teilt Lufthansa freudig mit, dass für eine Triebwerksreihe eine technische Lösung gefunden wurde und bis 2027 umgesetzt werden soll. Diese Triebwerke sind allerdings nur in den Maschinen der Swiss verbaut. Für die in Frankfurt wesentlich häufigeren anderen Airlines der Lufthansa-Gruppe gibt es noch keine Lösung. Das bedeutet, dass diese Geräusche hier mindestens noch weitere vier Jahre, vielleicht auch noch wesentlich länger, auftreten werden. Betroffene müssen sich damit behelfen, sich die Geräusche wie in den USA
als "Walgesang" oder ähnlich schönzureden.
Wer genauer wissen will, wie und warum die Frage nach der Ursache der Geräusche geklärt wurde, kann sich den
Schlussbericht
des DLR-Projekts "EffFlug" ansehen. Dort wird ein Arbeitspaket beschrieben ("AP 2.2 - Identifikation von Schallquellen und Maßnahmenentwicklung", S. 29), in dem
"Heultöne, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Brennkammerinstabilitäten ausgelöst werden",
untersucht wurden, weil
"Flughäfen ... immer mehr Meldungen über diese Art von Geräuschen erhalten".
Für die hier diskutierten Geräusche lagen wohl zahlreiche Beschwerden auch aus München und Düsseldorf vor.
Zusammen mit der Tatsache, dass Instabilitäten in der Brennkammer, die Geräusche erzeugen können, immer auch auf einen nicht-optimalen Verbrennungsprozess und damit reduzierte Triebwerkseffizienz und erhöhten Kerosinverbrauch hinweisen, erklärt das wohl, warum ein solcher Aufwand für die Erforschung des Phänomens getrieben wurde. Ein paar Lärmbeschwerden von Anwohnern reichen dafür in der Regel nicht.
Mindestens genauso interessant ist aber auch der zweite Schwerpunkt des Berichts. Der Titel
"AP 2.1 - Konzeption von aufgabenspezifischen Workflows für Flugverfahren" (S. 24)
klingt nicht besonders spannend, aber dahinter verbirgt sich u.a. eine Zusammenstellung aktuellster Methoden zur Berechnung der Lärmwirkung bestimmter Flugverfahren. Ein Beispiel beinhaltet auch einen Vergleich der beiden Startverfahren NADP1 und NADP2 (S. 27), die auch im FFR-Bericht behandelt werden.
Arbeitet man sich durch die Aussagen des DLR-Berichts hindurch und bezieht auch noch die relevanten Quellenangaben und Hinweise zu weiteren Ausarbeitungen zu diesem Projekt, die insbesondere in der
Fachsitzung
der diesjährigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Akustik vorgestellt wurden, mit ein, muss man schon staunen über die Frechheit, mit der ExpASS und FFR ihre völlig unzureichenden Ergebnisse zur Bewertung der Startverfahren am Flughafen Frankfurt vorgestellt haben. Gegenüber dem, was die DLR-Arbeiten als mit vertretbarem Aufwand möglich darstellen, sind die FFR-Ergebnisse ein schlechter Witz - aber das hatten wir ja schon mit Hinweis auf die zehn Jahre alten NORAH-Ergebnisse vermutet.
Die FLK weist in ihrem
Beschluss
auf die
"hohe Fachkompetenz ... der Fachinstitutionen des Landes Hessen"
und
"die ... im Bundesgebiet einzigartige Fachexpertise des Expertengremiums Aktiver Schallschutz"
hin. Wenn sie vermeiden will, beim Thema "Flachstarts" für weitere Jahre von der Luftverkehrswirtschaft am Nasenring durch die Manege gezogen zu werden, muss sie dringend diese Fachkompetenz abfordern, Klärung darüber verlangen, was aktuell Stand der Technik bei der Berechnung von Lärmwirkungen von Flugverfahren ist, und darauf bestehen, dass diese Methoden bei der Untersuchung und Festlegung der Startverfahren am Flughafen Frankfurt umfassend und schnell zur Anwendung kommen.
Was bisher vorliegt, ist davon meilenweit entfernt und in keiner Weise geeignet, bei den Betroffenen Vertrauen in die Kompetenz der Gremien zu schaffen, die ihre Interessen vertreten sollen.
Die Köpfe gehören dem Büttelborner Bürgermeister (links) und dem Vorsitzenden der Fluglärmkommission (rechts). Sie stehen hier nur stellvertretend für die beiden Konfliktparteien und waren an der Diskussion wahrscheinlich nicht weiter beteiligt.
Der Dilbert-Cartoon (im Netz nicht mehr verfügbar) wurde ansonsten bis auf die "Fluglärm-Berechnungen" nicht verändert.
08.12.2024
Schon die Pressemitteilung der Fluglärmkommission zu ihrer Sitzung am 04. Dezember macht sehr deutlich, dass die Diskussion des bereits im September vorgestellten ExpASS-Berichts zur FFR-Schallschutz-Maßnahme "Untersuchung Startverfahren" den weitaus grössten Teil der Sitzung eingenommen hat. Die 'Frankfurter Rundschau' widmet ihren Bericht ausschliesslich diesem Thema.
Nach einer
Präsentation
der wesentlichen Berichtsinhalte durch das FFR konnten in einer
Stellungnahme der Gemeinde Büttelborn
und einer
Analyse
von Dr.-Ing. Bertold Fuld, der als Vertreter der 'Bundesvereinigung gegen Fluglärm' in der FLK sitzt, wesentliche Mängel und Schwachstellen sowohl in den Berechnungsmethoden als auch in der Art und Weise der Präsentation der Ergebnisse der ExpASS-Untersuchung aufgezeigt werden.
Das genügte allerdings nicht, um genügend Unterstützung für den Antrag der Gemeinde Büttelborn zu mobilisieren:
" Unter Berücksichtigung der rechtlichen Lage und vor allem zur Verbesserung der Fluglärmsituation aller vom Flachstartverfahren Hochbetroffenen am Flughafen Frankfurt und hier insbesondere im Büttelborner Ortsteil Klein Gerau, spricht sich die FLK dafür aus, die Anwendung von NADP1-10 zu empfehlen. ""NADP1-10" ist das Steilstart-Verfahren, dass die geringsten Auswirkungen auf seitlich der Flugroute liegende Gemeinden hat, aber vom ExpASS nicht berechnet wurde.
Statt dessen stimmte die Mehrheit der Anwesenden für die Beschlussvorlage des FLK-Vorstandes, die zunächst feststellt,
"dass die Kommission ... bisher keine Empfehlung für ein bestimmtes Startverfahren für den Flughafenstandort Frankfurt insgesamt abgegeben hat", sondern "sich vielmehr mehrfach ausdrücklich dafür ausgesprochen [hat], für die verschiedenen Abflugstrecken am Frankfurter Flughafen das jeweils lärmgünstigste Startverfahren zu ermitteln und festzuschreiben."Anschliessend werden darin die FFR-Ergebnisse kurz zusammengefasst, Büttelborn gerüffelt für "in Frageform vorgetragene Unterstellungen" zur Arbeit von FFR und Öko-Institut und "Ausführungen, die versuchen, die am Standort Frankfurt im Bundesgebiet einzigartige Fachexpertise des Expertengremiums Aktiver Schallschutz durch unbegründete Behauptungen und Unterstellungen zu diskreditieren", und dem FFR "für die vorgelegten Berechnungen" gedankt.
Letzteres bedeutet zumindest die Anerkennung, dass die Kritiker*innen des FFR-Berichts berechtigte Fragen aufgeworfen haben und das Thema damit keineswegs erledigt ist. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Vorstandsvorlage eine zwar eindeutige, aber keineswegs eine überwältigende Mehrheit bekommen hat und neben etlichen Enthaltungen auch Nein-Stimmen abgegeben wurden. Das deutet darauf hin, dass über Büttelborn hinaus auch andere mit den FFR-Ergebnissen nicht glücklich sind.
Insofern ist es eigentlich kein schlechtes Ergebnis, wenn das Ziel lautet, für jede Abflugroute
"das jeweils lärmgünstigste Startverfahren zu ermitteln und festzuschreiben"
und dafür weitere Untersuchungen stattfinden sollen. Trotzdem gibt es genügend Gründe für schwerwiegende Bedenken.
Da ist zu allererst die Bewertung der Situation in Klein-Gerau und Worfelden. Dort zeigen Messungen nicht nur des unabhängigen Deutschen Fluglärmdienstes, sondern auch an den Meßstationen des UNH/FFR, dass dort extrem belastende, laute Einzelschall-Ereignisse, mit ziemlicher Sicherheit bewirkt durch flach startende, schwere Maschinen, auftreten. Auch die Berechnungen zeigen dort eine (geringfügig) höhere Belastung durch die untersuchten Flachstart-Verfahren, die nur weiter seitwärts der Flugroute bei niedrigeren Schallpegeln Vorteile aufweisen. Nach den bisherigen Kriterien der FLK, nach denen Hochbelastete prioritär geschützt und entlastet werden müssten, müsste allein daraus eine Forderung nach einer Aussetzung der Flachstartverfahren folgen, zumindest solange, bis die Verhältnisse eindeutig geklärt sind.
Der FLK-Beschluss führt dagegen zu einem "Weiter wie bisher" und damit einer Fortsetzung der hohen Belastungen, wobei noch völlig unklar ist, wann neue Ergebnisse vorliegen. Sollte das so durchgehen und sich in anderen Fragen wiederholen, müssten alle, die vom Fluglärm hoch betroffen sind, befürchten, künftig ebenfalls weniger Unterstützung zu finden.
Auch muss man sich fragen, was es bedeutet, wenn das FFR nach Wiederaufgreifen eines fünf Jahre alten Themas weitere fünf Jahre braucht, um äusserst grobe und allseits als mangelhaft bewertete "Abschätzungen" für Lärmbelastungen durch bestimmte Flüge vorzulegen und die FLK sich genötigt sieht zu fordern, Verfahren zu entwickeln,
"wie aus Flugspuren ... auf das ... tatsächlich genutzte Abflugverfahren geschlossen werden kann".
Immerhin war es vor mehr als zehn Jahren im NORAH-Projekt möglich, eine
Akustikdatenbank
einzurichten, in der der
"Fluglärm der zurückliegenden 18 Jahre mit Radardaten rekonstruiert"
wurde (1996-2014), wobei ein Verfahren genutzt wurde,
"das die Flugbahnen einzelner Flüge, die durch das Radar der Flugsicherung aufgezeichnet werden, einzeln verarbeiten kann".
Im Detail
bedeutet das:
"Den Berechnungen zugrunde gelegt wurden die realen Flugdaten für An- und Abflüge aufgrund der vorhandenen Radar-Daten (3 Raumkoordinaten und Geschwindigkeit) und des für jeden Flug gemeldeten Abfluggewichts."
Das ist mehr als genug, um das verwendete Abflugverfahren zu identifizieren.
Ist das damalige Verfahren aus heutiger Sicht selbst für "Abschätzungen" untauglich? Wenn das so wäre, müsste man auch einen Großteil der NORAH-Ergebnisse in die Tonne treten, die im Wesentlichen auf diesen Daten beruhen.
Oder liegt es etwa daran, dass vor zehn Jahren noch ausreichend Personal und Rechenzeit zur Verfügung standen, während heute im Zeitalter der Krisen- und Kriegs-Haushalte bestenfalls noch Berechnungen möglich sind, die ein Praktikant mit einem Tablet durchführen kann, wie jüngste Bemerkungen zum
Schallschutz
und zum
Landeshaushalt
befürchten lassen?
Wenn Letzteres der Fall wäre, bekäme auch der Büttelborner Einwand gegen ein weiteres Monitoring, wonach "der Zeitaufwand dafür ... nicht abschätzbar" ist, ganz neues Gewicht. Sollten z.B. die Messungen zur Bewertung der verschiedenen Startverfahren an allen relevanten Punkten nacheinander mit einer einzigen Meßstation abgearbeitet werden, könnte Lufthansa wahrscheinlich noch ein weiteres Jahrzehnt Flachstarts fliegen, bevor belastbare Ergebnisse vorliegen.
Die FLK ist keine Institution zur Wahrheitsfindung, sondern ein Gremium, in dem Interessenskonflikte zwischen gegensätzlichen Gruppen (Luftverkehrswirtschaft, Flughafen-Eigner, Kommunen, Betroffene usw.) ausgetragen werden - wie im sonstigen Geschäftsleben auch z.T. mit harten Bandagen. Fairness, Ehrlichkeit und Vernunft sind erwünscht, aber nicht immer gegeben.
Zugleich soll und muss die FLK nach aussen halbwegs geschlossen auftreten, denn in Zeiten wie den aktuellen sind nervige Störenfriede, die sich um wirtschaftlich irrelevante Dinge wie Lärm- und Gesundheitsschutz kümmern, schnell Ziel von massiven Einschränkungen oder gar von Abschaffung bedroht. In diesem Spannungsfeld müssen insbesondere die wirtschaftlich schwachen Akteure wie die von Fluglärm und Schadstoff-Belastung betroffene Bevölkerung und ihre Interessensvertreter*innen genau überlegen, welche Prioritäten sie setzen wollen.
Will man den jetzigen FLK-Beschluss nutzen, um in den kommenden Sitzungen nicht nur den Vorstand zu ärgern und dann in Schönheit (bzw. im Wissen um die besseren Argumente) zu sterben, sondern spürbare Verbesserungen für die hochbelasteten Menschen durchzusetzen, muss man anknüpfend an die Forderung, für jede Abflugroute das lärmgünstigste Verfahren durchzusetzen, möglichst alle davon Betroffenen für ein gemeinsames Vorgehen gewinnen.
Das könnte so aussehen, dass einerseits an allen Abflugrouten umgehend die notwendigen Meßstellen identifiziert werden, die für die Bewertung verschiedener Verfahren gebraucht werden, und daraus ein zeitlich klar strukturiertes Meß-Programm aufgelegt wird, das in angemessener Zeit Ergebnisse produzieren kann. Andererseits müssten die Mängel der vorliegenden Berechnungen beseitigt und fehlende Berechnungen ergänzt werden.
Zeitgleich wäre darauf zu drängen, dass überall da, wo vorhandene Messungen auf unzumutbare Belastungen hindeuten, die verursachenden Verfahren so lange ausgesetzt werden, bis optimale Verfahren identifiziert und durchgesetzt sind (das würde einen gewissen zeitlichen Druck für alle erzeugen).
Ein solches Programm, das für alle (potentiell) Betroffenen gleiche Bedingungen formuliert, hätte unter Umständen eine Chance, durch geschickte Lobbyarbeit in der FLK und insbesondere unter den betroffenen Kommunen mehrheitsfähig zu werden. Inwieweit dann auch noch die dafür notwendigen Mittel mobilisiert werden können, bleibt abzuwarten.
Die besseren fachlichen Argumente zu haben, ist in solchen Konflikten immer eine notwendige, aber leider in den meistens Fällen keine hinreichende Voraussetzung, sich durchsetzen zu können. Wenn berechtigte Forderungen gegen bestehende Strukturen durchgesetzt werden sollen, braucht es immer noch ein paar überzeugende Argumente und ein paar Verbündete mehr.
Die Gegenseite weiss natürlich, dass Koalitionen, die sich in einem Punkt zur Durchsetzung eines gemeinsamen Interesses zusammenfinden, leicht zu sprengen sind, wenn man andere Punkte, in denen gegensätzliche Interessen bestehen, in den Vordergrund rücken kann. Wer sich darauf einlässt, zur Verteidigung hehrer Prinzipien über jedes Stöckchen zu springen, das in solchen Auseinandersetzungen hingehalten wird, hat schon verloren.
28.11.2024
Vor Kurzem sah sich selbst die Tagesschau veranlasst zu melden:
Der weltweite Passagierluftverkehr hat einer Studie zufolge seine Klimaziele klar verpasst. ...
Danach haben die internationalen Passagierairlines 2023 ihre CO2-Effizienz im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 nur um knapp sechs Prozent verbessert, was etwa 1,4 Prozent jährlich entspreche. Es seien aber bei weiter wachsendem Flugaufkommen jedes Jahr 4,0 Prozent notwendig, um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen und den CO2-Anstieg zu stoppen, ...
Die zivile Luftfahrtorganisation ICAO beschloss 2010, dass die Treibstoff- und damit CO2-Effizienz jährlich um zwei Prozent steigen soll. Doch selbst die ... unzureichenden Vorgaben seien zum ersten Mal nicht erreicht worden.
Die Meldung bezieht sich auf die Präsentation des atmosfair Airline Index 2024 während der Welt-Klimakonferenz in Baku am 20.11.2024. Sie wurde ganz ähnlich auch in anderen Zeitungen und Fachblättern wie aero.de veröffentlicht, darüber hinaus gab es zum Thema nicht viel zu lesen.
Die atmosfair gGmbH bezeichnet sich als gemeinnützige Klimaschutzorganisation, die u.a. Klimaschutzprojekte im globalen Süden betreibt und daraus Emissions-Zertifikate generiert, die Flugpassagiere zur Kompensation ihrer CO₂-Emissionen erwerben können. Ausserdem betreibt sie seit einiger Zeit eine PtL-Anlage, in der Kerosin mit Hilfe von Solar- und Wind-Energie aus Luft, Biogas und Wasser hergestellt und am Flughafen Hamburg vermarktet wird (als eine der ganz wenigen real existierenden in Europa).
Dass eine 4%ige Effizienz-Steigerung pro Jahr ausreichen würde, um einen angemessenen Beitrag zur Einhaltung des Pariser 1,5°C-Ziels zu leisten, kann man mit guten Gründen bezweifeln, aber der Wert ist ohnehin fernab der Realität: er wurde in der Vergangenheit
nie erreicht,
und Technologien, die solche Fortschritte in der Zukunft erlauben könnten, existieren bisher
bestenfalls auf dem Reißbrett
(bzw. in
Simulationsmodellen).
Dazu kommt, dass der
grössere Anteil
der Klimawirkungen des Luftverkehrs von der Effizienz nicht oder wenig beeinflusst wird und die Luftverkehrswirtschaft
keinerlei Absicht hat,
dagegen etwas zu tun, und im Gegenteil intensive Lobbyarbeit gegen
jede Art von Auflagen
in dieser Richtung macht.
Um dagegen Druck zu entwickeln, hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftler*innen im Rahmen der Welt-Klimakonferenz in Baku in einem Offenen Brief darauf hingewiesen, dass Kondensstreifen "der signifikanteste Nicht-CO₂-Effekt der Luftfahrt" sind und erklärt:
In Erkenntnis der Wirkung von Nicht-CO₂-Effekten, speziell von Kondensstreifen, auf unser sich erwärmendes Klima und der dringenden Notwendigkeit zu handeln, rufen wir, Luftfahrt- und Klima-Wissenschaftler*innen, globale Entscheider auf, Lösungen zur Eindämmung von Nicht-CO₂-Effekten der Luftfahrt zusätzlich zu den Anstrengungen zur Reduzierung der CO₂-Emissionen einzuführen. (eigene Übersetzung)Die NGO Transport & Environment stellt in einer neuen Studie fest, dass "die Vermeidung von Kondensstreifen für die Luftfahrt die Klima-Gelegenheit des Jahrzehnts" (eigene Übersetzung) sein könnte, da nur eine kleine Anzahl von Flügen betroffen ist (weniger als 3 % der Flüge erzeugen rund 80 % der Kondensstreifen) und die Kosten überschaubar wären: "Für einen Flug von Paris nach New York würde es weniger als 4€ pro Ticket kosten, die Flugroute so zu ändern, dass Kondensstreifen vermieden werden. Dieser Preis enthält den zusätzlichen Treibstoffverbrauch und alle dafür notwendigen Technologien (Feuchtigkeitssensoren etc.)." (eigene Übersetzung)
Aber natürlich denkt die Luftfahrtindustrie garnicht daran, aus alldem freiwillig Konsequenzen zu ziehen. Beispielhaft dafür kann das Verhalten der Lufthansa stehen. Mit ihrer relativ alten Flotte im Airline Index fast ganz nach unten abgerutscht (Effizienzklasse F, Platz 97 von 119; die grösseren Töchter ebenfalls in dieser Region) und bestenfalls in der Mittelklasse, wenn das vielpropagierte "grösste Modernisierungsprogramm ihrer Geschichte" reibungslos umgesetzt werden könnte, hätte sie allen Grund, darüber nachzudenken, wie sie ihren krass verfehlten "Nachhaltigkeitszielen" mit anderen Methoden wenigstens etwas näher kommen könnte. Stattdessen stellt ihr CEO Spohr in einem aktuellen CNN-Interview einfach nur fest, dass sich an diesem Zustand wohl in diesem Jahrzehnt nichts mehr ändern wird, und begründet das:
Sich nur auf Werte und auf das Klima zu konzentrieren ersetzt nicht die Grundlage für Wachsum und Wertschöpfung.Im Klartext heisst das: Klimaschutz gibt es nur, wenn sie soviel Profit machen, dass ihnen die Ausgaben dafür nicht weh tun. Einschränkungen des geplanten Wachstums stehen nicht zur Diskussion.
Im gleichen Interview bestätigt er auch den schon länger eingeschlagenen besonders klima-zerstörenden Luxuskurs mit der strategischen Orientierung "Premium, Premium, Premium". Nicht Gegenstand dieses Interviews, aber andauernder intensiver Lobbyarbeit sind die fortgesetzten Bemühungen, die von der EU beschlossenen Beimischungsquoten für sog. "nachhaltige Treibstoffe (SAF)" zu verwässern, weil die EU-Regierungen es nicht geschafft haben, ausreichende Mengen an entsprechend preiswerten SAFs herbeizusubventionieren, und die ebenfalls beschlossenen Auflagen zum Monitoring der Nicht-CO₂-Effekte, die schon auf innereuropäische Flüge beschränkt wurden, möglichst ganz abzuschaffen.
Die Lektion daraus ist immer wieder dieselbe: nicht nur sind freiwillige Selbstverpflichtungen und Absichtserklärungen der Industrie absolut nichts wert, auch bereits beschlossene Regulierungen werden nur dann umgesetzt und können Wirkungen erzielen, wenn sie von dauerndem öffentlichen Druck begleitet werden.
Klimaschutz im Luftverkehr kann es nur geben, wenn die Industrie strengen Regulierungen unterworfen und eng kontrolliert wird. Selbstgesetzte Ziele können erst dann Bedeutung bekommen, wenn der Sektor dem Profitprinzip entzogen und im öffentlichen Interesse geführt wird.
Die Grafiken wurden der Originalstudie (oben) bzw. der Berichterstattung des Guardian (unten) entnommen. Sie zeigen, dass die Hotspots der Privatjet-Nutzung in den USA und Westeuropa liegen und einerseits gehäuft für bestimmte Events genutzt werden (die Studie zeigt als Beispiele auch noch das World Economic Forum in Davos, die Filmfestspiele in Cannes, den US Super Bowl und eine Klima-COP), andererseits von einigen aber auch wie normale Taxis (für Entfernungen unter 50 km !).
15.11.2024
Das ist grundsätzlich nichts Neues, aber die Exzesse werden immer krasser und die Belege immer eindeutiger - und es gehört zu den Fakten, die man nicht oft genug betonen kann.
Ende Oktober hat Oxfam eine
neue Studie
vorgestellt, die
"die katastrophalen Auswirkungen der Superreichen auf das Klima"
aufzeigt.
Ihre Kernaussagen sind
Zynisch zugespitzt könnte man sagen:
- 50 der reichsten Menschen der Welt stoßen durch ihre Investitionen, Riesenjachten und Privatjets innerhalb von 90 Minuten mehr CO2 aus als eine durchschnittliche Person in ihrem ganzen Leben.
- Alleine in ihren Privatjets verbringen Superreiche 425 Stunden im Jahr (bei durchschnittlich 184 Flügen) und stoßen mehr als 2.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid aus. Das entspricht einem Wert, für den ein Mensch aus der weniger wohlhabenden Hälfte der Weltbevölkerung etwa 2.000 Jahre lang leben müsste.
- Würden alle so viel CO2 ausstoßen wie 50 der reichsten Milliardär*innen, wäre das CO2-Budget innerhalb von zwei Tagen aufgebraucht. Und auch beim Durchschnitt der reichsten 1% der Weltbevölkerung wäre es in fünf Monaten aufgebraucht.
Das verdeutlicht auch eine weitere
aktuelle Studie,
die im Detail zeigt, wie der Verkehr mit Privat-Flugzeugen in den letzten Jahren angewachsen ist, wie pervers die Nutzungen teilweise sind und welche Schäden damit angerichtet werden.
Das müsste eigentlich der
Kampagne gegen Privatjets,
die im letzten Jahr gestartet wurde, neuen Auftrieb geben, aber die Berichterstattung über diese Studie lässt in deutschen Medien sehr zu wünschen übrig. Nur wenige
löbliche Ausnahmen
referieren aber immerhin einige der krassesten Fakten.
Medien wie der englische Guardian sind aber noch deutlicher in ihrer Aussage.
Änderung ist nicht in Sicht, denn, wie ein altgedienter Kommentator der globalen Klimapolitik
prägnant zusammenfasst:
"2024 wird in die Klimageschichte eingehen – und zwar gleich aus drei Gründen."
Was insbesondere der dritte Punkt bedeutet, hat er schon in einem vorhergehenden Kommentar erläutert: "Mit dem Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA ist ein erneutes Rollback in der nationalen und internationalen Klimapolitik zu erwarten. Das Land wird stärker auf fossile Energien setzen", und auch aus der Wissenschaft kommen schwerste Bedenken: "Es ist zu erwarten, dass Trump in den USA fossile Energien stärken und erneuerbare Energien und Elektromobilität schwächen wird. Er wird, wie schon in seiner ersten Amtszeit, Umweltregulierungen und Klimapolitik zurückdrängen, auch indem er Posten in Regierung, Energieministerium und Umweltbehörde mit Klimawandelleugner*innen besetzt."
Trump gehört zweifelsohne zu den Reichen (sein Privatjet ist
eine B757-200),
und er will den Superreichsten, seinen Kumpel Elon Musk (der sich gerade einen
neuen Luxusjet
bestellt hat),
zu
einer Art Schatten-Vizepräsident
machen, der die Zurückdrängung aller Arten von Regulierung steuern und sich dabei natürlich
weiter bereichern
will.
Beide halten
Klimaschutz für absolut überflüssig,
auch Musk, der einen grossen Teil seines Reichtums mit der Entwicklung von Elektroautos gemacht hat, aber künftig primär
E-Autos für Reiche und Gewerbe
bauen will und inzwischen stärker von den Aufträgen der US-Regierung im Raumfahrt- und Rüstungsbereich profitiert.
Bloomberg erwartet,
dass er den Regierungsapparat ähnlich behandeln will wie den Nachrichtendienst Twitter, nach dessen Kauf und Umwandlung zu "X" er den grössten Teil der Belegschaft gefeuert hat. Das allerdings würde den Abbau wichtiger Teile des US-Arbeitsrechts erfordern.
Auch der UN-Generalsekretär hat in seiner Rede zur Eröffnung der Weltklimakonferenz COP29 das Jahr 2024 als "Meisterklasse der Klimazerstörung" (eigene Übersetzung) hervorgehoben und dabei insbesondere die zahlreichen humanitären Katastrophen durch Wirbelstürme, Starkregen, Trockenheit, Waldbrände usw. benannt. Er hat aber auch auf die Mängel der bisherigen Klimapolitiken, nicht eingehaltene Vereinbarungen und Versprechungen verwiesen und u.a. gefordert, für die Finanzierung von Klimaschäden und Anpassungsmaßnahmen "innovative Quellen, insbesondere Gebühren für Schifffahrt, Luftfahrt und der Extraktion fossiler Brennstoffe auf der Basis des Verursacherprinzips" (eigene Übersetzung) zu erschliessen.
Bloomberg
berichtet ergänzend, dass eine der Sprecherinnen der sich entwickelnden Länder, die Premierministerin von Barbados, abschätzt, dass
"Gebühren für Schifffahrts-Gesellschaften, Fluggesellschaften und einige Finanzhändler sowie Steuern für die Extraktion fossiler Brennstoffe mindestens 350 Milliarden Dollar pro Jahr einbringen könnten - mehr als das Dreifache dessen, was reiche Nationen jährlich aus öffentlichen Quellen mobilisieren" (eigene Übersetzung)
und fast ein Drittel dessen, was als jährlicher Bedarf für diese Länder geschätzt wird.
Aber während die internationale Schifffahrt
"erwartet, dass ihr globaler Regulierer im kommenden Jahr eine Gebühr für die Treibhausgas-Emissionen von Schiffen billigen wird, aber noch darüber debattiert wird, ob diese Erträge der Klimafinanzierung oder der Dekarbonisierung der Industrie dienen sollen" (eigene Übersetzung),
muss selbst der neue EU-Klimakommisar über die Luftfahrt feststellen:
"Das ist ganz eindeutig einer der globalen Sektoren, der mehr tun muss und sich mit seinen Emissionen in die falsche Richtung entwickelt. Es ist generell der reichere Teil der Weltbevölkerung, der mehr fliegt. Eine Gebühr für die Luftfahrt würde uns also eine weitere Gelegenheit bieten, zu mehr Solidarität in der Klimafinanzierung zu kommen." (eigene Übersetzung)
Wie recht er mit der Beschreibung der Entwicklung in der Luftfahrt hat, zeigt eine aktualisierte Analyse der Klimawirkungen der Luftfahrt, die die früheren Analysen bestätigt:
"Trotz eines vereinbarten 'kohlenstoff-neutralen Wachstums' ab 2020 und einem 'langfristig anzustrebenden Ziel von Netto-Null Kohlenstoff-Emissionen ab 2050' ergreifen die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) und die nationalen Regierungen keine geeigneten Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen der internationalen Luftfahrt. Der Sektor bleibt weit weg von einem Weg zum 1,5°C-Ziel und wird als 'kritisch unzureichend' eingestuft.
...
Diese Einstufung zeigt an, dass das gesetzte Ziel eine globale Erwärmung von mehr als 4°C bedeuten würde, wenn alle anderen Sektoren vergleichbare Ziele verfolgen würden."
(eigene Übersetzung)
Allen, die dort Forderungen formulieren, dürfte allerdings bewusst sein, dass diese COP, die wieder von einem
autoritären Petrostaat
organisiert wird, dessen Funktionäre
auch wieder
mehr an
Deals mit fossilen Brennstoffen
als an Klimaschutz interessiert sind, und die wieder massiv
von der Fossil-Industrie gesponsort
oder vielleicht sogar
korrumpiert
wird, keine wirklich guten Voraussetzungen dafür bietet, irgend etwas davon umzusetzen.
Die wirklich relevanten Beschlüsse fallen in anderen Gremien. Insbesondere ob die EU wirklich bereit ist, ihre Luftfahrt-Politik gemäß den wolkigen Ankündigungen ihres Klimakommissars zu ändern, wird sich schon in Kürze an einschlägigen Kommissions-Beschlüssen zeigen. Man sollte die Hoffnungen nicht zu hoch hängen.
Tatsächlich gehen bisher nahezu alle Trends in die falsche Richtung. Die globalen CO₂-Emissionen
steigen weiter an,
obwohl sie längst sinken müssten, wenn die Staaten ihre Versprechen einhalten und die in Paris vereinbarten Ziele ernst nehmen würden. Die Industrien in den westlichen Ländern
verfehlen ihre selbstgesetzten Klimaziele
überwiegend meilenweit, und die Firmen, die sie bei der Einhaltung dieser Ziele unterstützen sollten, haben häufig
eher Profit als Klimaschutz
im Sinn.
Trotzdem gibt es Wissenschaftler:innen, die in all den negativen Trends auch noch
einige positive Entwicklungen entdecken
können. Entsprechend versuchen auch die öffentlichen Medien, in der Berichterstattung über die COP
kein allzu schwarzes Bild
zu malen. Dies scheitert allerdings daran, dass die
reale Entwicklung
der Temperatur-Daten dramatisch und die
sich abzeichnende Entwicklung
so verheerend sind, dass selbst die von der kommenden US-Regierung zu erwartenden Maßnahmen kaum noch zu einer Verschlechterung führen.
Was passieren müsste, ist also eindeutig. Die Exzesse der Superreichen müssen beendet und die gravierende Ungleichheit, global wie lokal, beseitigt werden. Das geht allerdings nicht, ohne das System zu verändern, dass diese Ungleichheit zwangsläufig immer wieder neu hervorbringt.
Die Mehrheit der (wählenden) US-Bevölkerung hat sich gerade dafür entschieden, dieses System im Gegenteil noch auf die Spitze zu treiben. Es ist zu befürchten, dass auch die Bevölkerung hierzulande im Februar Parteien wählen wird, die jede grundlegende Veränderung entschieden ablehnen.
Es wird damit immer wahrscheinlicher, dass eine Eindämmung der Klimaveränderungen nicht gelingen wird. Klimawandel-Leugner
weisen aktuell gerne darauf hin,
dass die Erde in der Vergangenheit überwiegend deutlich wärmere Phasen durchgemacht hat. Das macht es in der Tat wahrscheinlich, dass die Erde auch die aktuellen Veränderungen überleben wird. Ob das allerdings der menschlichen Zivilisation auch gelingt, ist mehr als fraglich.
(Grafik: Stay Grounded (verändert), Minister-Foto: Der Postillon)
29.10.2024
Glaubt man dem aktuellen Medien-Rummel, könnte es demnächst schwierig werden, in den Urlaub zu fliegen. Airlines rebellieren gegen steigende Gebühren und sagen Goodbye Deutschland! Für die Wintersaison wird gar eine Eiszeit an deutschen Flughäfen angekündigt.
Zwar trifft es aktuell hauptsächlich den Flughafen Hamburg, der dahinter ein Komplott vermutet, aber auch andere Flughäfen sind betroffen: so streicht Ryanair auch Verbindungen in Berlin und Köln und gibt Dortmund, Dresden und Leipzig ganz auf. Und auch anderswo wird gerechnet oder auch gedroht.
Die Politik reagiert zwiespältig.
Während die Regierung in Hamburg auf die gestiegenen Kosten verweist und die geplante Erhöhung der Flughafen-Entgelte (noch?) verteidigt,
nörgelt die CDU-Opposition.
Bundesverkehrsminister Wissing ist diensteifrig dabei,
zu prüfen,
wo er die Fluggesellschaften auf Kosten der Steuerzahler weiter entlasten kann. Als erstes möchte er erreichen, dass sie
weiterhin
keine kostendeckenden Beiträge für die Flugsicherung, von der sie ganz alleine profitieren, zahlen müssen. Aber auch sämtliche sonstigen Abgaben, insbesondere wenn sie irgendwie mit Klimaschutz in Verbindung stehen, sind ihm natürlich ein Dorn im Auge.
Hintergründe dazu, was da aktuell warum gestrichen werden soll und wie das Gejammer der Fluggesellschaften insgesamt einzuschätzen ist, finden sich in den Medien relativ selten. Nur hin und wieder dürfen z.B. Kommentare darauf hinweisen, dass unter Klimaschutz-Gesichtspunkten "Fliegen insgesamt ... viel zu billig" ist.
Was aber passiert aktuell wirklich? Schon lange ist klar, dass das im Luftverkehr angestrebte Katastrophen-Wachstum auch wegen interner Probleme, insbesondere der Krise beim Flugzeugbauer Boeing, nicht realisiert werden kann. So ist z.B. Ryanair mit einer reinen Boeing-Flotte ganz besonders von deren Lieferschwierigkeiten betroffen und muss mangels neuer Flugzeuge geringeres Wachstum planen. Gestrichen wird dabei natürlich zuerst da, wo die Renditen niedriger oder unsicherer sind. Wenn dann irgendwo Abgaben Billigst-Lockangebote im unteren zweistelligen Euro-Bereich (bei Ryanair 15,99 € für Europa-Ziele ab Hahn) unattraktiv machen, fallen sie eben dort weg.
Da auch
Airbus wegen
Lieferengpässen
und
anderen Problemen
nicht wie geplant liefern kann, scheitern auch die Wachstums-Phantasien anderer Fluggesellschaften an fehlenden Flugzeugen und
eigener Unfähigkeit.
Wohl deshalb liess auch
Fraport-Chef Schulte
seinen Beitrag zum Thema im letzten Monat überschreiben:
"Erholung abhängig von Boeing und Lufthansa",
auch wenn er natürlich pflichtgemäß ebenfalls immer auf die "hohen Standortkosten" hinweist.
Dazu kommt, dass auch der
Arbeitsmarkt
im Sektor Luftverkehr Verzerrungen aufweist, die zu Engpässen führen, sowohl bei passend qualifizierten Pilot*innen als auch insbesondere beim Kabinenpersonal. Dabei handelt es sich nicht nur um die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, sondern auch um
längerfristige Folgen
der neoliberalen Deregulierung des Luftfahrtsektors.
Tatsächlich ist die Situation für die Luftverkehrswirtschaft bei Weitem nicht so kritisch, wie das Gejammer glauben machen soll. Der Flughafen Hamburg, dem ach so furchtbare Kürzungen drohen, erlebt gerade einen Boom, den er nur aufgrund der technischen Aufrüstungen der jüngsten Zeit bewältigen kann. Und worin der "schwere Schlag für den Wirtschaftsstandort Hamburg" bestehen soll, den die CDU beklagt, wenn Eurowings die Kurzstrecken-Verbindung nach Köln-Bonn einstellt und ein paar Urlaubsdestinationen nicht mehr oder weniger häufig angeflogen werden, erschliesst sich normal denkenden Menschen auch nicht.
Dass Ryanair (knappe) Flugzeuge und Personal ständig hin und her schiebt, um seine Profite zu optimieren, ist bekannt und auch in Frankfurt schon passiert - ohne
dramatische Folgen.
In Hamburg sind nicht einmal Ryanair-Flugzeuge stationiert, und die meisten Ziele werden auch von anderen Billigfliegern angeboten.
Auch anderweitig spart Ryanair kreativ. Ab nächstem Jahr soll es
nirgendwo mehr Ryanair-Schalter geben,
die Fluggäste müssen sich per App durch die Flughafen-Dschungel kämpfen. Ein Gerücht ist bisher allerdings nur, dass beim Boarding Feuchttücher ausgegeben werden sollen, damit die Passagiere ihre Sitze selber reinigen können, und unter den Reisenden mit den Billigst-Tickets ausgelost wird, wer das Klo putzen muss.
Lufthansa,
deren Chef
vor knapp einem Jahr
noch öffentlich geprahlt hatte:
"Uns gehts prächtig",
ist trotz
einiger kleiner Rückschläge
und
Dummheiten
weiter auf Expansionskurs, etabliert
neue Billigtöchter,
integriert ITA Airways
(vormals Alitalia) und hat schon ein Auge auf den
nächsten Übernahme-Kandidaten
geworfen. Trotzdem wird natürlich
pflichtgemäß mitgejammert.
Eurowings
als Teil des Lufthansa-Konzerns hat ebenfalls
keine besonderen Probleme.
Einige der jetzt in Hamburg zur Streichung angekündigten Strecken waren erst
in diesem Jahr aufgenommen
worden und vermutlich nicht rentabel genug. Und Kurzstrecken sollen im Lufthansa-Konzern ja künftig
bei City Airlines konzentriert
werden.
Condor
versucht schon seit Jahren, Kapazitätsprobleme mit der Einbeziehung von "Noch-billiger-Fliegern", darunter eine
estnische Schwester-Gesellschaft,
zu bewältigen. Das wird vermutlich
auch 2025
Teil der Strategie sein.
Allerdings steht Condor spätestens seit der Insolvenz der Muttergesellschaft Thomas Cook 2019 generell unter massivem Druck, besonders von Seiten der
Lufthansa
und deren Tochter
Discover.
Ohnehin zur Hälfte im Besitz eines Investors, der dafür bekannt ist, Fluggesellschaften aufzukaufen, zu sanieren und profitabel zu verkaufen (die andere Hälfte gehört über eine gemeinsame Gesellschaft dem Bund und dem Land Hessen, die solchem Tun natürlich nicht im Weg stehen), ist sie ein heisser Kandidat für die weitere
Konsolidierung
des Luftverkehrsmarktes in Europa. Möglicherweise kriecht sie doch bald wieder unter die Fittiche des Kranichs, wo sie
vor vielen Jahren
angefangen hat.
Im Ergebnis zeigt daher auch die
Flugplan-Entwicklung,
dass
von Schrumpfung keine Rede sein kann
und lediglich das Wachstum nicht so stark ist, wie es Airlines und Investoren gerne hätten. Dass dabei immer wieder betont wird, dass der deutsche Markt
"der gesamteuropäischen Entwicklung damit weiterhin hinterher"
hinke und anders als in anderen Ländern
"weiterhin unter dem Niveau von vor der Corona-Pandemie"
liegt, zeichnet aber ein unvollständiges Bild.
Zum Einen wird immer wieder verdrängt, dass die Jahre 2018 und 2019 in Europa von einem derart chaotischen Flugbetrieb geprägt waren, dass selbst die Luftverkehrswirtschaft
einräumen musste,
dass
"auch der Himmel mal an seine Grenzen"
stösst, und daher als Norm nicht wirklich taugen. Zum Anderen zeigt eine
Detail-Betrachtung,
dass die "16 % weniger" (die inzwischen 13 % sind) vor allem dadurch bedingt sind, dass der absolut unnötige innerdeutsche Luftverkehr auf knapp die Hälfte der Vor-Corona-Zahlen gesunken ist, während Mittel- und Langstrecken mit wenigen Ausnahmen auf oder über dem Vor-Corona-Niveau sind. Der gerade bekannt gegebene
Winterflugplan FRA
bestätigt dieses Bild.
Das hängt auch damit zusammen, dass der Bereich des geschäftlichen Flugverkehrs
in vielen Regionen schrumpft
und die Bedeutung des Luftverkehrs für die generelle wirtschaftliche Entwicklung abnimmt.
Warum also das ganze Gejammer?
Dem 'Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft'
geht es angeblich
"im Kern .. um die ... Luftverkehrssteuer ..., die Flugsicherungsgebühren und die sogenannte Luftsicherheitsgebühr",
wobei die beiden letzteren noch nicht einmal kostendeckend kalkuliert sind, aber bitte schön vom Steuerzahler subventioniert werden sollen. Die Luftverkehrssteuer, 2010 entgegen anderslautenden Behauptungen
beschlossen,
"um zusätzliche Staatseinnahmen für den deutschen Staat zu generieren und um die steuerliche Besserbehandlung des Luftverkehrs ... zu verringern",
soll dagegen, wenn sie nicht völlig abgeschafft wird, dafür eingesetzt werden, die Klimaschutzmaßnahmen, die die Luftverkehrswirtschaft
seit Jahren verspricht, aber nicht liefert,
zu finanzieren.
Dabei wird gerne auf Schweden verwiesen, wo eine solche Steuer gerade abgeschafft werden soll, aber selten davon geredet, dass sie z.B. im sicherlich eher vergleichbaren Frankreich demnächst
deutlich erhöht
wird.
Diese Kampagne begleitet eine gerade auf der EU-Ebene laufende Diskussion zur
Überarbeitung
der Energie-Besteuerungs-Richtlinie (Energy Taxation Directive, ETD). Dort geht es zwar aktuell nicht um Luftverkehrssteuern, bei denen die EU nicht mitreden darf, sondern um die Besteuerung von Treibstoffen, und aktuell um einen besonders perversen Vorschlag der amtierenden ungarischen EU-Ratspräsidentschaft, die Besteuerung von Kerosin um weitere 25 Jahre (!) auszusetzen. Die Diskussion dazu ist noch auf der technischen Ebene, und eine Mehrheit für diesen Vorschlag ist im Moment nicht absehbar, trotzdem ist
Protest
nötig.
Die Luftverkehrswirtschaft möchte aktuell keine öffentliche Diskussion dazu, macht aber allgemein überall gegen die "existenzgefährdende Steuerlast" mobil, um ggf. auch hier Druck ausüben zu können.
Auch die Entgeld-Erhöhungen, die jedes Jahr an praktisch allen Flughäfen vorgenommen werden müssen, da sie, zumindest in Teilen, laut Gesetz kostendeckend sein sollen, und die in Hamburg angeblich der Grund für die vorgenommenen Plan-Reduzierungen der Billigflieger waren, spielen nicht wirklich eine Rolle. In Frankfurt geht eine
ähnliche Erhöhung
bisher ganz geräuschlos über die Bühne, lediglich
die Fluglärmkommission
formuliert sehr berechtigten, aber vermutlich wirkungslosen Protest - wie in den
vorangegangenen Jahren
auch.
Tatsächlich ist es den Fluggesellschaften im Grunde auch weitgehend egal, wie hoch der Anteil der Abgaben an den Flugpreisen ist, solange er die Nachfrage nicht wesentlich beeinträchtigt und die Nebenkosten für alle gleich hoch sind, d.h. die Konkurrenzsituation dadurch nicht verzerrt wird.
Was die in Deutschland aktiven Fluggesellschaften wirklich ärgert und wo sie massiven politischen Druck entwickeln, auch wenn es schlecht fürs Image ist und öffentlich nicht so sehr herausgestellt wird, sind die Minischrittchen, zu denen sie im Bereich Klimaschutz verpflichtet werden sollen.
Die Bemühungen der Bundesregierung, die EU-Auflagen zur Beimischung homöopathischer Dosen von sog. "nachhaltigen Treibstoffen" (Sustainable aviation fuels, SAF) ein kleines Bisschen wirksamer zu machen, in dem ein kleiner Anteil dieses kleinen Anteils nicht aus Biosprit, sondern aus PtL- (Power-to-Liquid) oder E-Fuels bestehen soll, wurden bereits in der Vergangenheit heftig attakiert
und führen aktuell zu geradezu
hysterischen Reaktionen.
Zwar glaubt der BDL sein Geschwafel von der Rechtswidrigkeit nationaler Beimischungsquoten wahrscheinlich selber nicht, und ein
Rechtsgutachten
widerlegt diese Behauptungen auch eindeutig, aber das eigentliche BDL-Argument ist ohnehin ein anderes:
"Für den Klimaschutz wäre mit einer deutschen PtL-Quote nichts gewonnen, da die Vorgabe schon rein faktisch nicht erfüllt werden kann. Bis auf einzelne Pilotanlagen gibt es bislang keine ausreichende PtL-Produktion in Deutschland und Europa. Ein zeitnaher Markthochlauf ist derzeit auch nicht abzusehen, da die Bundesregierung die Fördermittel für den Bau von ersten Produktionsanlagen im industriellen Maßstab zu Jahresbeginn vollständig gestrichen hat."
Die Luftverkehrswirtschaft argumentiert also: wir können unsere gesetzlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht erfüllen, weil der Staat die Mittel dafür nicht ausreichend subventioniert. Daher muss das Gesetz geändert werden.
Da können die Firmen, die PtL produzieren möchten, noch so sehr darauf hinweisen, dass die "Beibehaltung der nationalen E-Kerosin-Quoten unverzichtbar" für die Investitionssicherheit ist, und wirtschaftswissenschaftliche Studien zeigen, dass das EU-Modell der Investitionsanreize anderen Ansätzen überlegen ist; da kann der Dachverband der Fluggesellschaften, IATA, noch so schöne Roadmaps über deren Beitrag zur Emissionsminderung veröffentlichen und von exponentiellem Wachstum bei SAF-Produktion träumen: wenns ans Zahlen geht, sind alle Versprechungen vergessen.
Derweil scheitern trotz
massiver Subventionen
Projekte für
"grüne Kraftstoffe",
sowohl Biosprit als auch eSAF,
in den USA
und
in Europa.
Damit zeigt sich auch in diesem Bereich, dass die Luftverkehrswirtschaft das
Klima-Gedöns
aufgibt und unverhohlen auf Profitmaximierung
ohne Rücksicht
auf Umwelt und Gesundheit setzt und dabei auch
von der Politik unterstützt
wird.
Da ist es ihnen auch egal, dass die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Distickstoffmonoxid (Lachgas) 2023
neue Rekordwerte
in der Atmosphäre erreicht haben,
ein aktueller UNEP-Bericht
drastisch demonstriert, dass die Lücke zwischen dem, was aktuell emittiert wird, und dem, was zur Einhaltung des Pariser 1,5°C-Ziels unverzichtbar ist, immer grösser wird und einerseits ein "Überschiessen" dieses Ziels inzwischen wohl
auch theoretisch unvermeidbar
ist, andererseits die Möglichkeiten, das später noch zu korrigieren,
drastisch überschätzt
werden.
Daher gehen inzwischen gut 11 % des
Zuwachses an Treibhausgas-Emissionen
von 2022 bis 2023 (81 von 719 Mt CO₂eq/a) auf das Konto der internationalen Luftfahrt, Tendenz steigend. Darin ist der Beitrag der Zunahme inländischen Flugverkehrs, der in grossen Ländern wie USA, China, Indien u.a. eine erhebliche Rolle spielt, noch nicht enthalten.
Auch international kann also von einer Schrumpfung des Luftverkehrs überhaupt keine Rede sein. Was es lediglich gibt, ist eine
schon länger andauernde,
nach wie vor widersprüchliche Tendenz in der EU, die völlig grössenwahnsinnigen Expansionspläne der europäischen Flughäfen etwas mehr
den Realitäten anzupassen.
Es ist jedoch sehr fraglich, ob sich hier schon eine Trendwende abzeichnet, erst recht eine, die durch Klimaschutz-Bemühungen motiviert wäre. Vielmehr ist es notwendig, die Entwicklungen an den einzelnen Flughafen-Standorten
genau zu analysieren,
um zu sehen, wo es echte Ansätze zu Korrekturen geben könnte.
Um das klimazerstörende Wachstum des Luftverkehrs aber wirklich zu beenden, bedarf es noch vieler weiterer Maßnahmen. Ein Beitrag dazu könnte eine
Vielflieger-Abgabe
sein, die diejenigen, deren Geschäfts- oder Konsum-Verhalten besonders klimaschädlich ist, stärker zur Kasse bittet. Deren Wirkung wäre zwar relativ begrenzt, aber in Zeiten, in denen die Umwelt- und Klima-Bewegung eher in der Defensive ist, können Forderungen, die vor allem auch an das Gerechtigkeits-Empfinden appellieren, vielleicht dazu beitragen, das Thema Luftverkehr und Klima im öffentlichen Bewusstsein zu halten und dem Propaganda-Getöse der Luftverkehrswirtschaft etwas entgegen zu setzen.
Dass
Mehr und Drastischeres
nötig wäre und Ideen und Ansätze dafür existieren, hat das laufende Jahr auch gezeigt. Woran es fehlt, sind genügend Menschen, die dafür auch nachdrücklich und konsequent eintreten.
15.09.2024
Für die Plenardebatte des Hessischen Landtags am 11.09. hatten die Regierungsfraktionen einen
Antrag
mit dem Titel
"Flughafen Frankfurt: Bedeutung des Drehkreuzes weiter stärken – Internationale Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen"
eingebracht.
Neues gab es daraus natürlich nicht zu lernen, die meisten Inhalte sind
aus dem Koalitionsvertrag
abgeschrieben. Bestenfalls kann man aus einigen Formulierungen herauslesen, dass sich die Koalitionäre ihrer Sache inzwischen noch sicherer sind und die absolute Priorität der Interessen der Luftverkehrswirtschaft noch deutlicher herausgestellt wird.
So wird noch deutlicher als bisher ausgeführt, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens und der Airlines über allem anderen stehen soll, insbesondere natürlich über dem Klimaschutz. Dafür werden dann selbst die unzureichenden Programme der EU und der Bundesregierung kritisiert und Einschränkungen und Rücknahmen gefordert. Zugleich sollen Subventionen für die Luftverkehrswirtschaft auf keinen Fall gekürzt, sondern insbesondere für die sog. "Sustainable Aviation Fuels" (SAF) ausgeweitet werden.
Ausdrücklich wird auch noch die Propaganda-Formel der Luftverkehrswirtschaft wiederholt, wonach
"die stark gestiegenen staatlichen Standortkosten, insbesondere die Erhöhungen der Flugsicherungskosten und der Luftverkehrsteuer ... wesentlicher Bremsfaktor bei der Erholung der Branche"
seien und gefordert:
"Hier bedarf es zügig einer Korrektur".
Die Luftverkehrssteuer soll entweder gesenkt werden oder die Erlöse daraus vollständig wieder in den Sektor zurück fliessen.
Zu den im Antragstext noch stärker europäisch klingenden internationalen Wettbewerbsaspekten macht der Wirtschaftsminister in der Debatte dankenswerter Weise deutlich, wie es gemeint ist:
"Wir haben es beim Flugverkehr mit einer hoch mobilen Dienstleistung zu tun, die nicht etwa an einen bestimmten Standort gebunden ist ... .Die vielgepriesene internationale Hub-Funktion, von der der Flughafen "vor allem ... profitiert", hat also mit der Region nichts zu tun, könnte überall abgewickelt werden. Sie hier zu halten, obwohl sie nur der Fraport Profit, den Menschen der Region aber nur Lärm und Dreck bringt, sehen Koalition und Regierung als ihren Auftrag. So deutlich sagen sie selten, wem sie sich verpflichtet fühlen - und wem nicht.
Viele wissen gar nicht, dass wir vor allem vom internationalen Luftverkehr profitieren. Ein Großteil der Menschen, die von Frankfurt aus in die Welt fliegen, sind gar keine Deutschen, sondern sie kommen aus anderen Ländern. ...
Wir können es uns nicht erlauben, dass diese Dienstleistungen zu niedrigeren ökologischen und sozialen Standards, sei es London oder Istanbul, abgewickelt werden. Das ist der Auftrag, den wir haben."
(zitiert nach eingeblendetem Text).
Zum Schallschutz heisst es am Ende des Antrags noch vielsagend:
" Die Verringerung der Fluglärmbelastung ist daher auch weiterhin eine Daueraufgabe, die in besonderem Maße auch durch die Beschaffung von Fluggeräten der modernsten Generation realisiert wird",
also keine eigenständige Rolle mehr spielen soll, bestenfalls in Trippelschritten vorankommen und mit dem Wachstum des Flugverkehrs nicht Schritt halten kann.
"Daneben sollen die Anstrengungen zur Reduzierung des Fluglärms sowohl im HMWVW als auch im Forum Flughafen und Region fortgeführt werden",
aber in welchem Umfang, bleibt hier noch offen.
Wer sich die Debatte über den Antrag im Video (
Teil 1
und
Teil 2
) ansieht, kann allerdings durchaus noch etwas über den aktuellen Zustand der Landespolitik lernen. Die wichtigste Erkenntnis hat natürlich mal wieder
der FAZ-Korrespondent
formuliert:
"CDU, SPD, FDP und AfD waren sich im Grundsatz einig ...",
und das noch weitgehender, als es der dann folgende Text beschreibt.
Dass er der Grünen-Sprecherin eine
"von der Mehrheitsmeinung abweichende Position"
attestiert, ist dagegen fragwürdig, weil sie lediglich lieber weiterhin die verschleiernde Rhetorik zur Nachhaltigkeit erhalten sehen möchte, die der vorhergehende Verkehrsminister gepflegt hatte. Zur unverändert notwendigen
"Verbesserung sowohl der globalen Nachhaltigkeit des Flugverkehrs als auch ... der lokalen Bekämpfung seiner negativen Auswirkungen im Hinblick auf Lärm und Schadstoff"
hatte auch sie keine Ideen beizutragen.
Interessant war allerdings ihr Vorwurf, die Landesregierung würde im Haushaltsplan für kommendes Jahr "3,75 Mill. EUro für nachhaltigen Flugverkehr" streichen. Konkretisiert hat sie es nicht, aber man darf vermuten, dass dieses Geld insbesondere bei FFR-Projekten wie dem
Aktiven Schallschutz.
und der
Ultrafeinstaub-Belastung
eingespart werden soll.
Von
"einer hitzigen Debatte"
reden, wie ein
Beitrag der FR
das tut, kann man nur, wenn man die parteipolitisch motivierten Streitereien in den Vordergrund rückt. Dabei ging es aber nicht um die Kernaussagen, sondern nur darum, wer die Interessen des Flughafens am glaubwürdigsten vertritt und wer in der Vergangenheit womöglich sogar Kritik an der Luftverkehrswirtschaft geübt hat.
SPD-Sprecher Weiss, der die Debatte einleitete und länger reden durfte, weil die SPD diesen Tagesordnungspunkt als für sie besonders wichtig (als "Setzpunkt") angemeldet hatte, gab sich alle Mühe zu beweisen, dass kein Koalitionszwang nötig war, um die neue Rhetorik durchzusetzen: die SPD versucht von sich aus mit aller Kraft, die anderen Parteien an Wirtschaftshörigkeit zu übertreffen. Immerhin hat er einige von den Problemen genannt, die die Luftverkehrswirtschaft
wirklich quälen, u.a. Lieferprobleme bei Flugzeugherstellern, Qualitätsmängel aufgrund von Personalproblemen und Wettbewerbsnachteile aufgrund der Sanktionen gegen Russland. Das hinderte ihn allerdings nicht, in das Lied vom Leiden unter staatlichen Auflagen und Abgaben einzustimmen.
Dass die FDP sich als die besten und treuesten "Freunde des Flughafens" feiert, die "Faszination am Fliegen" teilt und den Flughafen und die Fluggesellschaften am liebsten von allen staatlichen Einflüssen (ausser den Subventionen) befreien möchte und für absolute "unternehmerische Freiheit" auch für Staatsunternehmen plädiert, kommt wenig überraschend.
Kurios ist da eher, dass die AfD noch mit einem
Dringlichkeitsantrag
versucht hat, die anderen Parteien in der Unterstützung für die Luftfahrt noch zu übertreffen (und darin vieles formuliert, was die anderen Parteien wohl auch denken, aber sich nicht zu fordern trauen), sich dabei aber mit der Forderung nach Abschaffung "aller sogenannten Klimaschutzmaßnahmen" doch noch selbst in dieser Runde ins Abseits stellt.
Insgesamt hat diese Debatte einmal mehr deutlich gemacht, dass in diesem Landtag nur noch fossile Parteien sitzen, die versuchen, mit politischen Konzepten aus dem vergangenen Jahrhundert wirtschaftliche Strukturen zu verteidigen, die in der heutigen Welt nicht mehr überlebensfähig sind und die Klimakatastrophe befördern.
Kritik daran kommt nur noch von aussen, z.B. vom BUND Hessen, der in einer
Presseerklärung
zu dem CDU/SPD-Antrag feststellt:
"Damit verabschieden sich CDU und SPD endgültig von den Zielen einer Klimaneutralität bis 2045 und den zuletzt Anfang 2023 gesetzten Zielen des Klimaplanes Hessen".
Das luftverkehrskritische "Frankfurter Bündnis der BürgerInitiativen" (F.B.I.) zeigt sich in einer
Pressemitteilung
entsetzt und stellt fest:
"Wenn sich das Land Hessen als Anteilseigner für eine weitere Stärkung und Ausweitung des Drehkreuzes Frankfurt einsetze, verletze es damit seine Vorsorgepflicht für die Bürgerinnen und Bürger ... . Eine Verstärkung des Drehkreuzes bedeute eine neue zusätzliche Lärm- und Schadstoffbelastung aller Menschen im Rhein-Maingebiet."
Damit ist aber auch klar: Initiativen, die sich wirksam gegen die negativen Folgen des Luftverkehrs zur Wehr setzen wollen, müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie Unterstützung nur noch ausserparlamentarisch finden. Dort können es alle sein, die sich gegen das weitere Wachstum der fossilen Industrien, die
Zurückdrängung der klimaschutz-politischen Maßnahmen
zugunsten der Zuspitzung und Militarisierung internationaler Konflikte, das Anheizen der Rüstungsspirale und den
Abbau von Menschenrechten und Demokratie
wehren.
Das politische Spektrum innerhalb dieser Bewegungen mag vielfältig und die Widersprüche darin teilweise schwer auszuhalten sein. Was sie einen muss, ist die Einsicht in die Notwendigkeit einer radikalen globalen sozial-ökologischen Transformation, die zur
Eindämmung der Klimakatastrophe
unabdingbar ist. Eine Nummer kleiner wäre mittlerweile schon zu klein.
12.09.2024
Am 06.09. teilte das Forum Flughafen und Region per Pressemitteilung mit, dass das 2018 beschlossene Maßnahmeprogramm Aktiver Schallschutz "weitgehend abgearbeitet" sei. FFR-Vorstandsmitglied Quilling durfte in der Pressekonferenz verkünden: "Mit der Umsetzung des Maßnahmenprogramms wurde ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung der Lärmbelastung in der Region geleistet", aber mehr Details gibt es nicht.
Die angebliche "Reduzierung der Lärmbelastung", die sich ja in einer
"Abnahme der Indexwerte"
des "Frankfurter Fluglärmindex" FFI 2.0 widerspiegeln sollte (denn dafür
wurde er ursprünglich gemacht), lässt sich nicht nachvollziehen, da der zuletzt
für das Jahr 2019
berechnet (bzw. veröffentlicht) wurde.
Natürlich war schon 2018 klar, dass die Aussage,
"dass es in der Region leiser wird",
eine Lüge war, und inwieweit die
Lärmverschiebungen,
die durch das Maßnahmeprogramm oder
andere Effekte
bewirkt wurden, die Zahl der Hochbelasteten verändert haben, lässt sich kaum nachvollziehen. Dennoch waren diese Verschiebe-Maßnahmen so etwas wie die Höhepunkte dieses Maßnahmeprogramms, denn sie wurden immerhin, wenn auch mit massiven Problemen, umgesetzt und haben Wirkungen erzielt, auch wenn deren Bilanz für viele negativ ist. Die "Maßnahme" aber, derentwegen die Pressekonferenz zum jetzigen Zeitpunkt durchgeführt wurde, kann man nur als komplette Bauchlandung bezeichnen.
Mitgeteilt wurde da nämlich auch, dass "die Untersuchung von Startverfahren ... in der heutigen Sitzung des Konvents des FFR vorgestellt" wurde, und der Versuch, "mittels Berechnungen herauszufinden, welches Startverfahren für die Umgebung des Frankfurter Flughafens das insgesamt lärmgünstigere ist", lieferte demnach das gewünschte Resultat:
Im Ergebnis zeigen die Auswertungen und Berechnungen der Untersuchung kein Anzeichen dafür, dass das Steilstartverfahren substanziell und in der Fläche einen entscheidenden Vorteil für den Standort Frankfurt bringen würde.Zusätzlich stellt das FFR noch ein Gutachten, einen Endbericht und diverse Infografiken zum Download bereit, mit denen diese Aussage untermauert werden soll. Hintergründe dazu werden nicht mitgeteilt. Schon bei der Vorstellung der Maßnahme 2018 wurde so getan, als solle ganz wertneutral untersucht werden, welches Startverfahren lärmtechnisch für die Region am günstigsten ist. Die Vorgeschichte dieser Diskussion reicht allerdings deutlich weiter zurück.
Bereits im ersten Maßnahmeprogramm Aktiver Schallschutz des FFR 2010 gab es eine Maßnahme
Vertikale Optimierung von Abflugverfahren,
von der es hiess:
"Diese Maßnahme zielt darauf ab, dass Flugzeuge nach dem Start schneller an Höhe gewinnen und sich somit der Abstand zwischen Lärmquelle und Boden schneller erhöht". Damals hatte niemand Zweifel daran, dass steilere Starts zu einer geringeren Lärmbelastung im Umfeld führen würden.
Das änderte sich erst, als Lufthansa Anfang 2013 begann, ein neues Abflugverfahren ("Flachstart-Verfahren") anzuwenden, mit dem Treibstoff eingespart werden sollte, angeblich ohne die Lärmbelastung wesentlich zu verändern. Wir haben ganz unten in unserem Archiv zwei Kommentare gefunden, die das
damalige Vorgehen der Lufthansa
und das
geplante Monitoring
beschreiben. Unsere sonstigen Beiträge aus dieser Zeit finden sich
hier.
Das FFR war schnell zu Diensten, machte aus dem veränderten Verfahren eine Schallschutz-Maßnahme namens
Cutback Lufthansa
und monitorte ein Jahr lang - ohne belastbare
Ergebnisse.
Das nahm Lufthansa als Freibrief, das Verfahren weiter fortzuführen.
Das in der Maßnahme 2018 beauftragte Gutachten
"Untersuchung des Startverfahrens am Flughafen Frankfurt"
wurde dem Auftraggeber UNH/FFR im Februar 2022 übermittelt, aber es dauerte noch zweieinhalb Jahre, bis daraus der Endbericht des "Expertengremiums Aktiver Schallschutz" (ExpASS) wurde. Er enthält noch mehr Rechenübungen und viele bunte Bildchen, die belegen sollen, dass im Grunde sogar das Flachstartverfahren leiser ist als die früher praktizierten Verfahren.
Es gibt eine Menge Gründe, warum das nicht glaubhaft ist. Einige davon nennt der Endbericht selbst.
So wird in der Zusammenfassung ausgeführt:
"Das Vorgehen entspricht ... dem bestmöglichen, mit begrenzten Ressourcen leistbaren."
Schon die Präsentation des Berichts, der trotz der langen Bearbeitungszeit eine Vielzahl von Fehlern, Unsauberkeiten, unklaren Formulierungen, Verwechselungen usw. enthält, zeigt, dass die Ressourcen sehr begrenzt gewesen sein müssen. Schlimmer ist allerdings, dass sich das offenkundig auch drastisch auf die gewählten Methoden ausgewirkt hat. Das geht soweit, dass
"das Vorgehen einigen Einschränkungen"
unterlag, die dazu führen,
"dass eine Übertragbarkeit auf die Realität nicht automatisch als gegeben angenommen werden kann".
Dass die Behauptungen in der Präsentation dieses Berichts mit der Realität nicht viel zu tun haben, liegt allerdings nicht nur daran.
Vergleich der "äquivalenten Dauerschallpegel" zwischen Steilstart- (NADP1) und Flachstart-Verfahren (NADP2). Insgesamt sind die berechneten Unterschiede gering, aber dort, wo die Belastungen durch Starts am höchsten sind (Spitze der Startbahn West und Beginn Südumfliegung, hellgrüne Bereiche) bringt das Steilstart-Verfahren Entlastung, während in den etwas geringer belasteten Bereichen Zunahmen auftreten.
Die Lärmindex-Auswertung verschleiert dieses Ergebnis. Würden die Berechnungen die Realität halbwegs widerspiegeln, hätte bestenfalls Mörfelden Grund, für das Flachstart-Verfahren einzutreten.
Tatsächlich beruht die Aussage über die Vorteilhaftigkeit des Flachstartverfahrens noch auf einem weiteren Interpretationsschritt, der nur als bewusste Irreführung bezeichnet werden kann. Auf Basis der im Gutachten berechneten Unterschiede in den Parametern Lmax, dem Maximalpegel, und SEL (Sound Exposure Level, der die Dauer des Geräuschs berücksichtigt) konstruiert der ExpASS-Bericht sog. Szenarien, mit denen auch ein Dauerschallpegel für die "6 verkehrsreichsten Monate" abgeschätzt wird, und daraus werden mit den Methoden des FFI 2.0 Indexpunkte für die Gesamtregion berechnet, die dann um wenige Prozent bessere Werte für das Flachstartverfahren liefern.
Der üble Trick dabei: während die "Footprints", die nur für die Startbahn West berechnet wurden, noch sehr deutlich zeigen, dass das Steilstartverfahren die besonders belasteten Kommunen (an der Startbahn West also Büttelborn mit den Ortsteilen Klein-Gerau und Worfelden) etwas entlastet, und auch in den (bestenfalls grob abgeschätzten) Dauerschallpegel-Vergleichen Entlastungen an der Spitze der Startbahn West und auch am Beginn der Südumfliegung sichtbar sind (s. nebenstehende Karte), ergeben die Indexpunkte für die Gesamtregion aufgrund geringfügiger Entlastungen in niedrigen Pegelbereichen wegen der dort hohen Bevölkerungszahlen einen Vorteil für die Flachstartverfahren.
Konkret sagt der Bericht:
"Die größten Abnahmen durch NADP2 über alle Gebiete hinweg finden in Frankfurt am Main, Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Rüsselsheim statt."
Da dort relativ viele Menschen wohnen, führen schon kleine Abnahmen zu einem relativ grossen Rückgang in der Zahl der "Hochbelasteten", die für den FFI relevant ist. Wenn gleichzeitig relativ wenige Menschen im Raunheimer Süden und den Ortsteilen Büttelborns, wo ohnehin schon viele Hochbelastete leben, noch ein bißchen höher belastet werden, wird das im Index kaum sichtbar.
Hier wird nicht nur erneut die Fragwürdigkeit der Methoden der Lärmbewertung des FFR deutlich, hier wird auch einmal mehr klar, wie sehr die Ergebnisse von den Wünschen von Lufthansa und Fraport abhängen. Einen Bericht vorzulegen, der im Grunde aussagt, "unsere Ergebnisse haben mit der Realität nichts zu tun, aber sie entsprechen den Wünschen unserer Auftraggeber, und damit ist gut", traut sich sonst kaum jemand, aber für diese Institution der Landesregierung wird das zunehmend normal.
Dass dann eine Figur wie der FFR-Vorsitzende Wörner noch die Frechheit besitzt, sich zitieren zu lassen mit den Worten:
"Das Thema Startverfahren am Standort Frankfurt wird in der Arbeit des FFR weiterhin eine Rolle spielen. Das ExpASS wurde beauftragt zu prüfen, wie die Ergebnisse durch Messungen ergänzt werden können", obwohl er genau weiss, dass seit über 10 Jahren hätte gemessen werden können und auch auswertbare Daten und bessere Methoden zur Berechnung (z.B. aus dem NORAH-Projekt) vorliegen, passt ins Bild.
Die Ankündigung, dass
"das Forum Flughafen und Region in den nächsten Wochen eine internationale Ausschreibung für eine „Potenzialstudie Aktiver Schallschutz”"
starten wird, die
"weitere realisierbare Potenziale des aktiven Schallschutzes für den Standort Frankfurt"
aufzeigen soll,
"um die Lärmbelastung der Betroffenen zu reduzieren",
klingt vor diesem Hintergrund erst recht wie eine Bankrotterklärung.
Nach zwei "Maßnahmeprogrammen", die diesen Namen kaum verdienten, fällt ihnen offensichtlich absolut nichts mehr ein, womit sie noch Aktivität vortäuschen könnten. Vielleicht sollten sich die BIs für diese Studie bewerben, um genauer erforschen zu können, welche Lärmwirkungen ihre Kernforderungen haben würden:
Zeitgemäße Aktionen, unzeitgemäße Kriminalisierung.
(Text auf deutsch: Gesucht! Wegen Unterbrechung des Kerosinverbrauchs und ernsthafter Gefährdung langfristiger Profite!
Belohnung, bezahlt von Big Oil.)
23.08.2024
Die Aktionen, die Ende Juli u.a. auch
am Frankfurter Flughafen
begonnen haben, wurden in den letzten Wochen
fortgesetzt,
in Deutschland u.a. an den Flughäfen
Leipzig/Halle,
auf Sylt,
in Dortmund
und
am 15.08.
an den Flughäfen Berlin, Stuttgart, Nürnberg und Köln/Bonn.
Eine internationale
Übersicht
berichtet:
"Über mehr als drei Wochen haben Unterstützer*innen von mehr als 20 Gruppen in 14 Ländern in Europa, Nordamerika und Afrika ... Flughäfen blockiert und sind in friedlichem Protest auf die Strasse gegangen. Ihre Forderung: ein verbindlicher Vertrag über Fossile Brennstoffe zur Einstellung der Nutzung von Öl, Gas und Kohle bis 2030, mit der Unterstützung ärmerer Länder für einen fairen Übergang."
(eigene Übersetzung)
Die Übersicht muss aber auch feststellen:
"Diese Welle von Aktionen wurde gefolgt von den schärfsten Gefängnisstrafen, die je in Europa gegen Klimaaktivist*innen verhängt wurden ... . Behörden nahmen zahlreiche Durchsuchungen und Verhaftungen vor." (eigene Übersetzung).Führend bei der Kriminalisierung ist dabei Grossbritannien, wo die neue Labourregierung den rigorosen Kurs der konservativen Vorgänger bruchlos weiterführt und Urteile durchsetzt, die selbst einen ihrer Großspender veranlasst, mit Hinweis auf aktuelle, relativ milde Urteile gegen rechtsradikale Randalierer mehr Verhältnismäßigkeit zu verlangen. Der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte von Umweltaktivist*innen bezeichnet die Urteile als "schockierend" und "nicht akzeptierbar in einer Demokratie ...". (eigene Übersetzung)
Deutschland, das in der
Kriminalisierung von Klimaprotesten
ohnehin einschlägige Erfahrung hat, steht dem englischen Beispiel kaum nach. Während der Dachverband der Betreiber grosser Flughäfen ADV der "Letzten Generation" scheinheilige
Gesprächsangebote
macht, werden
Hausdurchsuchungen
durchgeführt und mit absurden Begründungen
DNA-Probenahmen
angeordnet. Schon länger versuchen Staatsanwälte, die Organisation als
Kriminelle Vereinigung
zu diffamieren.
Und während die Bundesregierung Probleme hat, das auf EU-Ebene vereinbarte
Gesetz
zur Sicherung kritischer Infrastrukturen, dass auch Flughäfen zu besseren (und teureren) Sicherungsmaßnahmen verpflichten würde, gegen
Lobbyinteressen
durchzusetzen, soll eine Verschärfung des
Luftsicherheitsgesetzes,
die höhere Strafen für Proteste an Flughäfen vorsieht, nun ganz schnell über die Bühne gehen.
Natürlich wird auch die Methode, die Aktivist*innen ökonomisch zu ruinieren mit sog.
SLAPP-Klagen,
mit denen wir auch in der Rhein-Main-Region
Erfahrung haben,
sowohl
in UK
als auch von
Fraport,
Lufthansa
und
Bundespolizei
eingesetzt.
(Achtung, Ironie:)
Inwieweit auch manche Formen der Panikmache zu dieser Kampagne gehören, bei denen Angst davor geschürt wird, dass böse Feinde
Schläfer aktivieren
oder die
Einsatzbereitschaft der Flugbereitschaft
der Bundeswehr sabotieren, die die Präsenz von Mitgliedern der Bundesregierung bei
wichtigen Ereignissen
sicherstellen muss, wäre noch zu klären.
(Ironie aus)
Angesichts dieser Entwicklungen sollte eigentlich klar sein, dass eine Verteidigung des Rechts auf zivilen Ungehorsam und kritische Solidarität mit den kriminalisierten Aktivist*innen die einzig mögliche Haltung für alle ist, die die Analyse der drohenden Gefahr durch die eskalierende Klimakatastrophe und ihrer Verursacher und die Ziele einer fossil-freien, global gerechteren Welt teilen. Natürlich kann man der Auffassung sein, dass ihre Aktionen nicht zielführend, unangemessen, zu hohe Opfer fordernd oder im schlimmsten Fall auch kontraproduktiv und ihre Ziele nicht realistisch sind. Man sollte Ihnen aber nicht absprechen, dass sie ernsthaft, gut informiert und mit hohem moralischen Anspruch für die richtige Sache eintreten.
Tatsächlich aber werden sie nicht nur von reaktionären und rückwärtsgewandten Politiker*innen beschimpft, sondern auch von BI-Vertretern in Zeitungsartikeln als "Idioten" bezeichnet oder in öffentlichen Foren als fehlgeleitete Jugendliche hingestellt, die von alten Strippenziehern im Hintergrund für nicht näher beschriebene sinistere Zwecke mißbraucht werden. Auch mit solchen Gehässigkeiten werden sie als nicht ernstzunehmen diffamiert und man vermeidet, sich mit ihren Argumenten auseinandersetzen zu müssen.
Glücklicher Weise gibt es aber auch überall fortschrittliche Politiker*innen und Teile der Umweltbewegung, denen das Schulterklopfen von der Gegenseite und die Anerkennung ihrer bürgerlichen Wohlanständigkeit weniger wichtig sind als das konsequente Eintreten für die richtigen Inhalte und das nachdrückliche Hinweisen auf die gravierenden Versäumnisse der aktuellen Politik und die dringende Notwendigkeit umfassender Veränderungen. Sie haben begriffen, dass die Keulen, die jetzt gegen die Letzte Generation und ähnliche Organisationen geschwungen werden, ohne zu zögern auch gegen sie selbst eingesetzt werden, wenn ihre Aktionen und Forderungen das offizielle "Weiter so" ernsthaft gefährden sollten.
Und die aktivistischen Gruppen lassen sich davon wohl erst recht nicht abschrecken. In der jüngsten
Stellungnahme
verkündet "Oil kills" zwar eine
"Pause in den internationalen kollaborativen Aktionen, um den Politiker*innen Zeit zu geben, die Forderungen zu prüfen" (eigene Übersetzung),
stellt zugleich aber auch fest:
"Die Fortführung der Extraktion und Verbrennung von Öl, Gas und Kohle ist ein Akt des Krieges gegen die Menschheit. Es wird hunderte Millionen Menschen töten, ... einen Runaway-Treibhauseffekt auslösen und einen unaufhaltsamen Prozess des globalen sozialen Zusammenbruchs in Gang setzen."
und warnt:
"Ihr könnt Euch nicht nicht mit Verhaftungen herauswinden, so wenig wie man eine Flut einsperren oder einen Waldbrand verbieten kann. Wenn ihr weiter die Realität ignoriert, werden weiter Menschen die Sache in die eigenen Hände nehmen und tun, was nötig ist. Wir werden weiter zum Schutz der Menschheit handeln und die Maschine stoppen, die das Elend verursacht - die globale Fossil-Wirtschaft".
(eigene Übersetzung)
"We aren't done yet - Wir sind noch nicht fertig"
28.07.2024
Mit einer harmlos klingenden Pressemitteilung ("Ultrafeinstaubstudie SOURCE FFR – Gesundheitsstudie ausgeschrieben") verkündet das "Forum Flughafen und Region / Umwelthaus" einen drastischen Einschnitt im geplanten Umfang der Wirkungsstudie ("exposure and health") von SOURCE FFR.
Von den im vorher beauftragten
Studien-Design
vorgeschlagenen sechs Teilstudien, die ein Gesamtkonzept bilden sollten, enthält die Ausschreibung lediglich zwei. Darunter ist eine Schreibtisch-Studie, die zu den preiswerten Elementen des Konzepts gehört (6 % der Gesamtkosten lt. Kostenkalkulation im Studien-Design).
Das ist noch weniger als das im Design wohl als wissenschaftlich gerade eben noch sinnvoll beschriebene Minimal-Konzept 1, das aus drei Elementen besteht und von dem es dort heisst:
"Die kausale Aussagekraft eines solchen Programms wäre ... erheblich eingeschränkt."
Die "Wissenschaftliche Qualitätssicherung" des Projektes hatte vom FFR
"unter anderem aufgrund der damit einhergehenden Kostenfolgen"
den Auftrag,
"zwischen den Vor- und Nachteilen verschiedener Module"
abzuwägen und
empfiehlt
immerhin noch vier Teilstudien zur Umsetzung.
Aber wissenschaftliche Argumente spielen hier offensichtlich keine Rolle.
Die Erklärung für diese Entwicklung, die in deutlichem Widerspruch zu früheren Aussagen steht, kann eigentlich nur in der Kostenkalkulation liegen. Die Schätzung für die beiden ausgeschriebenen Module beläuft sich auf 2,2 Mill. Euro, weniger als 30 % der Kosten für das Gesamtkonzept und weniger als 60 % der Kosten für das Minimalkonzept der Designstudie.
Noch weniger zu beauftragen wäre praktisch gleichbedeutend mit einem Verzicht auf eine Wirkungsstudie und politisch wohl zu riskant. Die schon über ein Jahr laufende vertraglich festgelegte Belastungsstudie wird zwar auch eigenständig Ergebnisse liefern, die aber überwiegend von wissenschaftlichem Interesse sind und wenig direkten Nutzen für die Bevölkerung bringen. Die Ergebnisse garnicht dafür zu nutzen, Aussagen über die gesundheitlchen Risiken zu machen, wäre ein allzu offensichtlicher Betrug.
Betrug bleibt es natürlich trotzdem, u.a. auch deshalb, weil das Modul, das nach WQS-Einschätzung einen besonderen
"Erkenntnisgewinn für Institutionen, die für Festlegung von möglichen Immissionsgrenzwerten und Immissionsrichtwerten zuständig sind",
liefern sollte, nicht beauftragt wird. Einen Beitrag zur notwendigen Festlegung von Grenzwerten für die Ultrafeinstaub-Belastung zu liefern war aber eines der Hauptversprechen dieses Projekts, das nun offensichtlich nicht mehr gelten soll.
Zusammen mit den bereits in der Konzeption der Wirkungsstudie
angelegten Mängeln
ergibt sich also das Bild einer politisch nicht zu vermeidenden Schein-Aktivität, die notwendig ist, um ein ungeliebtes Projekt endgültig zu beerdigen.
Solche Entscheidungen werden natürlich nicht von subalternen Gremien wie dem
FFR-Koordinierungsrat
getroffen. Die Verantwortung dafür trägt der Auftraggeber, der nur formal im Umwelthaus in Kelsterbach sitzt. UNH und FFR sind Einrichtungen des hessischen Wirtschaftsministeriums, dass die wesentlichen Leitlinien von deren Handeln bestimmt. Man muss allerdings zunehmend den Eindruck gewinnen, dass auf dem dortigen Ministersessel nur ein Grüßaugust sitzt, so dass die eigentliche Verantwortung bei der Landesregierung und der sie dominierenden CDU liegt.
Die hält es offensichtlich nicht mehr für notwendig, Geld auszugeben, um auf Ängste und Bedenken in der Bevölkerung einzugehen und dabei zu riskieren, dass Wirtschaftsinteressen irgendwie in Gefahr geraten könnten. Künftig soll wohl ein Dekret aus der Staatskanzlei ausreichen, um festzulegen, dass alles so sein muss, wie es ist, und Nörgler zum Schweigen zu bringen.
Eine Opposition im Landtag, die eine solche Entwicklung hinterfragen könnte und wollte, gibt es seit der letzten Wahl nicht mehr. Die kommunalen Vertreter*innen in den Gremien des FFR haben bisher auch nicht erkennen lassen, dass sie sich für einen anderen Weg einsetzen wollen. Ob und wie die Fluglärmkommission sich dazu äussern will, werden wir nach deren nächster Sitzung Anfang Oktober wissen. Alles in allem aber hat die Landesregierung wohl gute Chancen, dass auch dieser Skandal im Sommerloch untergeht.
26.07.2024
Am Donnerstag, dem 25.07., sprudelten die deutschen Leitmedien mal wieder über vor Empörung, und Parteien von CDU bis BSW überschlugen sich mit Diffamierungen und Verurteilungen.
Aktivist*innen der
Letzten Generation
und anderer Gruppen waren im Rahmen der internationalen Kampagne
Oil kills
gegen 5 Uhr morgens (zu Betriebsbeginn) durch den Flughafenzaun
aufs Vorfeld gelangt
und klebten sich an verschiedenen Stellen fest.
Laut
Fraport-Pressemitteilung
"wurde umgehend der Flugbetrieb am gesamten Flughafen zeitweise eingestellt. Seit 7:50 Uhr sind alle Start- und Landebahnen wieder in Betrieb". Die
Pressemitteilung
der Polizei ergänzt,
"Gegen 10:15 Uhr konnten mit dem Lösen der letzten Person alle Maßnahmen vor Ort beendet werden."
Die Zahl der
ausgefallenen Flüge
wurde am Abend mit "ca. 270" angegeben.
Von den unmittelbar Betroffenen werden sich etliche gefreut haben, dass sie über zwei Stunden länger ungestört schlafen konnten, anderen
"platzt die Hutschnur",
weil sie entsprechend länger auf ihren Urlaubsflug warten mussten.
Bereits am Tag vorher hatten
ähnliche Aktionen
am Flughafen Köln/Bonn und sechs anderen europäischen Flughäfen stattgefunden, ebenso in
Montreal und Boston.
Am Donnerstag gab es ebenfalls noch eine Aktion
in Oslo,
weitere sind angekündigt.
Die politischen Reaktionen waren weitestgehend vorhersehbar. Aus der rechten Ecke kommen die üblichen Forderungen nach weitergehender
Kriminalisierung von Klimaprotesten,
härteren Strafen und sicherheitstechnischer Aufrüstung. Wissing, Poseck, Rhein & Co. faseln von
"Gefährdung von Menschenleben"
(das hat bisher noch kein Gericht so gesehen), Frau Faeser nennt die Aktionen
"gefährlich, dumm und kriminell".
Andere rechte Staatsverteidiger schreien nach
Präventivhaft,
Fussfesseln
und
anderen Folterinstrumenten.
Wenn man diese Reaktionäre Gift und Galle spucken hört und mitansieht, wie sie in ihrem Hass jedes Maß verlieren und ihre Argumentation noch unter Stammtisch-Niveau absinkt, kann man erkennen, dass die Proteste tatsächlich einen Nerv getroffen haben.
Aber selbst die Namenspatronin des Bündnisses BSW, Sarah Wagenknecht, kann sich einen populistischen Spruch nicht verkneifen und
diffamiert die Aktivist*innen
als geistig benebelt:
"Wer meint, man müsse Kindern und Familien den Abflug in die #Sommerferien versauen und wir könnten bis 2030 aus fossiler Energie aussteigen, hat nicht nur Klebstoff an den Händen, sondern vor allem zu lange daran geschnüffelt."
Immerhin deutet da ein Halbsatz auf die Inhalte hin, um die es den Aktivist*innen aktuell geht. Die Kampagne "OIL KILLS" ("Öl tötet") versteht sich als "globaler Aufstand", der mit gewaltfreien, öffentlichkeits-wirksamen Aktionen die Ziele der Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative unterstützen will. Diese Initiative wurde von 13 pazifischen Inselstaaten gegründet, die von der Klimakatastrophe am härtesten getroffen sind, nachdem klar wurde, dass auch die letzte Weltklimakonferenz, COP 28, keinen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen beschliessen würde. Ihr Ziel ist, ergänzend zu den 2015 beschlossenen Pariser Klimazielen, einen "Nichtweiterverbreitungs-Vertrag" für fossile Brennstoffe abzuschliessen, der insbesondere die wohlhabenden westlichen Industriestaaten verpflichtet, schnellstmöglich aus der Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen und den ärmeren Staaten einen fairen Übergang zu erneuerbaren Energien zu ermöglichen.
Eine solche Initiative ist umso dringender, als
neue Recherchen
gezeigt haben, dass in jüngster Zeit im
Widerspruch zu den Pariser Klimazielen
wieder massenhaft Lizenzen für neue Öl- und Gasfelder vergeben wurden, und zwar nicht in erster Linie von den klassischen "Petrostaaten" Saudi-Arabien, VAR, Russland usw., sondern den
anderen Petrostaaten,
die eigentlich die Transformation des globalen Energiesystems anführen sollten: in erster Linie die USA, Kanada, Grossbritannien und Norwegen, aber in zweiter Linie auch Staaten wie Deutschland.
Würden alle diese Projekte umgesetzt, wäre die Welt noch für viele Jahrzehnte an das fossile Energiesystem gebunden und
die Emission von Treibhausgasen würde nahezu ungebremst weitergehen.
Dass der Luftverkehr ein
wesentlicher Treiber
auf diesem Weg ist, hat er immer wieder deutlich gemacht.
Der UN-Generalsekretär, der erst anlässlich des Weltumwelttages am 5. Juni "die Paten des Klimachaos - die fossile Brennstoff-Industrie" angeprangert und "das Ende des Zeitalters fossiler Brennstoffe" gefordert hat, hat die Temperaturrekorde dieser Woche zum Anlass genommen, einen neuen Aufruf zur Aktion gegen "extreme Hitze" zu starten, in dem es heisst:
"Ich muss die Flut an Ausdehnungen der Nutzung fossiler Energien anprangern, die wir gerade in den wohlhabendsten Staaten sehen. Indem sie eine solche Flut neuer Lizenzen unterschreiben, schreiben sie unsere Zukunft ab.
Diejenigen mit den grössten Möglichkeiten und Kapazitäten müssen voran gehen. Die Länder müssen aus fossilen Brennstoffen aussteigen - schnell und fair. (eigene Übersetzung)
Vor diesem Hintergrund stellen sich die oben aufgeworfenen Fragen nochmal neu: Wer sorgt für "Gefährdung von Menschenleben"? Wer handelt "gefährlich, dumm und kriminell"? Wer ist nicht mehr ganz klar im Kopf?
Die Antwort ist offensichtlich: die Aktivist*innen, die unter grossen persönlichen Opfern mit spektakulären Aktionen auf die Gefahren hinweisen, sind es nicht. Es sind diejenigen, die den klimaschädlichen Flugverkehr weiter wachsen lassen und damit ein rücksichtsloses Tourismus-System, das weltweit immense soziale und ökologische
Schäden anrichtet,
ohne Rücksicht auf Verlust weiter betreiben und sogar noch ausdehnen wollen. Wer denen entschieden, aber gewaltfrei entgegen tritt, steht für die richtige Sache und hat höchste Achtung verdient.
Natürlich kann man darüber streiten, ob die Aktionsform angemessen, wirksam und sinnvoll ist. Strafverfolgung und lebenslange Verschuldung sind ein sehr hoher Preis für ein zwar deutliches, aber doch vergängliches Signal.
Wenn aber z.B. ein
FR-Kommentator
meint, die Aktionen helfen der Klimaschutzbewegung nicht, denn jetzt müsse es
"darum gehen, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie einen Beitrag für die Zukunft der Welt leisten müssen",
dann formuliert er nur aus, was Politiker*innen gerne hätten, die sich über die LG-Aktionen so empören: einen "Klima-Dialog", der sich "an alle" richtet und folgenlos bleibt.
Dass die Klimakatastrophe eine reale Gefahr ist und schon heute massive Schäden anrichtet, bezweifelt fast niemand mehr, und die meisten dürften inzwischen genügend Angst vor den kommenden Folgen haben, um bereit zu sein, ihren Beitrag zu leisten, wenn er fair bemessen ist. Entscheidend ist jetzt, deutlich zu machen, welche Kräfte ein entschiedenes Vorgehen gegen klimaschädigende Aktivitäten und für eine faire sozial-ökologische Transformation verhindern.
Der UN-Generalsekretär hat es deutlich gesagt: es ist die Fossil-Industrie und ihre Lobby, deren Aktivitäten uns immer näher an den Abgrund bringen, weil sie aus Profitgründen gegen jede Vernunft und wissenschaftliche Erkenntnis die Emission von Treibhausgasen weiter steigern. Sie anzugreifen und ihr Treiben einzudämmen, ist der einzig mögliche Weg. Flughäfen als Akteure, die besondere fossile Exzesse ermöglichen und dies auf absehbare Zeit nicht ändern werden, sind richtige Orte für Aktionen. Sie müssen und werden dort weitergehen, mit oder ohne Klebstoff.
Der Entwurf wurde kurz vor Schuljahresende vorgelegt.
Wäre er ein Prüfungsdokument, wäre die Note eindeutig.
20.07.2024 (Update 07.08.2024)
Es hat wieder mal deutlich länger gedauert als geplant, aber jetzt soll alles ganz schnell gehen. Ende Juni hat das Regierungspräsidium Darmstadt im Rahmen der "4. Runde der Lärmaktionsplanung für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main" zur
2. Öffentlichkeitsbeteiligung (ÖB)
aufgerufen, und bis zum 7. August haben allen Betroffenen noch Gelegenheit, den vorgelegten Entwurf für eine "Fortschreibung" des LAP zu kommentieren.
Noch in diesem Jahr soll dann die Endfassung beschlossen werden.
In einer
Präsentation
für die Fluglärmkommission erklärt das RP als zuständige Behörde, wie es gemeint ist. Neu ist als Ergebnis der 1. ÖB nur die Einordnung und Bewertung einiger Maßnahmen, und die Darstellung des Maßnahme-Katalogs ist bunt geworden.
Damit ist klar, dass die auch von der EU kritisierten
gravierenden Mängel
der Lärmaktionsplanung nicht behoben werden sollen, der neue Plan soll in nahezu allen Punkten genauso aussehen wie der alte. Damit gilt auch dafür die Einschätzung, die die KAGZRM bereits in der 1. ÖB
abgegeben hat:
"Der vorgelegte Lärmaktionsplan ... entspricht nicht den unionsrechtlichen und nationalen Regelungen zur Ermittlung der Belange und der Inhalte des Lärmaktionsplans".
Die Fluglärmkommission lässt sich bedauerlicherweise auf diese Vorgehensweise ein und mahnt in einem
Beschluss
lediglich die schnellere Umsetzung ihrer Vorschläge an, soweit sie in den Entwurf übernommen wurden.
Dass ihre Vorschläge zu einer Lärmminderung für die Nacht abgelehnt wurden, ist ihr lediglich einen Ausdruck des Bedauerns wert.
Das vorgelegte Papier selbst macht den Eindruck, als solle schon die Form verdeutlichen, dass es sich nicht um ein irgendwie ernst zu nehmendes Dokument handelt. Was als
Allgemeiner Teil
zum Download angeboten wird, wirkt wie das vollständige Papier mit einem kompletten Inhaltsverzeichnis ohne Hinweis auf irgendwelche weiteren Teile. Lediglich beim Durchblättern fällt auf, dass auf Seite 115 Seite 224 folgt und Kapitel 12 fehlt.
Der als
Maßnahmenplanung (Kapitel 12)
angebotene zweite Download beginnt dann auch mit Seite 116 und genau dieser Überschrift, lediglich die Fusszeile gibt einen Hinweis darauf, wozu das Ganze gehört und wo die erwähnten Anlagen zu finden sein könnten.
Inhaltlich macht dieses Aufteilung überhaupt keinen Sinn. Zwar ist das ganze Papier mit allgemeinen Aussagen überfrachtet, die nur zum kleineren Teil in die Anlagen ausgelagert sind. Aussagen zur aktuellen Umsetzung finden sich aber über beide PDF-Dokumente verstreut.
Schlimmer ist allerdings, dass offensichtlich keineswegs alle neu vorgeschlagenen Maßnahmen im Original aufgenommen und bewertet wurden. Erst recht wurden Argumente, warum vorhergehende Bewertungen neu zu betrachten wären, weitgehend übergangen. Es wäre allerdings mühsam und nutzlos, das im Einzelnen zu belegen. Alles, was in diesen Prozess an Vorschlägen und Argumenten eingebracht wird, kann nur dazu dienen, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, was möglich und notwendig wäre. In diesem Sinne werden wir auch unsere
Stellungnahme
aus der 1. ÖB nochmal ergänzen, wenn die Zeit reicht. Am Vorgehen des RP wird das natürlich nichts ändern.
Man kann daher diesen Entwurf ebenso wie den Vorgänger-Plan
als Farce
betrachten, aber vielleicht wäre es wichtiger, die dahinter stehenden politischen Aussagen hervorzuheben und zu kritisieren.
Die lauten zusammengefasst:
Stünden diese Aussagen so in der Zusammenfassung des RP-Dokuments, wäre das vielleicht doch noch Anlass zu einigen Diskussionen. Da sie aber in einem Wust von unstrukturierten technischen und juristischen Ausführungen versteckt sind, entgehen sie der öffentlichen Aufmerksamkeit. Nichtsdestotrotz bestimmen sie die Handlungen der politischen Kräfte auf Bundes- und Landes-Ebene. Der Skandal geht weiter.
- Die Ziele der EU-Umgebungslärm-Richtlinie stehen im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen des Flughafens und können daher nicht eingehalten werden.
- "Lärmminderung" ist aus dem gleichen Grund nur relativ zu einem angenommenen "business-as-usual"-Fall möglich, absolut wird der Lärm zunehmen.
- Das damit weiter steigende Risiko der Zunahme lärmbedingter Erkrankungen und Todesfälle ist in Kauf zu nehmen.
Wie angekündigt, haben wir es geschafft, unsere
Stellungnahme
auch in der "2. Öffentlichkeitsbeteiligung" nochmal einzureichen. Die meisten Ergänzungen beziehen sich darauf, zu bemängeln, dass unsere Forderungen im vorgelegten Entwurf für den neuen Lärmaktionsplan entweder garnicht berücksichtigt oder unzureichend gewürdigt wurden - "business as usual" also.
Eine Ergänzung hat allerdings einen etwas anderen Charakter und soll deshalb hier vollständig zitiert werden:
Rechtliche Grundlagen
Der vorgelegte Entwurf ist eine kaum veränderte Fortschreibung des derzeit gültigen Lärmaktionsplans, der laut Kritik der EU-Kommission an der bisherigen Lärmaktionsplanung absolut unzureichend und nicht geeignet ist, die auf EU-Ebene beschlossenen Lärmminderungsziele zu erreichen.
Wir fordern daher, den Entwurf zurückzuziehen und einen neuen auszuarbeiten, der den unionsrechtlichen Anforderungen entspricht und u.a. auch die von uns in der vorliegenden und in früheren Stellungnahmen vorgetragenen Forderungen neu bewertet.
Ersatzweise fordern wir, dass die nachfolgenden Erwägungen und Forderungen noch in dem vorgelegten Entwurf berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass die im Text des Aufrufs zur Beteiligung versteckt am unteren Ende getroffene Aussage:
„Neue, bisher nicht aufgezeigte Maßnahmenvorschläge sind nicht Gegenstand dieser Öffentlichkeitsbeteiligung.
Diese können erst in der 5. Runde der Lärmaktionsplanung, ab 2027, bearbeitet werden.“
keinerlei Rechtsgrundlage hat, Sinn und Absicht der Lärmaktionsplanung in grober Weise widerspricht und keinesfalls zur Anwendung kommen darf.
Je länger man in dem vom RP vorgelegten "Entwurf" herumliest, desto mehr staunt man über die Dreistigkeit, mit der in diesem Text rechtliche Vorgaben ignoriert, umgangen oder verfälscht werden, um den Interessen der Luftverkehrswirtschaft entgegen zu kommen. Aber unabhängig davon, ob das vielleicht auch der Faulheit, Ignoranz oder Unfähigkeit irgendwelcher Bürokraten im RP entgegen kommt: das ist nur die ausführende Behörde, die politische Verantwortung für den ganzen Prozess liegt bei der Landesregierung.
Dass rechtliche Vorgaben und Kritiken der EU komplett ignoriert und die Beteiligungsrechte der Bürger*innen und ihrer Interessensvertreter*innen drastisch eingeschränkt werden (neue Vorschläge erst wieder in ein paar Jahren !!), entscheidet kein Regierungspräsident. Wer genau in Wiesbaden das so bestimmt hat, ist nicht leicht herauszufinden, aber dass letztendlich die CDU und die sie steuernden Lobbykräfte entscheidend sind, ist offenkundig.
Wenn also auch im Bereich der Lärmbekämpfung neue Erkenntnisse über Gesundheitsgefahren, Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Eindämmung und Vermeidung von der Landesregierung mit einem nachdrücklichen "Weiter wie bisher" beantwortet werden, dann hilft es nicht, nur an Verfahrensdetails herumzumäkeln.
Die Aufgabe besteht darin, auch anhand dieses Beispiels deutlich zu machen, dass die Sicherung gesundheitsfördernder Lebensbedingungen und der Schutz von Umwelt und Klima nur gegen die rückwärtsgewandte Politik der Landesregierung und gegen die Profitinteressen der Luftverkehrswirtschaft durchgesetzt werden können. Aufzuzeigen, was geschehen müsste, kann dabei hilfreich sein (deshalb unsere Stellungnahme). Appelle an die Gegenseite, sie möge doch bitte zur Einsicht kommen, sind bestenfalls illusionär, im schlimmsten Fall lenken sie von den eigentlich notwendigen Aktionen ab.
Karte: OpenStreetMap data [CC-BY-SA 2.0]
16.07.2024
Mit einiger Verspätung hat das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) kürzlich den
Bericht
über die Ultrafeinstaub-Messungen in Neu-Isenburg vorgelegt.
Beinahe gleichzeitig hat die europäische NGO 'Transport & Environment' in einer
Pressemitteilung
und einem
Briefing
über eine neue
Studie
informiert, die versucht, die gesundheitlichen Folgen der Ultrafeinstaub-Belastung an den großen europäischen Flughäfen abzuschätzen und Vorschläge für die Reduzierung dieser Belastung zu entwickeln.
Die HLNUG-Meßstation hat in Neu-Isenburg ein Jahr lang (August 2022 bis August 2023) relativ kontinuierlich die Partikelanzahl-Konzentration (particle number concentration, PNC) und die Partikelanzahl-Größenverteilung (particle number size distribution, PNSD) ultrafeiner Partikel (UFP) gemessen, und das wichtigste Ergebnis steht in der
Pressemitteilung:
"Die Anzahlkonzentration der Partikel im Größenbereich von 10 bis 500 Nanometer betrug im Mittel über den gesamten Messzeitraum 7.400 Partikel pro Kubikzentimeter."
Zur Einordnung dieser Belastung wird auf die
Luftgüteleitlinien
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Bezug genommen. Danach liegt an
"3 bzw. 22 Prozent aller Stunden bzw. Tagesmittelwerte"
eine hohe Belastung vor.
Natürlich bleibt es nicht bei der simplen Mitteilung der Fakten, aber um die darüber hinaus gehenden Aussagen vollständig würdigen zu können, muss man den immerhin 16seitigen
Kurzbericht
zu diesen Messungen lesen.
Die dort präsentierten Interpretationen unterscheiden sich teilweise von bisherigen Berichten, aber die Grundprobleme sind
immer noch die gleichen:
willkürliche Wahl des relevanten "Windsektors", der relevanten Flughöhen und Partikelgrössen, keine Berücksichtigung des realen Flugbetriebs (Betriebsrichtung, Verteilung der Bewegungen innerhalb der Betriebszeit, usw.).
Unsere Anmerkungen dazu im Einzelnen haben wir wieder auf eine eigene
Unterseite
ausgelagert für diejenigen, die tiefer in die Feinheiten einsteigen wollen.
Als reales Ergebnis der Messungen bleibt, dass auch Neu-Isenburg zeitweise hoch mit ultrafeinen Partikeln belastet ist, die aus verschiedenen Quellen kommen, aber im Rhein-Main-Gebiet nicht zu den Hotspots gehört.
Ansonsten kann man nur darauf hoffen, dass die Messungen im
Projekt SOURCE FFR
sorgfältiger ausgewertet und zur Modell-Validierung genutzt werden können und daraus genauere Aussagen über die jeweiligen Quellen folgen.
Welche gesundheitlichen Wirkungen Belastung mit Ultrafeinstaub in der Umgebung von Flughäfen haben kann, versucht eine neue Studie von CE Delft zu verdeutlichen, die die europäische NGO 'Transport & Environment' T&E beuftragt hat. Sie stützt sich auf eine frühere Studie des 'Reichsinstituts für Volksgesundheit und Umwelt' der Niederlande, die wiederum eine Vielzahl von (Teil-)Studien zu Messungen und Gesundheits-Untersuchungen, hauptsächlich rund um den Flughafen Amsterdam Schiphol, zusammenfasst. Deren Ergebnisse versucht CE Delft für die 32 größten Flughäfen Europas zu verallgemeinern.
T&E hebt in einer Pressemitteilung als wichtigstes Ergebnis hervor:
"52 Millionen Menschen - mehr als 10% von Europas Gesamtbevölkerung- leben in einem Umkreis von 20 Kilometer um die 32 geschäftigsten Flughäfen Europas und sind ultrafeinen Partikeln aus dem Luftverkehr besonders ausgesetzt.In einem längeren Briefing werden die Ergebnisse der Studien ausführlicher dargestellt und versucht, sowohl Betroffenen-Zahlen als auch Krankheitsrisiken zu quantifizieren.
... Die Exposition mit ultrafeinen Partikeln kann in Verbindung gebracht werden mit der Entwicklung ernsthafter und langfristiger Gesundheitsprobleme, einschließlich Atemproblemen, Herzkrankheiten und Schwangerschaftsproblemen." (eigene Übersetzung)
Die
Pressemitteilung
des deutschen T&E-Büros stellt die gesundheitlichen Folgen der Emissionen des Luftverkehrs insgesamt in den Vordergrund und erläutert die Ergebnisse der neuen Studie beispielhaft am Frankfurter Flughafen. Der hat zwar nicht die höchsten Betroffenen-Zahlen im betrachteten Wirkungsgebiet, aber die höchsten Emissionen.
Dazu passt, dass FRA auch im
gerade aktualisierten
und erweiterten
Airport Tracker,
der die Emissionen von Treibhausgasen, Stickoxiden und Feinstaub (PM2,5) für Passagier- und Frachtflüge der großen Verkehrsflughäfen der Welt darstellt, in allen Bereichen unter den dreckigsten 20, meist auch unter den 'Top Ten' gelistet wird.
Die Publikationen von CE Delft und T&E belassen es nicht bei Warnungen vor den Verschmutzungen, sondern formulieren auch Forderungen, was dagegen zu tun wäre. In der Zusammenfassung des T&E-Briefings heisst es:
"Um die UFP-Emissionen der Luftfahrt zu reduzieren, und damit die Luftqualität zu verbessern und die negativen Gesundheitseffekte zu begrenzen, empfiehlt T&E folgende Maßnahmen:Zum letzten Punkt gibt es Abschätzungen in der Studie, wieweit der UFP-Ausstoss durch die in anderen Bereichen bereits standardmäßig durchgeführte Hydrobehandlung des fossilen Kerosins, die den Aromaten- und Schwefel-Gehalt drastisch senkt, oder durch die Beimischung von Treibstoffen aus anderen Quellen reduziert werden könnte. Die Schätzungen reichen bis zu 70%, allerdings unter sehr optimistischen Annahmen.(eigene Übersetzung)
- Bekämpfung des exponentiellen Wachstums des Luftverkehrs und der Luftverschmutzung durch einen Bann weiterer Flughafen-Ausbauten, Einführung von Flug-Obergrenzen, Förderung des Umstiegs auf Züge, Reduzierung des Geschäfts-Flugverkehrs und gezielte Besteuerung des Luftverkehrs.
- Installation von Meßpunkte an und um Flughäfen der Mitgliedsstaaten, um das UFP-Konzentrationsniveau besser zu quantifizieren mit dem Ziel, bei der nächsten Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie Richtwerte für UFP-Konzentrationen einzuführen.
- Schaffung eines EU-Flugtreibstoff-Standards mit fortschreitender Reduzierung des Gehalts an Aromaten und Schwefel in Vorbereitung auf den Übergang zu Null-Aromaten, Null-Schwefel SAF."
Die Forderung nach 'Schwefel- und Aromaten-Armen Kerosin' (SAAK) steht auch im Mittelpunkt der Öffentlichkeitsarbeit der
Bürgervereinigung Freising
und des
Bund Naturschutz Freising
nach der
Veröffentlichung
der Ergebnisse der neuesten UFP-Messungen am Flughafen München.
Unmittelbar am Flughafengelände
"lagen die Tagesmittelwerte an 97 Prozent der Tage zum Teil sehr deutlich über dem Richtwert der WHO, mehrmals sogar bei 90 000 Partikeln und mehr. In der Spitze, am 19. Februar, waren es sogar über 140 000."
"Neben den Anwohnern im Flughafenumland seien in besonderem Maße auch die Beschäftigten am Airport betroffen ... . Auch als „Freizeit- oder Vergnügungspark“ tauge das Flughafengelände nicht."
Fakt ist allerdings, dass die Bereitschaft der Luftverkehrswirtschaft, hier voran zu gehen, nicht vorhanden ist. Die Entschwefelung von Kerosin wird von Umweltverbänden schon lange gefordert und war auch eine Zeitlang ein
Lieblingsthema
eines hessischen Verkehrsministers, verschwand dann allerdings wieder in der Versenkung. Und aktuell wird ja auch wieder gejammert,
dass die von der EU vorgesehenen Beimischungsquoten sog. "nachhaltiger Treibstoffe", die ja auch einen entsprechenden Beitrag leisten würden, viel zu hoch und nicht erreichbar seien.
Dass die anderen Forderungen erst recht keine Unterstützung finden, bedarf keiner Erwähnung. Sie müssten von der Politik durchgesetzt werden, aber dafür müsste die sich erstmal
grundlegend ändern.
03.07.2024
Am 26. Juni wurde in einer
Veranstaltung
der Stadt Mainz und der 'Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Zukunft Rhein-Main' ein
Forderungspapier
"für einen verbesserten Schutz vor Gesundheitsgefahren durch Fluglärm"
vorgestellt.
Das war zugleich der erste öffentliche Auftritt dieser neuen Struktur des kommunalen Widerstands gegen Fluglärm, deren Bildung sich schon Anfang letzten Jahres
abgezeichnet hatte.
Schon Ende November 2023 wurde in einer anscheinend weitgehend ignorierten
Pressemitteilung
der Zusammenschluss der bis dahin formell eigenständig existierenden, aber schon länger kooperierenden Initiativen
Kommunale Arbeitsgemeinschaft Flughafen Frankfurt (KAG)
und
Zukunft Rhein-Main (ZRM)
zur KAGZRM gemeldet.
In einem
Video,
dass bei der aktuellen Veranstaltung gedreht wurde, erklären drei Vorstandsmitglieder noch einmal Hintergründe und Ziele des neuen Zusammenschlusses.
Wohl auch schon eine Weile gibt es einen
eigenen Webauftritt
der KAGZRM, allerdings nur als Unterseite des Webauftritts des Kreises Gross-Gerau, gut versteckt in der Rubrik "Infrastruktur". Nicht einmal auf den bisherigen Webseiten von KAG und ZRM, die noch online sind, gibt es einen Hinweis auf den Zusammenschluss und die neue Webseite.
Die
Mitgliederliste
umfasst 33 Kommunen im Rhein-Main-Gebiet, darunter die grossen Städte Frankfurt, Offenbach, Mainz und Darmstadt (Raunheim ist auch dabei), und vier Landkreise sowie den BUND-Landesverband Hessen und das BBI. Dem sechsköpfigen Vorstand unter Vorsitz von Landrat Will gehören vier Personen an, die auch im Vorstand der Fluglärmkommission Mitglied sind. Als Arbeitsebene gibt es einen 'Koordinierungskreis Flughafen', dessen Zusammensetzung allerdings nicht mitgeteilt wird.
Auch inhaltlich gibt es zunächst nichts grundlegend Neues. Die PM teilt mit:
Auch die KAGZRM legt den Fokus auf den Schutz der Region vor den vielfältigen negativen Auswirkungen des Flugverkehrs wie z.B. Fluglärm, Luftverschmutzung, Flächenverschwendung und Zunahme der flughafenbezogenen Verkehrsbelastung.Einen umfangreicheren Forderungskatalog dazu findet man kurioser Weise in einer Anlage zur Geschäftsordnung (?!)
...
Als Themenschwerpunkte für die kommenden Jahre stehen an oberer Stelle der Klimaschutz und wie dieser mit dem Schutz vor Fluglärm einhergehen kann, die Beschäftigung mit der Novellierung der Luftverkehrsgesetzgebung, die Luftschadstoffbelastung, die Reduktion von Flugbewegungen, der Dialog mit der Flughafenbetreiberin und viele weitere Themen.
Die Forderungen, die im aktuellen Papier präsentiert werden, sind im Wesentlichen die, für die bereits im Sommer 2018 in Berlin demonstriert wurde. In den aktuellen Formulierungen lauten die
Forderungen an die Bundesregierung:Zur Begründung dieser Forderungen wird im Wesentlichen das Gutachten zu medizinischen Folgen des Fluglärms angeführt, dass die 'Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen' Ende letzten Jahres vorgestellt hat und das auch von der Fluglärmkommission Frankfurt ausführlich gewürdigt wurde. Einer der Autoren dieser Studie, Herr Guski, hat die Inhalte in der Versammlung in Mainz nochmal zusammengefasst.Forderungen an die Landesregierung Hessen:
- Änderung des Luftverkehrsgesetzes – Vorrang des aktiven Schallschutzes (Luftverkehrsgesetz)
- Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes (FluLärmG)
- Anpassung der Regelungen für baulichen Schallschutz im Fluglärmschutzgesetz (FluLärmG)
und den Fluglärmschutzverordnungen (FlugLSV)
- Fluglärmschutzkonzept für den Frankfurter Flughafen muss nachgebessert werden
- Erweiterung der Lärmschutzbereiche und Einführung einer wirksamen Lärmobergrenze
- Absolutes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr
Damit ist zumindest der grobe Rahmen der kommunalen Positionen in den kommenden Auseinandersetzungen um die längst überfälligen Novellierungen der Gesetzgebung zu Luftverkehr und Schallschutz in Deutschland abgesteckt. Im Detail wird noch vieles zu präzisieren und zu ergänzen sein, wenn erst einmal klar ist, wann und in welcher Form die Bundesregierung ihre bisherigen Versäumnisse aufzuarbeiten gedenkt.
Bisher ist für Aussenstehende nicht erkennbar, dass in absehbarer Zeit überhaupt etwas passieren wird - vielleicht will die Regierung statt der im Gesetz vorgeschriebenen 10 ja einfach 20 Jahre bis zu Novellierung warten. Dann hätten wir noch bis 2027 Zeit, uns Gedanken zu machen.
Für Quellen den jeweiligen Bereich der Grafik anklicken.
14.06.2024
Die 'Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung Berlin' ILA, die vom 5. bis 9. Juni in Berlin stattgefunden hat, hatte in ihrer mittlerweile 115jährigen Geschichte immer mehr oder weniger enge Beziehungen zur Militärfliegerei, aber die diesjährige Ausstellung und ihre Präsentation in den Medien ragt dabei nochmal negativ heraus.
Zwar versucht der Veranstalter, der 'Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V.', der sich als Stimme der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland versteht und im Märchen erzählen geübt ist, zivile Aspekte in den Vordergrund zu rücken, aber der Bundeskanzler macht in seiner Eröffnungs-Rede eindeutig klar, was wichtig ist.
Nach kurzen Ausführungen dazu, dass auch die Raumfahrt militarisiert ("Die Fähigkeit, jederzeit auch im All handeln und Satelliten in Umlaufbahnen bringen zu können, ist kommerziell, aber auch verteidigungspolitisch unerlässlich") und privatisiert ("Ich habe mich deshalb nachdrücklich dafür eingesetzt, dass wir auch in der europäischen Raumfahrt die Zeichen der Zeit erkennen und auf die Kräfte des Marktes setzen") werden muss, kommt er zum Kern.
Heute sehen wir klarer denn je, wie wichtig eine europäische und deutsche Verteidigungsindustrie ist, die alle wichtigen Waffengattungen und die nötige Munition kontinuierlich produzieren kann. ... Ich möchte, dass unsere Industrie in all diesen Bereichen ganz vorne mitspielt, in Sachen Forschung und Technologie, aber eben auch in der Produktion, am besten digitalisiert. Das ist eine enorme Herausforderung; denn in den Jahrzehnten vor 2022 wurde in Deutschland und in ganz Europa zu wenig in die Ausstattung unserer Streitkräfte investiert. ... Diese verteidigungsindustrielle Kehrtwende hat zwei gleichermaßen wichtige Dimensionen: Erstens schließen wir rasch die wichtigsten Fähigkeitslücken - dafür brauchen wir neue Produkte, die auf dem Markt verfügbar sind -, und zweitens sorgen wir dafür, dass unsere Industrie in Deutschland und Europa nun Produktionskapazitäten aufbaut und Technologien weiterentwickelt.Der gesamte Auftritt könnte unter dem Motto stehen: Der Wende-Kanzler oder: Wie Olaf lernte, die Bombe zu lieben. Auch neue Einkäufe im grossen Stil hat er angekündigt, was der Industrie aber natürlich nicht reicht.
Die meisten Medien rücken ebenfalls den militärischen Aspekt in den Mittelpunkt. Ein Fachbesucher formuliert in seinem
Bericht
als "Top-Erkenntnis":
"Die ILA hat ihre Nische gefunden, und zwar im Bereich der Militärluftfahrt. Egal ob Flugtaxi-, Nachhaltigkeits- oder Raumfahrthalle: Irgendwie waren es eigentlich alles Militärhallen".
Der SPIEGEL berichtet (seltsamerweise in der Rubrik 'Wissenschaft') von der
Waffenparade am BER
und textet:
"Kampfjets, Raketenmodelle, Drohnen, Drohnen, Drohnen: Zur Eröffnung der Luft- und Raumfahrtmesse ILA in Berlin feiert die Rüstungsindustrie sich selbst – und macht große Geschäfte".
Auch für die 'Frankfurter Rundschau' ist die ILA in erster Linie
ein bombiges Geschäft,
und sie stellt fest:
"Eigentlich soll es bei der Flug- und Weltraummesse ILA um neue Techniken und nachhaltiges Reisen gehen, doch die Rüstungsindustrie hat das Branchentreffen fest im Griff".
Die öffentlich-rechtlichen Medien sind etwas zurückhaltender, aber auch die Tagesschau registriert die
Zeitenwende am Flughafen,
und auch ein
rbb-Video
kommt nicht umhin, die starke optische Präsenz der Rüstungsindustrie zu zeigen. Ein Versuch eines
rbb-Kommentars,
"grüneres" und "leiseres" Fliegen in den Vordergrund zu rücken, findet eine Antwort in dem FR-Beitrag:
"Der Lärm ist ohrenbetäubend, als der F-35-Jet durch den Himmel über Schönefeld schießt. ... Es geht ums grüne Fliegen auf der Messe, zweifelsohne. Aber die Farbe ist eher Olivgrün".
Auch Lufthansa Technik setzt
stärker auf Rüstungsprojekte
und möchte sowohl bei Wartung und Reparatur von
"militärischen, Waffen tragenden Systemen"
als auch beim Umbau und der Umrüstung von zivilen zu militärischen Systemen mitspielen.
Zugleich versichern alle Beteiligten, dass natürlich auch die zivile Luftfahrt von Forschung und Technologie-Entwicklung im Militärbereich profitieren wird. Man kann sich das gut vorstellen: wenn künftig klimafreundlich designte Kampfbomber, 100%-SAF-fähige Transporter, Wasserstoff-getriebene Marschflugkörper und mit 100% Ökostrom geladene Drohnen klimaneutrale Kriege führen, führt das sicher auch zu Fortschritten im Zivilen.
Es gab aber auch direkte Neuigkeiten aus der Welt der "klimaneutralen Luftfahrt". Der
gleichnamige Arbeitskreis
der Bundesregierung legte im Anschluss an den
Zwischenbericht
im letzten Herbst ein
Ergebnis-Papier
vor, das die Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen
"Markthochlauf SAF & PtL",
"Technologien"
und
"Effizienter Luftverkehr"
enthält. Zusätzlich wurden noch drei Abschlusspapiere von Unterarbeitsgruppen der AG Technologie zu den Themen
Kurzfristig umsetzbare Maßnahmen,
Technologie-Entwicklung
und
Förderung
verfügbar gemacht.
Die Papiere sind eine mehr oder weniger bunte Sammlung von technischen Statements, spekulativen Szenarien, Forderungen der Industrie und Eigenlob der Regierung. Wirklich Neues steht nicht drin, aber an einigen Punkten wird deutlich, worauf wir uns in nächster Zeit freuen dürfen. Da sind die sog. "Quick wins", technische Maßnahmen, die helfen sollen, Klimaschäden durch
CO₂-Emissionen und andere Effekte kurzfristig, wenn auch nur in sehr begrenztem Umfang, zu reduzieren. Das reicht von der
Haifisch-Haut,
die den Luftwiderstand reduzieren soll, bis zur "Brauchwassernutzung in Toiletten", die hilft, Gewicht einzusparen. Damit soll es möglich sein, im Jahr 2030 mehr als doppelt soviel CO₂-Äquivalente einzusparen, wie der innerdeutsche Flugverkehr im Jahr 2019 verbraucht hat (sofern der "erreichbare Anteil der Weltflotte", der dabei mitmacht, groß genug ist).
Die wirklich erreichbaren Klimaeffekte werden also sehr begrenzt sein, aber es geht ja auch mehr um die
"Verbesserung der Außendarstellung von Innovationsfähigkeit der deutschen Luftfahrt, gerade im Hinblick auf eine Reduzierung der Klimawirkung".
Die hat allerdings mit Widersprüchen zu kämpfen, von denen einige auch in den Papieren mehr oder weniger deutlich aufscheinen. So wird im entsprechenden Papier relativ deutlich gesagt, dass der Markthochlauf angeblich nachhaltiger Treibstoffe aus Biomasse, die
schon lange in der Kritik
stehen und auch in der Arbeitsgruppe umstritten waren, jetzt endlich politisch durchgesetzt werden muss, weil PtL-Treibstoffe, wenn überhaupt, dann erst später zur Verfügung stehen.
Und die Verbesserung der Kabinentechnologie, die für die Unterarbeitsgruppe
"eine mehrfache regelmäßige Verbesserung von Gewicht und Energieeffizienz innerhalb der heute aktuellen Generation von Flugzeugen"
verspricht, hat es nicht ins Ergebnispapier geschafft, wohl weil die aktuellen Trends bei Lufthansa & Co. in eine
ganz andere Richtung
gehen.
Nach aussen werden diese Widersprüche natürlich nicht kommuniziert. Auch die beiden Alibi-NGOs in diesem Arbeitskreis konzentrieren sich in ihrer jeweiligen Öffentlichkeitsarbeit auf ihnen wichtige Themen, ohne Bezug auf die AK-Ergebnisse (die dem meist widersprechen) zu nehmen. So ignoriert 'Transport & Environment' die Diskussion um Bio-SAF und konzentriert sich auf die
Forderung
nach Umschichtung öffentlicher Subventionen von Privat- und Business-Class-Fliegern hin zu E-Kerosin.
Germanwatch hätte dafür lieber eine
"Finanzierung über eine zweckgebundene Ticketabgabe"
und kritisiert ansonsten in einer
Pressemitteilung zur ILA,
"die Bundesregierung hat keine Strategie und zeigt zu wenig Engagement für Klimaschutz im Luftverkehr".
Dann folgt die Forderung:
"Aktuell sollte sich die Bundesregierung auf EU-Ebene in den laufenden Verhandlungen dafür stark machen, dass die Erfassung der Nicht-CO2-Effekte im EU-Emissionshandel auch für interkontinentale Flüge kommt".
Das könnte eine verklausulierte Kritik an dem AKkL-Papier sein, in dem es heisst:
"Die Bundesregierung begrüßt ... die Initiative des AKkL für ein sog. 100-Flüge Programm ... . In diesem europaweit einmaligen Feldversuch erproben die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS), das DLR sowie der Deutsche Wetterdienst (DWD) gemeinsam mit den deutschen Fluggesellschaften Lufthansa Group, TUI, DHL und Condor auf ausgewählten, regulär geplanten Flügen, wie sich klimaschädliche langlebige Kondensstreifen vermeiden lassen."
Der 'Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft'
fordert dazu,
"dass das 100-Flüge-Programm kein einsames Leuchtturmprojekt ist, sondern Bestandteil unserer umfangreichen Aktivitäten zur Fortentwicklung klimaneutraler Luftfahrt"
bleibt, insbesondere wohl, was die Kostenteilung angeht: die Airlines haben einen kleinen Zusatzaufwand bei den Messungen, profitieren aber von den Arbeiten der öffentlich finanzierten DFS, DLR und DWD bei Datenerhebung, -bereitstellung und -auswertung und Zuarbeiten bei der Flugplanung.
Das passt ganz hervorragend zur Kampagne des internationalen Airline-Dachverbandes IATA, die ein solches Vorgehen zur Klärung der wissenschaftlichen Fragen über die nächsten Jahrzehnte
empfiehlt,
denn
"Regulierungen zu formulieren und einzuführen auf der Basis unzureichender Daten und begrenztem wissenschaftlichen Verständnis ist idiotisch und kann zu negativen Wirkungen auf das Klima führen. Deshalb ist die wichtigste Schlussfolgerung ... alle Beteiligten aufzufordern, zusammenzuarbeiten und die gegenwärtigen Lücken in der Wissenschaft zu füllen, so dass wir effektive Maßnahmen ergreifen können" (eigene Übersetzung) - irgendwann nach 2050. Damit möchte IATA
den Beschluss der EU kontern,
das EU-Emissionshandelssystem, das bisher nur die CO₂-Emissionen des Luftverkehrs erfasst, auch auf Nicht-CO₂-Effekte auszudehnen, zunächst nur mit der Verpflichtung zur Berichterstattung (monitoring,reporting and verification, MRV), ab 2028 ggf. auch mit Zahlungsverpflichtung. Zumindest soll diese Verpflichtung, ebenso wie beim CO₂, auf Intra-EU-Flüge beschränkt bleiben.
Dass das kompletter Unsinn ist, weil sowohl die grössten Wirkungen bei der Vermeidung bestimmter Nicht-CO₂-Effekte als auch die grössten Unsicherheiten bei der Erklärung der Effekte auf der Langstrecke auftreten, begründet u.a. ein
Policy Paper
von 'Transport & Environment', das Grundlage für einen
offenen Brief
mit einer Reihe anderer Organisationen wurde. Kurioser Weise findet sich auf der deutschen T&E-Webseite keinerlei Hinweis darauf.
Ausserhalb der Berliner Blase gibt es noch weitere Widersprüche. So konterkariert der Chef der Airline 'Emirates' die klimafreundlichen Technologie-Szenarien, indem er
darauf hinweist,
dass es einen
"Innovationsmangel bei Interkontprogrammen"
gibt und die Airlines
"auf der Mittel- und Langstrecke auf alte Flugzeuge und SAF verwiesen sein werden".
Er glaubt,
"Bis 2050 werden wir nur die A350 und die 777 haben. ... Ich mache mir Gedanken darüber, wie wir das Netz stemmen werden, wenn unsere A380 zu alt sind. ... Die Logik sagt mir, dass ich in Zukunft ein Flugzeug mit 1.500 Sitzen brauchen werde."
Im
englischen Text
heisst es noch deutlicher:
"Der Luftverkehr wächst, und wir sollen diese Nachfrage nachhaltig befriedigen mit Infrastruktur und Ausrüstung, die diesem Anspruch keineswegs genügen. ... Wir haben weder die Flugzeuge noch die Flughäfen noch die Flugsicherungs-Kapazitäten." (eigene Übersetzung).
Auch wenn da wieder Wachstums-Phantasien sichtbar werden - der Kern der Aussage ist, dass es in den nächsten 30 Jahren keinen wesentlichen technologischen Fortschritt auf der Langstrecke geben wird. Der A380, auf den Emirates
und andere Fluggesellschaften
(wieder) setzen, wurde noch vor wenigen Jahren als
Fehleinschätzung
bezeichnet, weil zu gross und zu ineffizient, und nach Produktionsende bei Airbus wurde auch ein (politisch sehr interessanter)
Nachruf
auf ihn geschrieben. Nun soll er
bis mindestens 2041
im Einsatz bleiben und
passt auch gut
in die ebenfalls wiederbelebten
Luxus-Strategien,
wie der
4-Klassen-Flieger
auf der ILA demonstrierte.
Als Fazit der Ereignisse rund um die diesjährige ILA Berlin lässt sich also festhalten: Die Luftfahrt-Industrie und insbesondere die technischen Sektoren setzen für ihre öffentliche Darstellung zunehmend auf ihren Beitrag zur militärischen "Sicherheit" und versuchen, sich damit gegen Kritik jeder Art abzuschotten. Der Klimaschutz, der de facto schon lange bestenfalls noch eine nachgeordnete Rolle spielt, wird nur noch mit nichtssagenden Lippenbekenntnissen bedient, schon geringe Zumutungen wie die Beobachtung der Nicht-CO₂-Effekte werden massiv bekämpft.
Die politische Unterstützung dafür ist in Regierung und dem grössten Teil der Opposition unumstritten und zeigt sich nicht nur verbal, sondern auch in massiver materieller Unterstützung.
In einer offensichtlich ganz anderen Welt wurde der erste Tag der ILA, der 5. Juni, als World Environment Day, als
Weltumwelttag,
begangen. Aus diesem Anlass
warnt
die 'Meteorologische Weltorganisation' (WMO) vor bevorstehenden neuen Temperatur-Rekorden mit immer dramatischeren Konsequenzen wie Hitzewellen, extreme Regenfälle und Dürren, Meeresspiegel-Anstieg und Gletscherschmelzen, und die Tagespresse bestätigt diese Warnungen.
Bei einer
Veranstaltung
der UN hielt Antonio Guterres eine
Rede,
die als
"eine der wichtigstens zum Klimawandel ... , seit er Generalsekretär wurde" (eigene Übersetzung)
bezeichnet wird. Er beschreibt darin die aktuelle Situation, benennt die Verantwortlichen und sagt, was getan werden muss, um die Klimakatastrophe noch abzumildern.
Hier einige Auszüge daraus (alle in eigener Übersetzung):
"Wir sind in einem Moment der Wahrheit. Die Wahrheit ist ... fast zehn Jahre nachdem das Pariser Abkommen beschlossen wurde, hängt das Ziel, die langfristige Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, am seidenen Faden. Die Wahrheit ist ... die Welt speit Emissionen so schnell aus, dass 2030 ein weit höherer Temperaturanstieg so gut wie garantiert ist.Es ist zu befürchten, dass die Bundesregierung in Berlin und in Bonn ihre Antwort gegeben hat und ihre in Klimafragen massiv beschädigte Glaubwürdigkeit garnicht wiedergewinnen will. Die Klimaziele 2030 mögen verfehlt werden - vorrangiges Ziel ist es, bis 2029 kriegstüchtig zu sein.
Neue, heute veröffentlichte Daten ... zeigen, dass das Kohlenstoffbudget zur Begrenzung der langfristigen Erwärmung auf 1,5°C nun etwa noch 200 Milliarden Tonnen umfasst. ... Die Wahrheit ist ... wir verbrennen dieses Budget mit waghalsiger Geschwindigkeit - speien rund 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus. Wir können alle rechnen. Bei dieser Geschwindigkeit wird das gesamte Budget vor 2030 verbraucht sein."
"Jetzt ist die Zeit der Entscheidung für das Klima. ... Klima-Aktion darf nicht geo-politischen Spannungen geopfert werden. Deshalb ... brauchen wir maximale Ambitionen, maximale Beschleunigung und maximale Zusammenarbeit - kurz maximale Aktion."
"Es ist ein Hohn auf die Klimagerechtigkeit, dass diejenigen, die am wenigsten für die Krise verantwortlich sind, am härtesten getroffen werden: die ärmsten Menschen, die verletzlichsten Länder, Indigene, Frauen und Mädchen. Das reichste eine Prozent emittiert so viel wie zwei Drittel der Menschheit. Und Extremereignisse angetrieben vom Klimachaos häufen sich: zerstören Leben, erschüttern Ökonomien, gefährden die Gesundheit; zerstören nachhaltige Entwicklung, zwingen Menschen aus ihrer Heimat und erschüttern die Grundlagen von Frieden und Sicherheit - weil Menschen vertrieben und lebenswichtige Ressourcen zerstört werden.
In der Zwischenzeit baden die Paten des Klimachaos - die fossile Brennstoff-Industrie - in Rekordprofiten und ergötzen sich an Billionen von Subventionen aus Steuergeldern."
"Ökonomische Logik macht das Ende des Zeitalters fossiler Brennstoffe unvermeidbar. Die Frage ist: Wird dieses Ende schnell genug kommen? Und wird der Übergang gerecht sein?
Es erfordert dringende Aktionen, insbesondere innerhalb der nächsten achtzehn Monate: zur Reduzierung der Emissionen, zum Schutz von Menschen und Natur vor Wetterextremen, zur Steigerung der Klimafinanzierung und zum rigorosen Durchgreifen gegen die fossile Brennstoff-Industrie."
"Im Kampf um eine lebenswerte Zukunft sind Menschen überall den Politikern weit voraus. ... Es sind wir, die Völker, gegen die Verschmutzer und Profiteure. Zusammen können wir gewinnen. Aber es ist Zeit für die Regierenden, zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen."
Für diese Collage haben wir u.a. auf Gestaltungselemente zurückgegriffen, die Fraport zur Verfügung stellt. Aufgrund des Einsatzes eines NIFaNeC ('Natural Intelligence Fake News Corrector') ergaben sich allerdings kleine Veränderungen.
03.06.2024
Am 28.05. hat die Fraport AG ihre diesjährige
Hauptversammlung
durchgeführt, im Unterschied zu den
Vorjahren
wieder in Präsenz im Sheraton-Hotel am Flughafen.
Die Öffentlichkeitsarbeit dazu hat sich allerdings, vielleicht wegen der derzeit laufenden ganzjährigen
Propaganda-Kampagne,
sehr in Grenzen gehalten. Die Pressemitteilungen
zu Beginn
und
zum Ende
der Veranstaltung erschienen mit wenigen Stunden Unterschied, und für die Medien gab es noch eine knappe dpa-Meldung, die von der
Fachpresse
und
Tageszeitungen
weitestgehend gleichlautend abgedruckt wurde.
Entsprechend dürftig waren die Inhalte. Jüngst vorgestellte Pläne zur Entwicklung des
CargoHub Frankfurt
oder
der Terminals 1 und 2
wurden garnicht mehr erwähnt und gelten wohl schon als abgehakt.
Wenn es so etwas wie
Kernbotschaften
gibt, dann lauten sie etwa: der Konzern macht wieder ordentlich Gewinn, die Auslandsbeteiligungen spielen dabei weiter eine wesentliche Rolle, und das Wachstum geht weiter, alle Ausbauprojekte sind im Plan. Dividende wird allerdings weiterhin nicht gezahlt.
Die Aktionäre waren ganz überwiegend trotzdem zufrieden und haben, wie Fraport in der Abschluss-PM stolz mitteilt, alle Punkte abgenickt. Der Aufsichtsrats-Vorsitzende und ehemalige hessische Finanzminister Boddenberg musste bei seiner Entlastung mit 95.7% das schlechteste Resultat hinnehmen, die meisten
sonstigen Ergebnisse
lagen über 99%. Ein Parteitag in Nordkorea kann nicht reibungsloser ablaufen.
Auch die Ziele, die Vorstandschef Schulte in seiner
Rede
benannt hat und die man sich einschliesslich der zugehörigen
Bildchen
auch in Form eines einstündigen
Webcast
ansehen und -hören kann, haben einen gewissen 5-Jahr-Plan-Charakter.
Im Rahmen
"der neuen
Konzernstrategie Fraport.2030"
gibt es
"drei strategische Prioritäten für die nächsten sechs Jahre":
"Wachstum und Nachhaltigkeit, Effizienz und Innovationen und Top-Arbeitgeber".
Für die werden in der Präsentation auch numerische Ziele gezeigt: für
"W&N" "Passagierzahl auf 187 Millionen gesteigert" und "CO2-Emissionen im Scope 1 & 2 auf 95.000 Tonnen verringert",
für
"E&I" "85 Prozent der Passagiere an unseren Flughäfen sind mit den Prozessen zufrieden"
und für
"T-A" "Zufriedenheit unserer Beschäftigten auf Umfragewert von 5,0 gesteigert" und "Ausgewogene Fluktuation erreicht".
Die
eigentlich relevanten Ziele
nennt Schulte aber in seiner Rede. Er will
wobei Punkt 1 natürlich nur Mittel zu dem Zweck ist, Punkt 2 zu realisieren.
Allen voran ein EBITDA von 2 Milliarden Euro und einen Free Cash Flow von 1 Milliarde Euro
Dabei macht Herr Schulte noch an mehreren Stellen seiner Rede deutlich, was für ein erbärmlich borniertes Verständnis er (und wahrscheinlich sein ganzer Vorstand) von Nachhaltigkeit hat. Die völlig unzureichende geplante Reduzierung der "CO₂-Emmissionen im Scope 1 und 2 um rund 78 Prozent ... im Vergleich zum Basis-Jahr 1990" genügt ihm schon als Beweis, "dass Fraport führend im Bereich des Betriebs umweltfreundlicher Flughäfen", "finanziell erfolgreich und widerstandsfähig" sein und "konzernweit kontinuierlich und profitabel ... wachsen" und dies "natürlich auch nachhaltig geschehen" kann.
Dass Flughäfen in Bezug auf Klimaschutz insbesondere ein "Scope 3-Problem" haben, mussten sich Schulte & Co. immerhin im nichtöffentlichen Teil noch von einer Kritischen Aktionärin anhören, die zunächst auf einen aktuellen Skandal am Fraport-Flughafen Fortaleza hinwies, wo Fraport an Rodungen von Resten von Regenwald beteiligt ist, und nach weiteren Hinweisen auf Fraports miserable Umweltbilanz ausführte:
"Somit sind auch Sie direkt für deren Klimaschädlichkeit und fehlende Emissionsreduktionsmaßnahmen verantwortlich, wenn Sie nicht auch mit Ihrer Kundschaft entsprechende Vereinbarungen treffen und selbst Maßnahmen ergreifen, um die steigenden Emissionen Ihrer Branche in den Griff zu kriegen.Immerhin können die wichtigsten Fraport-Kunden (die Airlines) ihre ebenso unzureichenden Klimaziele bestenfalls dann halbwegs realisieren, wenn an Flughäfen schwefelfreies Kerosin und sog. "nachhaltige Treibstoffe" zur Verfügung stehen, was erheblichen Aufwand für die dortige Infrastruktur bedeutet.
Solange dies nicht passiert, ist Ihr Klimaziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, schlicht nicht glaubhaft. Sie müssen die klimaschädlichen Emissionen der Wertschöpfungskette (Scope 3) in Ihren „Masterplan Dekarbonisierung“ integrieren."
Dass fehlender Klimaschutz auch die 'Nachhaltigkeit' ihrer Profite gefährden kann, machte ein weiterer Kritischer Aktionär deutlich, der sich mit der Überschwemmungskatastrophe in der brasilianischen Region Rio Grande do Sul und der dadurch bedingten Stilllegung des Fraport-Flughafens Porto Alegre auseinandersetzte:
"Sie berufen sich nun gegenüber den Behörden auf „höhere Gewalt“. Sie wollen sich so die Reparaturkosten erstatten lassen. Dabei war von Anfang an klar, dass sich der Flughafen auf überschwemmungsanfälligem Sumpfgelände befindet. ... Daher verlangen wir von Ihnen zuerst eine ehrliche und schonungslose Bestandsaufnahme, bevor Kosten sozialisiert [werden], nachdem zuvor Gewinne privatisiert wurden. Es stellt sich auch die Frage nach Ihrer Mitverantwortung für klimawandelbedingte Starkwetterereignissen."Eine Zusammenfassung der Kritik der "Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre" an der Fraport enthält deren Pressemitteilung, die leider offenbar nur wenig Resonanz in den Medien gefunden hat.
Bleibt noch nachzutragen, dass 'Nachhaltigkeit' noch etliche weitere Themen umfasst und beispielsweise auch die von diesem Flughafen ausgehenden
Lärm-
und
Schadstoff-Belastungen
thematisiert werden müssten. Immerhin belegt Fraport in einer
vergleichenden Betrachtung
der Luftbelastung und Klimaschädigung durch Flughäfen in nahezu
allen Kategorien
vordere Plätze.
Und auch die Risiken, die das Fraport-Geschäftsmodell wegen der
Instabilität
der Tourismus-Branche und dem
lokalen Widerstand
gegen den immer weiter anschwellenden
Massentourismus
gerade an Fraports lukrativsten Auslands-Beteiligungen gefährden, wären wohl noch genauerer Betrachtung wert.
Die Botschaft dieser Hauptversammlung bleibt aber die, die wir bisher jedes Jahr zur Kenntnis nehmen mussten. Der Fraport-Vorstand strebt nur nach Profit-Maximierung und möchte dafür ohne Rücksicht auf Verluste maximales Verkehrswachstum organisieren, und die Anteilseigner tragen diesen Kurs in vollem Umfang mit. Klima-, Gesundheits- und Umweltschutz spielen für keinen der Akteure dort eine Rolle.
Insofern ist es natürlich gut und richtig, dort
Protest zu organisieren,
aber noch wichtiger wäre es, die wesentlichen Verantwortlichen, die diesen Kurs beeinflussen könnten, zu konfrontieren. Land Hessen, Stadt Frankfurt und die Vertreter*innen der Belegschaft haben zusammen eine stabile Mehrheit im Aufsichtsrat. Wer eine andere Flughafen-Politik will, muss sie unter Druck setzen, diese Mehrheit zu nutzen.
Werden wir irgendwann wissen, wie die Wirbelschleppen im Stadtgebiet ankommen und wie sie da ultrafeine Partikel verteilen?
23.05.2024
Wir haben es kaum zu hoffen gewagt, aber unsere Kritik anlässlich der letzten UNH-Veranstaltung zum UFP-Projekt am Frankfurter Flughafen hat Reaktionen provoziert. Beide Vortragenden der Veranstaltung, Frau Prof. Hoffmann und Herr Prof. Vogel, haben uns Antworten geschickt.
Frau Hoffmann hat sich (angesichts des Standes des Teilprojekts "Wirkungsstudie" verständlich) im Wesentlichen darauf beschränkt, uns darin zu bestärken, dass es wichtig ist, "dass so umfassend wie möglich untersucht wird", aber von Herrn Vogel kam ein Dokument, das zahlreiche Antworten, Kommentare und Ergänzungen zu den von uns aufgeworfenen Fragen enthielt. Wir haben das mit Anmerkungen von uns zu einem neuen Dokument zusammengefasst.
Die Antworten von Herrn Vogel beziehen sich überwiegend auf die Belastungsstudie und machen zusätzliche Aussagen dazu, was und wie untersucht werden soll. So gibt es Aussagen zu dem Chemie-Transportmodell, das benutzt werden soll, um die Immission ultrafeiner Partikel im Modellierungsgebiet zu berechnen, zur Art der Messungen, die in der Region noch durchgeführt werden, und zur Modellierung der An- und Abflüge inklusive des Transport von UFP durch die dabei auftretenden Wirbelschleppen. Durch die zusätzlichen Angaben werden einige Dinge klarer, aber überwiegend sind die Aussagen nicht präzise genug, um genau einschätzen zu können, was an Ergebnissen zu erwarten ist.
Was es nicht gibt, sind Aussagen zu bereits erzielten Ergebnissen. Da gilt wohl noch die in einem anderen Zusammenhang gemachte Aussage:
"Die Daten befinden sich z. Z. noch in der Auswertung und werden danach erst dem Auftraggeber, dem UNH vorgestellt. Erst danach werden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das ist das normale Prozedere bei solchen Studien."
Wer zahlt, befiehlt - nicht über alles, denn
"Einflussnahme ... auf die Messungen und die Diskussion der wissenschaftlichen Ergebnisse findet nicht statt – in Übereinstimmung mit der in der Verfassung verankerten Freiheit von Wissenschaft und Forschung."
Die Auftraggeber müssen sich darauf beschränken, den Zeitpunkt und teilweise auch den Kontext der Veröffentlichung der Daten zu bestimmen - aber auch das kann helfen, in der breiteren Öffentlichkeit das gewünschte Meinungsbild zu verbreiten. (Bei der NORAH-Studie zu den gesundheitlichen Wirkungen des Fluglärms wurde das auch versucht, war aber wegen weitgehend eindeutiger Inhalte und guter Gegen-Öffentlichkeit nur begrenzt erfolgreich.)
Die
Forderung,
das Transparenz-Versprechen wahr zu machen und auch Zwischenergebnisse schnell und umfassend zu veröffentlichen, geht also an das FFR als Auftraggeber der Studie. Da sind nun insbesondere die Vertreter*innen der Kommunen im FFR als Repräsentant*innen der Öffentlichkeit gefordert, entsprechend Druck zu machen.
Eine Aussage zur Belastungsstudie finden wir besonders spannend:
Erste Immissionsmessungen der flughafenspezifischen Tracer zeigen, dass der weitreichende bodennahe Transport der flughafenassoziierten UFP relevant ist. Der Behauptung der BI Raunheim, dass die UFP am Standort Riedberg in den Messungen des HLNUG von der nahen Marie-Curie-Straße und Rosa-Luxemburg-Straße stammen (https://www.bi-fluglaerm-raunheim.de/aktuell/220206_Anm-HLNUG-UFP4.pdf) ist nicht korrekt. Am Standort Riedberg konnte das Konsortium die chemischen Tracer bei entsprechender Windrichtung zweifelsfrei nachweisen.Ohne nähere Angaben sind wir erst einmal nicht bereit, zu glauben, dass die in unserem Beitrag geäusserte Kritik an den Auswertemethoden des HLNUG, insbesondere an der Definition der "Windsektoren", unzutreffend wäre. Allerdings: dass der Nachweis falsch ist, bedeutet noch nicht, dass der Effekt nicht existiert.
Das hätten wir vielleicht deutlicher machen können, aber allzu viel haben wir uns da nicht vorzuwerfen, denn wir hatten geschrieben:
Riedberg ist die am weitesten vom Flughafen entfernte Station des UFP-Meßnetzes. Laut den Daten ... liegen die lokalen Immissionen gemittelt über "nicht-südwestliche" Winde und Nicht-Verkehrszeiten unter dem allgemeinen städtischen Hintergrund (5.870 [1/cm³]), bei südlichen Winden während der Verkehrszeiten 5-25% darüber. Angesichts der Lage der Station nur wenige hundert Meter nördlich viel befahrener Straßen (s.o.) schließt das relevante externe Inputs weitgehend aus.Das sehen wir nach wie vor so.
Eine Beeinflussung "weiter Teile des Frankfurter Stadtgebiets" durch die UFP-Emissionen des Flugbetriebs am Frankfurter Flughafen wird daher durch die im Bericht präsentierten Daten nicht nachgewiesen. Zur Ermittlung der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Einflusses des Flugbetriebs auf die Wohnbevölkerung im Umland sind weitere Messungen, vor allem aber auch präzisere Auswertungen der bereits gesammelten Daten notwendig.
Viel wichtiger ist aber: Stimmt die Kernaussage und beweisen die gefundenen Tracer, dass tatsächlich UFP vom Flughafengelände unter bestimmten Bedingungen am Riedberg nachweisbar sind? Das könnte die Diskussion über die vom Flughafen ausgehende Belastung wesentlich verändern. Ohne aber genauer zu wissen, was gemessen wurde, lässt sich darüber nicht einmal sinnvoll spekulieren.
Vorab müssten eine Reihe von Fragen geklärt werden, wie z.B.: Wie eindeutig ist die Richtungs-Abhängigkeit des Tracer-Eintrags? Lassen sich Rückschlüsse auf die eingetragenen UFP-Mengen ziehen? Dann ist abzuwarten, was die Messungen
"in der Achse Flughafen-Schwanheim-Riedberg"
ergeben. Erst dann kann man neu darüber nachdenken, was ein entscheidender Unterschied zwischen UFP aus dem Strassenverkehr, die nach einigen hundert Metern nicht mehr nachweisbar sind, und aus Flugzeugtriebwerken, die sich dann über viele Kilometer ausbreiten müssten, sein könnte. Könnten auch hier die volatilen Partikel, die in Turbinen-Abgasen sehr viel mehr vorhanden sind, eine Rolle spielen?
Wenn diese Fragen fundiert beantwortet werden können, kann das Projekt bereits einen ersten wertvollen Fortschritt verbuchen.
Bleiben noch die Anmerkungen zur Konzeption der Wirkungsstudie, die wir eher als politische Pflichtübung betrachten. Da heisst es zunächst:
"Die Bewertung der Risiken am Arbeitsplatz ist Angelegenheit der Berufsgenossenschaft."
Das ist bestenfalls teilweise richtig, denn die BG kann solche Bewertungen in aller Regel nur auf dem aktuellen "Stand der Technik" vornehmen. Grundlagenforschung gehört nicht zu ihren Aufgaben.
Man kann das vielleicht an einem Beispiel deutlich machen. Bei sog.
Fume Events,
d.h. dem Auftreten von ungewöhnlichen Gerüchen, Rauch oder Dämpfen in der Flugzeugkabine kam es in einigen Fällen zu deutlichen Krankheits-Symptomen, selbst Todesfälle wurden damit in Verbindung gebracht. Hier hat die zuständige BG Verkehr eigenständige Untersuchungen in Form eines sog.
Biomonitoring
in Auftrag gegeben, in dem betroffene Personen auf bestimmte, als Ursache vermutete Schadstoffe untersucht wurden (leider ohne Ergebnis).
Darüber hinausgehende medizinische und technische Untersuchungen waren aber selbst bei diesem akuten Problem von der BG nicht zu leisten. Die hier nötige Forschung wird aktuell z.B. unter dem
Dach der EASA
fortgeführt und passt insofern zu dem hier diskutierten Thema, als auch dort Öl-Komponenten, gegebenenfalls auch in Form von UFP, im Zentrum der Forschung stehen.
Unter diesem Aspekt sind die Aussagen im Dokument von Herrn Vogel zu Vorkommen und Toxizität verschiedener Stoffe aus der Gruppe der Organophosphate von begrenztem Wert. Es geht schlicht um die Frage: Sind ultrafeine Partikel mit Kernen aus (möglicherweise toxischen) organischen Substanzen gesundheitlich problematischer als solche mit Kernen aus (nicht toxischem) Russ?
Von daher kann man der Aussage:
"Eine toxikologische Untersuchung zur Wirkung von UFP wurde im Rahmen dieser Studie nicht beauftragt"
bestenfalls entnehmen, dass die Entscheidung darüber, die beim letzten Treffen noch offen war, inzwischen wohl gefallen ist. Ein Skandal bleibt sie trotzdem, allerdings (wieder mal) einer, der vom FFR zu verantworten ist.
19.05.2024
Die englische Zeitung The Guardian hat vor einigen Tagen eine Umfrage unter Klima-Wissenschaftler*innen durchgeführt und dabei "jede/n kontaktierbaren Leit-Autor*in und jede/n Review Editor der IPCC-Berichte seit 2018" (eigene Übersetzung) angefragt. 380 von 843 Personen haben geantwortet.
Eine der Kernfragen war, welchen Temperatur-Anstieg über das vorindustrielle Niveau hinaus die Expert*innen bis 2100 erwarten, und das Ergebnis war eindeutig: nur knapp 6% (22 Personen) glauben, dass das anspruchsvollere
Pariser Klimaziel
einer Erhöhung von nicht mehr als 1,5°C noch erreicht werden könne.
Das weniger anspruchsvolle 2°C-Ziel halten knapp 24% (90 Personen) noch für erreichbar. Der Rest geht davon aus, dass mindestens 2,5°C, vielleich aber auch noch deutlich mehr erreicht werden. Auch die Ursachen werden benannt:
"Fehlender politischer Wille wird von fast drei Viertel der Antwortenden genannt, während 60% auch geschäftlichen Eigennutz anführen, z.B. der fossilen Brennstoffindustrie" (eigene Übersetzung).
Ein Comic des Guardian, hier übersetzt. Er ist sicher nicht abwertend gemeint, aber ob man warnende Wissenschaftler*innen im Zeugen-Jehovas-Stil darstellen sollte, ist zumindest fraglich.
Entsprechend ist die
Stimmung,
die viele der Befragten zusätzlich geäussert haben. Der Guardian zitiert viele Einzelstimmen und fasst zusammen:
"Sie sind zutiefst erschrocken (terrified), aber entschlossen, weiter zu kämpfen, ... wie hoch die Temperaturen auch steigen mögen, denn jeder Bruchteil eines Grades, der vermieden wird, wird menschliches Leiden verringern" (eigene Übersetzung).
Ebenfalls im Guardian kommen
Politiker*innen aus aller Welt
zu Wort, die die Warnungen unterstützen und drastischere Kursänderungen fordern. Auch die ehemalige 'UN Klima-Chefin' Christiana Figueres, unter deren Leitung das Pariser Klimaabkommen geschlossen wurde,
ruft zu hartnäckigem Optimismus
auf.
In deutschen Medien spielt die Umfrage kaum eine Rolle. In einem
psychologisierenden Kommentar der FAZ
wird als zentrale Frage formuliert:
"Sollen Wissenschaftler solche Gefühle teilen?".
Im weiteren Text werden sie mit einem (verrückten?) Wissenschaftler in einem US-Katastrophen-Movie verglichen und es wird ein Beispiel angeführt, in dem eine Komikerin als "Übersetzerin" für wissenschaftliche Aussagen auftritt. Es wird, kurz gesagt, ein Kontext aufgebaut, in dem man auch ein paar Sätze über die eigentlichen Inhalte verlieren kann, ohne befürchten zu müssen, damit allzu viel Aufregung zu erzeugen.
Zwei Tage vorher fragt ein anderer
FAZ-Kommentar:
"Wie krass wird die Klimakrise noch?"
und antwortet:
"Der Blick in die Eiszeit zeigt: Schlimm genug, aber eine Nummer kleiner, als den Kollapsologen vorschwebt".
Auch damit ist der Ton gesetzt: Sooo schlimm wirds ja nicht, und wers nicht glaubt, hat einen Klaps. Da ist es fast egal, was danach noch geschrieben steht.
Die "klugen Köpfe", die angeblich hinter diesem Blatt stecken, sollen vor allem cool bleiben und sich auf die naheliegenden Probleme konzentrieren. Erstmal muss die Nato den Krieg gegen Russland gewinnen, den sie angeblich garnicht führt, ehe man sich darum kümmern kann, ob die Erde dann noch bewohnbar ist.
Wenn es in der Berichterstattung aber doch ums Klima geht, referiert man lieber wie der
Spiegel
kritisch-ausgewogen regierungs-offizielle
Studien
über
"Innovative Antriebe und Kraftstoffe für einen klimaverträglicheren Luftverkehr",
die zeigen, welche tollen Möglichkeiten es gibt, Emissionen zu reduzieren. Als kritischsten Satz aus dem Bericht zitiert der Spiegel:
"Schnelle Lösungen seien weder bei Antrieben noch bei neuen Kraftstoffen zu erwarten ...",
nach dem kritischeren Fazit als Zwischenüberschrift
"Klimaneutrale Luftfahrt bis 2050 wohl »unerreichbar«"
wird ein anderer Experte zitiert, so als gehöre das nicht zum Berichtsinhalt.
Die Frankfurter Rundschau bringt gleich 3 Beiträge zu diesem Thema. Zwei davon, in den Bereichen
Wissen
und
Wirtschaft
sind wortgleich, nur anders eingeleitet und verlinkt. Der dritte im Bereich
Politik
variiert die gleichen Inhalte sprachlich ein wenig mehr.
Quelle für diese Berichte ist offenbar neben der
Pressemitteilung
der Herausgeber der Studie, des
"Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag",
ein Beitrag des
Science Media Center,
in dem auch die vollständige Kritik des überall zitierten kritischen Experten, Stefan Gössling, zu finden ist.
Selbst die PM enthält klarere Aussagen, als sie in den o.g. Berichten zu finden sind:
"Eine vollständig klimaneutrale Luftfahrt lässt sich ohne eine Kompensation der Emissionen, eine Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre sowie eine Vermeidung von Flügen bzw. eine Verlagerung von Flügen auf andere Verkehrsträger nicht erreichen".
Aber auch wenn damit klar ist, dass die technologischen Lösungen, die die Luftfahrt-Industrie anbietet, bei weitem nicht ausreichen, ist die politische Stoßrichtung eindeutig: es müssen
"Unterstützung beim Aufbau der erforderlichen Infrastrukturen sowie die Anpassung von Regularien"
geleistet und
"die bestehenden Netzwerke von Innovationstreibern durch die Technologieförderung ... gepflegt und ausgebaut werden",
um damit die
"Schaffung eines verlässlichen Investitions- und Innovationsumfeldes"
zu ermöglichen. Oder kürzer: es müssen jede Menge Subventionen fliessen, und "bürokratische Hemmnisse" müssen abgebaut werden. Das kommt einem
seltsam vertraut
vor.
Bemerkenswert ist allerdings, dass es einige Punkte in den Bericht geschafft haben, die der Luftfahrtindustrie wohl weniger gefallen. Unter den "kurzfristig realisierbaren Maßnahmen mit großer Wirkung" sind genannt:
Natürlich gibt es auch Berichte, die die Mängel der "Klimastrategien" der Luftfahrt
noch wesentlich deutlicher
aufzeigen, ebenso wie solche, die
noch krasseren Technologie-Optimismus
verbreiten.
Der internationale Dachverband der Fluggesellschaften, IATA, findet in einer
Analyse
der 14 wichtigsten "Netto-Null"-Roadmaps für die Luftfahrt deutliche Unterschiede in den Erwartungen, welche Maßnahmen wie schnell Wirkungen zeigen, macht aber auch deutlich, dass kurzfristig wenig bis nichts passieren wird.
Die Station Mauna Loa auf Hawai und die dort seit 1960
gemessenen Werte
der atmosphärischen CO₂-Konzentration
Es bleibt daher bei der schon zwei Jahre alten Einstufung der Klimaschutz-Maßnahmen des Luftverkehrs als "kritisch unzureichend" und "in Übereinstimmung mit einer globalen Erwärmung von 4°C oder mehr". Dies gilt trotz der ergänzenden Beschlüsse der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO Ende 2023, denn die machen die Versäumnisse eher noch schlimmer. Es ist auch unabhängig davon, dass die aktuell berichteten Emissionen des Luftverkehrs anscheinend deutlich zu niedrig sind, weil die für die Prognosen keine grosse Rolle spielen.
Entscheidend sind ohnehin die Konzentrationen von Treibhausgasen, insbesondere CO₂, die in der Atmoshäre vorhanden sind, und die nehmen aktuell
so schnell wie noch nie
zu. Die Geschwindigkeit des Anstiegs übertrifft inzwischen die schnellsten jemals in der Erdgeschichte
gemessenen Anstiege
um das Zehnfache.
Das für das 1,5°C-Ziel noch verbleibende
CO₂-Budget
wird daher bereits in etwas mehr als 5 Jahren erschöpft sein. In dieser Zeit steigen die klimaschädigenden Emissionen des Luftverkehrs auch in den optimistischsten Szenarien noch massiv an.
Man ist daher geneigt, einem
vom Guardian zitierten
Wissenschaftler aus Südafrika zuzustimmen, der sagt
"Die Reaktion der Welt ist verwerflich - wir leben in einem Zeitalter der Narren (age of fools)" (eigene Übersetzung).
Die Weigerung der herrschenden Eliten, die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, ist allerdings nicht durch Dummheit begründet. Es sind vielmehr ideologische Verbohrtheit und Angst vor Veränderung und Machtverlust, die zu dem zerstörerischen "Weiter wie bisher, nur schneller" führen. Ohne eine Änderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse, speziell die Entmachtung der fossilen Brennstoff-Industrie und ihrer Verbündeten, wird es keine drastischen Kurskorrekturen geben, mit denen das aktuelle
Katastrophen-Wachstum
eingedämmt werden könnte.
Dauerschallpegel in Raunheim 2023.
(Grafik:
Fraport AG,
verändert und ergänzt.)
12.05.2024
Die Mai-Sitzung der Frankfurter Fluglärmkommission brachte keine überraschenden Neuigkeiten, und gute Nachrichten waren auch nur für einen Teil der von Fluglärm Betroffenen dabei (nicht für Raunheim).
Die Lärm-Entwicklung, soweit sie sich aus der
Berichterstattung der Fraport
ablesen lässt, bestätigt für 2023, was wir schon Mitte vergangenen Jahres
zu befürchten hatten
und was auch
vor der Pandemie
immer galt: Raunheim liegt bei den gemessenen Lärmwerten einsam an der Spitze.
Zwar schaffte es Fraport noch nicht, die Werte des ganzen Jahres zu berichten (sie behaupten bis November, liefern aber nur bis Oktober, weshalb wir fehlende Daten aus der
DFLD-Jahresstatistik
ergänzt haben), aber die fehlenden Monate ändern das Bild erfahrungsgemäß auch nicht mehr. Nur in Raunheim treten (am Tag) Dauerschallpegel über 60 dB(A) auf (eine Ausnahme diesmal: 60,8 dB(A) im Mai an der Station Opelbrücke, am östlichsten Rand von Rüsselsheim, Raunheim hatte da bei 24 Tagen mit Überflug satte 63,5 dB(A)). Das Mittel über die sechs verkehrsreichsten (Sommer-) Monate liegt in Raunheim bei 60,7 dB(A), den nächst-höheren Wert hat Flörsheim mit 57,5 dB(A).
Mal wieder ein trauriger Rekord, auf den die meisten hier im Ort sicher gerne verzichten würden. Und es ist auch kein wirklicher Trost, dass in der Nacht Büttelborn mit 52,9 gegenüber 52,7 dB(A) in Raunheim vorne liegt und auch Worfelden und Klein-Gerau noch knapp über 50 dB(A) liegen, und Raunheim bei den NAT68-Werten ("noise above threshold", nächtliche Einzelschall-Ereignisse über 68 dB(A)) nur an vierter Stelle liegt. Wir würden uns lieber in all diesen Reihen ganz hinten anstellen.
Zum Thema Passiver Schallschutz gab es einen Antrag der Stadt Mörfelden-Walldorf, der mit Bezug auf das in der FLK vorgestellte Gutachten zu gesundheitlichen Wirkungen von Fluglärm und der unzureichenden Umsetzung der Maßnahmen des baulichen Schallschutzes das Thema auf die Tagesordnung der FLK setzen und drei Fragen geklärt haben möchte:
1. Entsprechen insbesondere die Regelungen für Schalldämmlüfter dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik?Natürlich ist es gut, dass dieses Thema aufgegriffen wird, und die FLK hat dem Antrag auch zugestimmt, aber es bleiben dennoch weitere Fragen.
2. Welche Schalldämmlüfter und andere Maßnahmen, die dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen, werden dem Zweck der Versorgung der Fluglärmbetroffenen mit Frischluft auch unter Berücksichtigung von Energieverbrauch und Raumklima gerecht?
3. Welche Maßnahmen wären zu ergreifen, um die Akzeptanz und die Umsetzungsquote zu erhöhen? Hierbei wäre auch die Möglichkeit der Umwidmung von Mitteln zu beachten.
Die erste Frage wäre: stellt Herr Winkler sich hier absichtlich dumm, oder gibt es in seinem Rathaus tatsächlich niemanden (mehr), die/der zumindest ein paar Antworten zu den ersten beiden Fragen parat hat? Schließlich gibt es seit 2016 ein wegweisendes
Urteil über die Raumlüftung
und ein
Gutachten,
das wesentliche technische Fragen dazu ausführlich beantwortet, teilweise auch solche, die damals bezüglich der Möglichkeit der Übertragung dieses Urteils auf Frankfurter Verhältnisse
noch offen
waren. Lüfter, die die vom Gericht geforderten Leistungsdaten erfüllen,
gibt es natürlich auch, wahrscheinlich inzwischen auch in grösserer Auswahl.
Zweite Frage: was soll denn
"die Möglichkeit der Umwidmung von Mitteln"
bedeuten? Macht sich Herr Winkler hier Gedanken über den Haushalt der Fraport oder hat er neuerdings Zweifel daran, dass Schallschutz-Maßnahmen vom Verursacher des Lärms zu bezahlen sind, und möchte öffentliche Mittel dafür aufwenden?
Und drittens: Wenn er schon auf Gutachten und Berichte verweist, die gravierende Mängel beschreiben, warum erwähnt er dann nicht wenigstens einmal die umfangreichen Forderungskataloge
der FLK/ADF,
des
Umweltbundesamtes
und anderer, die beschreiben, wie diese Mängel behoben werden können? Warum fordert er nicht die notwendigen
Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen
und der
Berechnungsverfahren,
die die Bedingungen für baulichen Schallschutz wesentlich verändern müssten? Will er wirklich nur mit technisch etwas verbessertem Material erreichen, dass einige Leute mehr sich einen Lüfter einbauen lassen?
Mörfelden-Walldorf war lange Zeit das politische Zentrum des Widerstands gegen den Flughafenausbau, von da kamen wesentliche Impulse und Ideen für wirksame Strategien der Gegenwehr (und wurden aus dem Rathaus zumindest unterstützt). Diese Zeiten scheinen endgültig vorbei zu sein.
Die FLK möchte auch die Lärmentgelte
wirksamer gestaltet
wissen und schaut dafür
nach Berlin.
Am dortigen Flughafen BER wird seit dem vorletzten Jahr in der
Entgeltordnung
ein
"Lärmbezogenes Lande- und Startentgelt"
erhoben, das nach Lärmklassen gestaffelt ist, wobei
"für Luftfahrzeuge über 2.000 kg MTOM ... die Zuordnung der einzelnen Landungen und Starts zu einer Lärmklasse an Hand des tatsächlich gemessenen Lärmwertes"
erfolgt.
Nachdem Klagen von Airlines dagegen
gescheitert sind,
bittet die FLK den Flughafen Frankfurt,
"zu prüfen, in welcher Form lärmabhängige Flughafenentgelte auf Basis realer Messwerte jedes einzelnen Flugs ... eingeführt werden können"
und
"fordert das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main als Hauptanteilseignerinnen der Fraport AG auf, sich bei der Fraport AG für eine lärmschützendere Ausgestaltung der Flughafenentgelte unter Prüfung einzelereignisbezogener
Lärmentgelte einzusetzen".
Dass das eine gute Idee sein könnte, hatten wir schon in unserer
Stellungnahme zur 4. Lärmaktionsplanung
dem RP mitgeteilt, hatten da aber auch formuliert, dass dafür die technischen Bedingungen der Lärmerfassung verbessert werden müssten, was man auch an der
BER-Ausstattung
sehen kann. Es ist zu befürchten, dass das der Fraport (und ihren Anteilseignern*innen) zu teuer ist, aber warten wir die Prüfung ab.
Zum
Probebetrieb
des Segmented Approach, dem Anflugverfahren, mit dem hauptsächlich Mainz, Offenbach und Hanau umflogen werden sollen, gab es ein
Update
der Fluglärmschutzbeauftragten, in dem neben vielen Details bezüglich der bisherigen Nutzung dieser Routen insbesondere mitgeteilt wurde, dass nun die
"Genehmigung des Alt-MOC",
d.h. der beantragten Abweichung von den geltenden Sicherheitsregeln der ICAO, vorliegt. Damit kann nun die
"4. Phase des Probebetriebs"
eingeleitet werden, in der insbesondere geklärt werden soll,
"in welchem Umfang ... der RNP X im unabhängigen Betrieb angewendet werden kann",
d.h. inwieweit der Kurvenflug auch dann zur Anwendung kommen kann, wenn gleichzeitig auf der Nordwestbahn gelandet wird.
Den von den neuen Routen Betroffenen wird versichert,
"das HMWVW überwacht weiterhin, dass die Lärmauswirkungen des Probebetriebs innerhalb des bereits im Planfeststellungsverfahren abgewogenen bzw. vom 2011 festgelegten Lärmschutzbereich abgedeckten Bereich bleiben und keine darüber hinausgehenden (im rechtlichen Sinn) unzumutbaren Lärmbetroffenheiten entstehen".
Angesichts der Tatsache, dass die "im rechtlichen Sinn zumutbaren Lärmbetroffenheiten" medizinisch betrachtet
unzumutbar sind,
ist das ein schwacher Trost. Und da die
Lärmbetrachtungen
nur auf die Nachtschutzzone Bezug nehmen, also passiver Schallschutz bestenfalls für die Nacht, für viele Betroffene allerdings überhaupt nicht vorhanden ist, ist diese Aussage eigentlich eine Frechheit.
Aktuell wird noch vorbereitet, wann die "4.Phase" beginnt, wird noch mitgeteilt. Der nächste Schritt ist
"Auswertung der Erfahrungen und Ableitung von Empfehlungen des FFR vsl. ab Herbst 2024 und anschließend Beratung des weiteren Vorgehens in der Fluglärmkommission".
Zu der in der
Pressemitteilung
der FLK in den Mittelpunkt gestellten
Ankündigung,
bei den Flügen zur Vermessung des ILS-Systems künftig steiler zu starten und schneller fertig zu werden, haben wir keinen Kommentar. Die FLK
begrüsst die Änderung
und weist pro forma darauf hin, dass solche Meßflüge in der Nacht laut Planfeststellung eigentlich eine Ausnahme sein sollten, aber alle wissen, dass
"die ordnungsgemäße Aufrechterhaltung des Flugbetriebs am Flughafen Frankfurt erfordert, dass diese zwingend nicht
in der Zeit von 6-22 Uhr erfolgen können".
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass der neue Herr Minister seinen Antrittsbesuch bei der FLK absolviert hat und u.a. sagte:
"Auch das Land Hessen wird weiterhin Sorge dafür tragen, die Bevölkerung hinreichend vor Fluglärm zu schützen und den Erhalt gesunder Lebensbedingungen sicherzustellen".
Würde er das ernst meinen, müsste er umgehend drastische Maßnahmen einleiten, aber wir wollen unsere Erwartungen da erstmal nicht zu hoch hängen.
Das sind die Zahlungen, die geleistet wurden bzw. hätten geleistet werden müssen, wenn für alle Emissionen gezahlt werden müsste.
05.05.2024
Die Dachorganisation der Umweltinitiativen im Verkehrsbereich auf europäischer Ebene,
Transport & Environment,
hat eine aktualisierte Analyse der Zahlungen der Luftverkehrsgesellschaften an die europäischen Emissionshandelssysteme veröffentlicht. Das deutsche T&E-Büro
teilt dazu mit:
"Lufthansa ist nach einer Analyse von Transport & Environment (T&E) die zweitschmutzigste Fluggesellschaft Europas. Nur Ryanair verursachte mehr Emissionen... Für mehr als 80 Prozent ihrer Emissionen bezahlte die Lufthansa keinen Cent, da Langstreckenflüge außerhalb Europas nicht unter die europäischen Emissionshandelssysteme fallen. Lufthansa bezahlte durchschnittlich nur 13 Euro pro Tonne CO2 im vergangenen Jahr. Das Umweltbundesamt beziffert die Klimakosten für eine Tonne CO2 mit 237 Euro."
Zu "Lufthansa" gehören hier nur Lufthansa Airlines und Cargo, nicht die anderen Airlines der Lufthansa Group wie Austrian, Swiss, Brussels, Eurowings, Discover, CityLine usw.
Das Brüsseler T&E-Büro konzentriert sich in seiner
Mitteilung
mehr auf die Billigflieger:
"Ryanair ist zum dritten Mal hintereinander die am meisten verschmutzende Airline in Europa. ... Ryanair und Wizz Air verschmutzten mehr als je zuvor - weit über ihren Peak in 2019 hinaus. ... Insgesamt wurden 78% der CO₂-Emissionen des Luftverkehrs nicht bepreist, weil sie nicht in den Bereich der Emissionshandelsmärkte fielen oder die Berechtigungen kostenlos vergeben wurden." (eigene Übersetzung).
Das
11-seitige Briefing
liefert noch eine Menge mehr Zahlenmaterial und formuliert einige daraus folgende politische Forderungen, darunter die Forderung, alle Flüge, die in Europa starten, in den Emissionshandel einzubeziehen, Kerosin zu besteuern und das Wachstum des Luftverkehrs einzudämmen..
Im Kern besagt die Analyse, dass die gegenwärtige Form der Einbeziehung des Luftverkehrs in die europäischen Emissionshandelssysteme (der EU, Grossbritanniens und der Schweiz) absolut nichts dazu beiträgt, die Klimaschäden, die er anrichtet, in irgendeiner Form zu reduzieren. Selbst in der
Logik des Emissionshandels
sind die aufgezeigten Defizite so gravierend, dass die gewünschte Wirkung,
"den Ausstoß klimaschädlicher Gase in Europa ... auf marktwirtschaftlicher Basis"
zu reduzieren, nicht erreicht werden kann. Mit durchschnittlichen Preisen pro Emissionseinheit, die z.T. weit unter 20% des Marktpreises liegen, wird keinerlei Lenkungswirkung erzielt.
Auch die Berücksichtigung des internationalen Kompensationssystems
CORSIA,
dem die nicht vom ETS erfassten internationalen Flüge unterliegen, würde am Ergebnis der Analyse nichts ändern, denn dort musste
auch 2023 nichts
für Emissionen bezahlt werden. Die
absehbaren Veränderungen
in den beiden Systemen ETS und CORSIA werden die Situation, wenn überhaupt, dann nicht grundlegend verbessern. CORSIA ist schon
von der Anlage her
völlig unzureichend, und die dort einsetzbaren Zertifikate sind
überwiegend nichts wert
und werden von Fluggesellschaften
regelmäßig mißbraucht.
Auch die grundsätzlich etwas solider angelegten EU-Berechtigungen wurden immer wieder Opfer
krimineller Machenschaften,
und Verstösse werden
nicht überall
verfolgt.
Betrachtet man weiterhin die finanzielle Seite des Gesamtbildes, dann wird zudem deutlich, dass die Luftverkehrswirtschaft aufgrund einer Reihe von weiteren Mechanismen weitgehend sicher sein kann, dass sie aus den europäischen "Klimaschutz-Mechanismen" auch künftig regelmäßig mehr herausbekommt, als sie einzahlen muss.
Die Gelder, die die EU bzw. die Mitgliedsstaaten aus dem Emissionshandel einnehmen, wandern gesetzlich festgelegt zu einem weitaus überwiegenden Anteil in Fonds, aus denen Klimaschutz-Maßnahmen finanziert werden sollen. In Deutschland ist das der
Klima- und Transformations-Fonds,
der alleine oder zusammen mit dem
EU-Innovationsfonds
eine Vielzahl von Projekten finanziert. Zwar sind im KTF nur 140 Mio € direkt für "klimaneutrales Fliegen" ausgewiesen (etwa der Betrag, den Lufthansa aktuell einzahlt), aber zuletzt auf der sog.
Nationalen Luftfahrt-Konferenz
wurde sehr deutlich, dass der Luftverkehr auch über eine Vielzahl von anderen Pro&jekten, z.B. im Rahmen der
Wasserstoff-Strategie
oder der
PtL-Roadmap
subventioniert wird.
Nimmt man die sonstigen Subventionen für den Luftverkehr hinzu, die sich, wie das Beispiel des Verzichts auf die Kerosinbesteuerung allein für Inlandsflüge zeigt, als
negative CO₂-Preise
in einer Grössenordnung von mehreren hundert Euro pro Tonne CO₂ ausdrücken lassen, wird deutlich, dass die klimaschädlichen Emissionen des Luftverkehrs nicht bepreist, sondern finanziell gefördert werden. Berücksichtigt man weiter, dass die Emissionen des Luftverkehrs insgesamt 2-3 mal klima-schädlicher sind als die des CO₂ allein und auch für diese Schäden gezahlt werden müsste, wird deutlich, wie massiv die Vorteile des aktuellen Systems für den Luftverkehr sind.
Die bisher beschlossenen Reformen am EU-ETS werden im Laufe des nächsten Jahrzehnts vielleicht einige der übelsten Mißstände etwas eingrenzen, aber das ändert im Kern nur wenig. Von der Luftverkehrswirtschaft selbst ist natürlich auch kein Einsehen zu erwarten. Ihre Ziele waren und sind
unvereinbar
mit den Zielen des Pariser Abkommens, aber sie versucht massiv, ihre desolate Klimabilanz und ihre Privilegien mit
Greenwashing
verschiedenster Art zu verteidigen, auch wenn sie dabei häufig die
Grenzen der Legalität
überschreitet.
Unter der Annahme, dass auch solche Werbekampagnen Wirkung zeigen und zusätzliche Ticketverkäufe bewirken (sonst würden sie nicht finanziert), kann man ihnen auch einen Anteil der Emissionen und damit der Klimaschäden zuordnen. Eine
neuere Untersuchung
kommt so zu dem Schluss, dass jeder Euro, den Lufthansa in Greenwashing-Kampagnen investiert, 36,4 kg CO₂-Äquivalente an Emissionen generiert, für Ryanair sind es 60,9 kg CO₂e.
Auch deshalb lohnen sich die
Proteste
gegen diese Kampagnen, und sie erzielen auch durchaus Erfolge:
Austrian Airlines,
KLM
und
Eurowings
wurden bereits abgemahnt und mussten Kampagnen beenden,
Lufthansa
und
17 andere Airlines
müssen sich aktuell vor Gericht bzw. vor der Europäischen Kommission verantworten.
Die eigentlich notwendige, inzwischen
immer dringendere
Wende zu sofortigen, drastischen Emissionssenkungen, mit denen die Klimakatastrophe vielleicht noch eingedämmt werden könnte, kann aber ohnehin nicht durch derartige "markt-basierte Maßnahmen" erreicht werden. Die Menschheit kann es sich nicht mehr leisten, noch jahrelang auf die Kräfte "des Marktes" zu hoffen und das zwangsläufig auftretende Marktversagen bestenfalls nach Jahren korrigieren zu können.
Solange kein grundlegendes politisches Umsteuern erfolgt, wird es dabei bleiben, dass der Luftverkehr nicht nur aktuell das klimaschädlichste Fortbewegungsmittel ist, sondern auch in Zukunft die Klimakatastrophe massiv anheizen wird. Ohne drastische Einschränkungen dieses Sektors wird die Welt unbewohnbar werden.
Das sind die "CargoCity"-Flächen auf dem Flughafengelände
(Grafik: openstreetmap.org, Beschriftungen verändert)
27.04.2024
Mit einem
Masterplan CargoHub
möchte Fraport
"ein umfassendes Innovations- und Investitionspaket"
auf den Weg bringen und
"drei zentrale Initiativen zur Weiterentwicklung des Standorts: Digitalisierung & Prozessinnovation, Flächenoptimierung und Flächenentwicklung"
starten.
Grund ist die Erwartung, dass
"das Cargo-Geschäft weltweit und in Europa mittel- bis langfristig weiter zunehmen"
wird, was
"für den Standort im Jahr 2040 ein Luftfrachtaufkommen von über drei Millionen geflogenen Tonnen"
bringen soll,
"ein Plus von rund 50 Prozent gegenüber dem bisherigen Höchstwert von 2021".
Ist das nun ein neuer Ausbauschritt, drohen bisher nicht geahnte, neue Belastungen? Wie immer lohnt es sich, die großspurigen Ankündigungen auf ihren realen Gehalt zu untersuchen, die bisherigen Entwicklungen zu betrachten und zu versuchen, daraus mögliche neue oder veränderte Pläne abzuleiten.
Da wäre zunächst einmal zu fragen, wie realistisch die Grundannahme der Steigerung des Frachtaufkommens auf das Anderthalbfache bis 2040 ist. Diese Annahme stützt sich, ähnlich wie die Prognosen für die Passagier-Entwicklung, im Wesentlichen auf die Erfahrung, dass die Luftfracht global in den letzten 50 Jahren
stetig gewachsen
ist und Krisen wie die Finanzkrise 2008/9 und auch die Pandemie 2020/21 sehr schnell überwunden wurden. Natürlich weiss niemand, ob dies angesichts neuer globaler Krisen und zunehmender Aufrüstung und Kriegsgefahr in vielen Teilen der Welt auch weiterhin gilt und wie hoch der Anteil Europas/Deutschlands daran sein wird, aber diese Faktoren entziehen sich jeder Prognose.
Von den drei angekündigten Initiativen ist Digitalisierung & Prozessinnovation am wenigsten einer Beurteilung zugänglich. Dass es hier Verbesserungsbedarf und -potentiale gibt, ist allgemein bekannt. Aber die von Fraport als "zentrale Maßnahme" angekündigte
Air Cargo Community
gibt es bereits, fast
alle machen mit,
nur die "Roadmap", die über zu erwartende Entwicklungen Auskunft geben könnte, ist nirgendwo zu finden. Die
Maßnahmen-Liste,
die Fraport anbietet, ist imposant, aber wenig konkret.
Über die beiden anderen Initiativen gibt es allerdings deutlich mehr Informationen.
Die Flächenoptimierung bezieht sich im Wesentlichen auf die
CargoCity Süd.
Dort war zuletzt 2020 eine neue Halle
in Betrieb gegangen,
Anfang dieses Jahres begann der
Bau einer weiteren Halle
für DHL. Damit scheint sich auch ein Trend zu verstetigen, wonach FRA Frachtflugverkehr
von anderen Standorten abzieht, auch weil Lufthansa ihre
Europa-Frachtflotte ausbaut,
die auf FRA stationiert ist. Der BDL hatte in seiner
jüngsten Studie
noch eingeschätzt:
"Europafracht hat für Frankfurt eine im Vergleich zu den anderen Airports eher geringe Bedeutung".
Lufthansa
investiert
auch in ihr Frachtcenter LCC in der CargoCity Nord und baut dort neue Hochregallager und Hallen. Damit werden wohl auch die Voraussetzungen geschaffen, neue, umstrittene Geschäftsmodelle chinesischer Handelsplattformen
zu unterstützen.
Neu ist allerdings die Ankündigung,
"vorhandene Flächen in der CargoCity Süd umzugestalten und weiterzuentwickeln. Flugbetriebsflächen und Frachtflächen sollen so getauscht werden, dass 43.000 Quadratmeter zusätzliche Luftfrachtfläche mit direkter Anbindung an das Vorfeld sowie 20.000 Quadratmeter zusätzliche Flächen für Ground Handling und Sonderabfertigungen entstehen".
Wie das räumlich aussehen soll, zeigen Skizzen auf der entsprechenden
Unter-Seite.
"Die 18 bisher geplanten Flugzeugpositionen werden dabei lediglich neu angeordnet".
Trotzdem nimmt Fraport dafür ein bisheriges Tabu-Wort in den Mund und formuliert:
"Hierzu steht Fraport in intensivem Austausch mit den zuständigen Genehmigungsbehörden und wird das notwendige Planänderungsverfahren zeitnah anstoßen".
Der ansonsten unantastbare Planfeststellungsbeschluss soll also für diese "Optimierung" tatsächlich geändert werden - etwas, was bei anderen Themen bisher meist als unmöglich zurückgewiesen wurde, egal, wie sehr sich Voraussetzungen und/oder Rahmenbedingungen geändert haben.
Üblicherweise wird in solchen Fällen argumentiert, dass der von einem PFB "Begünstigte" natürlich das Recht habe, Änderungen an den ihm zugestandenen Rechten zu beantragen, aber immerhin handelt es sich bei einem solchen Verfahren um einen Abwägungsprozess, in dem auch die Belange Dritter, also auch der Anwohner, zu berücksichtigen sind. Man sollte sich aber dabei keine Illusionen machen. Die Neuverteilung der vorhandenen Flächen betrifft die Interessen Dritter bestenfalls marginal und wird den Fraport-Wünschen wohl kaum im Weg stehen. Und die möglichen weiteren Konsequenzen dieser Änderung, wie zum Beispiel erhöhte Frachtmengen, mehr Frachtflüge etc. sind von der bestehenden Genehmigung, die ja praktisch keinerlei Grenzen diesbezüglich kennt, völlig abgedeckt.
Auch die Flächenentwicklung, die den Aufbau der CargoCity West, dem ehemaligen Ticona-Gelände, meint, ist rechtlich weitestgehend abgesichert. Die Stadt Kelsterbach hat 2017 den notwendigen
Bebauungsplan
für das Gelände beschlossen, ein weiterer für die Anbindung an die Rüsselsheimer Strasse (ehem. B43) ist
auf den Weg gebracht.
Allerdings dürfte ungewiss sein, ob die Stadt Unterführung und Kreisel überhaupt finanzieren kann, wenn die Gewerbesteuer von Fraport auch
in den nächsten Jahren wegfällt. Aber das ist eine Frage der Prioritäten.
Wir konnten nicht feststellen, ob die vorgeschriebenen Altlasten-Sanierungen abgeschlossen wurden und ob die Unterkünfte für Kreuzkröte, Flussregenpfeifer, Zauneidechse und Heidelerche in dem schmalen Grünstreifen zur Autobahn hin ordnungsgemäß errichtet wurden, aber daran scheitert eine Bebauung nur selten.
Dem angekündigten
ersten Schritt
steht also nichts im Weg. Da
"sind Speditionsanlagen in zwei Reihen auf einer Fläche von 250.000 Quadratmetern sowie Betriebsanlagen auf 70.000 Quadratmetern geplant",
die
"voraussichtlich ab 2028 für die Vermarktung zur Verfügung"
stehen. Deren
"Anbindung an den Flughafen"
soll
"über einen Verkehrsanschluss an die B43 mit einer neu errichteten Unterführung"
erfolgen. Im Kern geht es also um eine Erweiterung des Mönchhofgeländes, nur innerhalb des Flughafen-Zauns.
Inwieweit im zweiten Schritt noch wesentliche (und juristisch angreifbare) Veränderungen erfolgen sollen, lässt sich frühestens dann beurteilen, wenn die wolkigen Ankündigungen einer
"organisatorischen Anbindung an den Flughafen über integrierte Prozesse",
"einer luftseitigen Anbindung an den Flughafen über die Landebahn Nordwest"
oder
"einem Trimodal Hub mit einem KV-Terminal (Kombinierter Verkehr) eines externen Vorhabenträgers"
wenigstens ein bißchen mit Inhalt gefüllt werden. Da das Ganze aber unter einem Bedarfs-Vorbehalt steht und mit einer Umsetzung bestenfalls irgendwann nach 2030 zu rechnen ist, ist es derzeit kein Thema.
Als Neuigkeit bleibt also allein die Ankündigung eines Planänderungs-Verfahrens für die CargoCity Süd, alles andere entspricht den bisherigen
Ausbau-Planungen.
Verändert sind noch Namen und Begrifflichkeiten. Es gibt einen "Masterplan", nach "Airport City" und "Cargo City" gibt es jetzt den "Frankfurt CargoHub" (oder "Fraport CargoHub"?), entsprechend wird die ehemalige
Airport City West
nun zum "LogisticHub West".
Wer Spaß an juristischen Auseinandersetzungen, gute Nerven und entsprechende Ressourcen hat, kann also demnächst mal wieder versuchen, der weiteren Wucherung dieses Flughafens ein paar Paragraphen in den Weg zu legen, aber die Erfolgsaussichten dürften begrenzt sein. Da lohnt es wohl eher, immer wieder aufzuzeigen, welche Schäden Fraport, Lufthansa & Co. mit solchen Projekten in wirtschaftlicher, ökologischer und gesundheitlicher Hinsicht anrichten.
Das waren die Meßstellen auf dem Flughafengelände
(Grafik entnommen einer
Präsentation
zur UFP-Belastungsstudie,
Beschriftungen ergänzt. Zum Vergrössern anklicken)
18.04.2024
Anfang der Woche hat das Umwelt- und Nachbarschaftshaus etwas überraschend eine
Pressemitteilung
zum Stand des Projekts
SOURCE FFR
veröffentlicht - die erste seit Beginn des Projekts vor über einem Jahr. Anlass war:
"Zweite Messkampagne zu ultrafeinen Partikeln (UFP) im Rahmen von SOURCE FFR (Study On Ultrafine Particles in the Frankfurt Airport Region) auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens wurde abgeschlossen."
Der erste Kampagne wurde laut dem im März präsentierten
Zwischenbericht
"im September / Oktober 2023"
durchgeführt.
"Die zweite Messkampagne am Frankfurter Flughafen startete am 19. März 2024 und wurde am 16. April 2024 abgeschlossen. Diese erweitert nicht nur die Datenbasis der ersten Messkampagne, sondern diente auch zum erstmaligen Einsatz von neuer Aerosolmesstechnik auf einem Flughafenvorfeld. ... Ziel der beiden Messkampagnen insgesamt ist es, die Partikelemissionen von rollenden, startenden und landenden Flugzeugen in unmittelbarer Nähe zu messen."
Um die Bedeutung zu betonen, fehlt es nicht an Superlativen.
"Die Detailtiefe von SOURCE FFR und damit auch die Aussagekraft dieser Studie wurde bisher von keiner anderen Ultrafeinstaubstudie in einer Metropolregion mit Flughafen erreicht",
und
"Mit Blick auf das Gesamtvorhaben handelt es sich um die umfassendste Flughafenstudie zum Thema Ultrafeinstaub."
Weitere Highlights stehen kurz bevor. So
"wird die Technische Universität Braunschweig (TUBS) im Herbst 2024 und Frühjahr 2025 Messungen der UFP-Konzentrationen in verschiedenen Höhen im Umfeld des Flughafens durchführen."
Dabei
"sollen vertikale Messungen erfassen, wie sich die Konzentration der Partikel mit der Höhe verteilt ... aber auch, welchen Einfluss Überflüge auf die UFP-Belastung haben."
"Im Sommer 2024 wird die UFP-Ausbreitungsmodellierung gestartet, in der für die zwei Jahre 2019 und 2024 die Konzentration der UFP in der Modellregion berechnet wird. Parallel dazu werden Immissionsmessungen in und um Frankfurt herum durchgeführt, die der Modellvalidierung dienen."
Aber das Beste kommt wie immer zum Schluss:
"Im Frühjahr 2025 steht ein weiterer Meilenstein bevor: Das wissenschaftliche Konsortium um das TROPOS wird einen schriftlichen Bericht über erste Projektergebnisse vorlegen, der öffentlich zugänglich sein wird."
Die Kernbotschaft dieser Pressemitteilung an die Öffentlichkeit ist also: "Wir machen hier seit einem Jahr ganz tolle Sachen und haben auch noch viel vor, aber bis ihr erfahrt, was dabei rauskommt, müsst ihr noch ein Jährchen warten."
Muss das so sein? Natürlich ist klar, dass eine vollständige Auswertung solcher Messungen einiges an Zeit in Anspruch nimmt, insbesondere dann, wenn neue Meßtechniken eingesetzt wurden. Trotzdem drängen sich eine Reihe von Fragen auf, auf die zumindest vorläufige Antworten möglich sein sollten. Wie verhalten sich die gemessenen Größenordnungen von nicht-flüchtigen und flüchtigen Partikeln im Verhältnis zu an anderen Flughäfen durchgeführten Messungen? Unterscheiden sich die Messungen an den drei Meßpunkten, die ja im Wesentlichen die drei Phasen startender, landender und rollender Verkehr repräsentieren? Haben sich in der ersten Meßkampagne Auffälligkeiten ergeben, die in der zweiten Kampagne überprüft werden konnten? Ergaben sich spezielle Arbeitshypothesen, die nun zu prüfen sind?
Man könnte die Liste fortsetzen. Auch zu den "nächsten Schritten" wären weitere Details interessant. Wo genau kommt die TUBS-Drohne zum Einsatz, und wie soll damit der "Einfluss der Überflüge" gemessen werden? Was wurde aus einem vergleichbaren Einsatz am Berliner BER gelernt? Wo überall werden "Immissionsmessungen zur Validierung der Modellierung" durchgeführt, und was wird da alles gemessen?
Natürlich würden Aussagen zu diesen Fragen nicht zum Tagesgespräch in den Kneipen der Region, aber es gibt genügend Menschen, die sich von der Schadstoff-Belastung durch den Luftverkehr betroffen fühlen und die genauer wissen wollen, was getan wird und welche Fortschritte es geben könnte, aber eben auch, was nicht getan wird und wo es mehr politischen Druck braucht, um Fortschritte zu erzielen.
Wir haben einiges dazu bereits in unserer
Kritik
anlässlich des FFR-Treffens mit den BIs im März formuliert, und diese PM liefert keine einzige Antwort dazu. Wir wollen aber nicht warten, bis das Glück auch zu uns kommt, wie es die 20er-Jahre-Operettenschnulze den braven Mädchen empfiehlt. Wir fordern von einem Projekt, das mit Steuergeldern ein Problem untersucht, das für die Bevölkerung im Umfeld des Flughafens von höchster Relevanz ist, größtmögliche Transparenz und Offenheit und eine zeitnahe und detaillierte Information darüber, was getan wird und was dabei herauskommt.
„Luftansicht des Frankfurter Flughafens, um 1984“,
in: Largis Hessen, Historische Bilddokumente
(Ausschnitt, Beschriftung ergänzt)
10.04.2024 (Update 20.04.2024)
Vor 40 Jahren, am 12. April 1984, wurde die Startbahn 18 West am Flughafen Frankfurt in Betrieb genommen - ganz ohne die sonst bei solchen Gelegenheiten unvermeidlichen Feierlichkeiten. Zu gross war der Widerstand gegen dieses Projekt in der Region gewesen, zu viele Menschen waren dagegen auf die Strassen und in den Wald gegangen - und zu brutal hatte der Machtapparat aus Politik und Polizei die Konzerninteressen dagegen durchgeprügelt, als dass sich irgend jemand eine öffentliche Feier getraut hätte. Die Zeichen standen überwiegend auf Befriedung.
Die gelang dann auch weitgehend. Neben einer
satirischen Eröffnungsveranstaltung
der BIs anlässlich der Inbetriebnahme gab es am 14.04. noch einmal eine grössere "Sonntagsdemo" mit rund 15.000 Teilnehmer*innen, danach flauten die Aktivitäten immer weiter ab.
Der aktivistische Teil der Bewegung setzte die Strategie der "Nadelstiche" am Startbahngelände noch einige Zeit fort, bis nach den tödlichen Schüssen auf zwei Polizeibeamte anlässlich einer
Jubiläumsaktion
zum Jahrestag der Hüttendorf-Räumung am 02.11.1987 auch damit Schluss war.
Inzwischen sind die Ereignisse von damals wohl nur noch denen präsent, die direkt daran beteiligt waren. Die Tradition der
Sonntagsdemos
lebte im Widerstand gegen den Bau der Nordwestbahn nochmal auf, und vor zehn Jahren haben die Stadt Mörfelden-Walldorf, einst Zentrum des Widerstands, und die dortigen BIs auch noch eine
eigene Veranstaltung
zu diesem Jahrestag gemacht. Heute aber wird er in den Medien eher wie ein Ereignis abgehandelt, das Stoff für den Geschichtsunterricht oder eine Museumsausstellung liefert.
Was aus der Geschichte der Bewegung gegen die Startbahn West zu lernen wäre, hat schon mal vor drei Jahren anlässlich anderer
Jahrestage
eine Rolle gespielt. Im Herbst 2021 jährten sich einer der wenigen juristischen Erfolge der Bewegung und zwei Niederlagen. Das von der Landesregierung bekämpfte "Mediations-Nachtflugverbot" konnte vor Gericht verteidigt werden und trat 2011 in Kraft, allerdings zusammen mit der Eröffnung der Nordwestbahn, einem wesentlichen Schritt der neuen Ausbaurunde. Und vierzig Jahre vorher, am 02.11.1981, wurde mit der brutalen Räumung des Hüttendorfs auf dem Startbahngelände die Hauptbauphase der 18 West eingeleitet.
Der recht unterschiedliche Umgang mit diesen Ereignissen sowie die Tatsache, dass sich Anfang 2021 eine der ältesten Strukturen des Widerstands gegen den Flughafenausbau, die "Interessengemeinschaft gegen Fluglärm (IGF)"
aufgelöst
hatte, waren damals schon Anlass für
Betrachtungen
über den aktuellen Stand der Widerstands-Bewegung. Die
Rede
anlässlich des 12. Jahrestages der Inbetriebnahme der Nordwestbahn im Herbst letzten Jahres war ein Versuch, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Diskussionen im Vorfeld des aktuellen Jahrestages machten aber sehr deutlich, dass die wesentlichen Fragen nach wie vor unbeantwortet sind. Welche Lehren aus der Startbahn-Bewegung für heute zu ziehen sind und wie der Kampf gegen die weitere Expansion des Flughafens und des Luftverkehrs erfolgreicher geführt werden könnte, ist nach wie vor offen.
Fragt man stattdessen zunächst, welche Bedeutung dieser Ausbauschritt eigentlich hatte, fällt die Antwort leichter. Die Startbahn West hat wesentlich dazu beigetragen, die Kapazität des Flughafens zu erhöhen, obwohl sie betrieblich gesehen wohl die dümmst-mögliche Variante einer Erweiterung war. Nur für Starts in eine Richtung nutzbar, erfüllt sie nur ein Viertel der Aufgaben, die eine Bahn normalerweise hat (Starts und Landungen in beide Richtungen). Quer am Ende des Haupt-Bahnsystems gelegen, muss der Zubringer-Verkehr die anderen Bahnen kreuzen, was insbesondere bei Landungen aus Westen zu Verzögerungen und Staus führt. Empfindlich für zu starke Rückenwinde aus Norden, ist das Risiko eines Ausfalls bei bestimmten Wetterlagen recht hoch.
Dass sie trotzdem so gebaut wurde, weil anderer Platz nicht zur Verfügung stand, macht klar: FRA sollte trotz der völlig ungeeigneten Lage in einem Ballungsgebiet zum zentralen deutschen Hub ausgebaut werden, und mit dem Bau der Startbahn West wurde diese Entscheidung ein Stück weiter in Beton gegossen und damit schwieriger zu korrigieren. Dass dann 25 Jahre später eine betrieblich ebenso fragwürdige vierte Bahn in den Kelsterbacher Wald betoniert wurde, war nur noch eine weitere traurige Konsequenz.
Damit wird es aber immer unwahrscheinlicher, dass der lokale Widerstand in der Rhein-Main-Region wesentliche Änderungen in der Rolle von FRA im Flughafen-System der Bundesrepublik erzwingen könnte, selbst wenn es gelänge, eine neue Bewegung in der Dimension der Startbahnbewegung der frühen achtziger Jahre zu organisieren (wovon wir meilenweit entfernt sind). Fraport wird ihre Position aggressiv verteidigen und auszubauen versuchen, und sie hat breite Unterstützung der etablierten politischen Kräfte dafür - jedenfalls solange, bis das Wachstum des Luftverkehrs generell an Grenzen stösst. Das könnte durch eine rationale gesellschaftliche Entscheidung bewirkt werden - wird aber sehr viel wahrscheinlicher durch die Wirkung äusserer Einflüsse, speziell der Auswirkungen der eskalierenden Klimakatastrophe, geschehen.
Auf dem Weg dahin bleibt der Bewegung im Wesentlichen nur, als
gute Demokraten
in der Tradition der Startbahn-Bewegung die Entwicklungen zu begleiten, Mißstände aufzudecken, die
negativen Folgen des Flugverkehrs
zu benennen,
Lügen
und
Greenwashing
zu entlarven, kurz also,
zu sagen, was ist. Kleine Erfolge, wie Verbesserungen beim Schallschutz, gewisse Reduktionen bei den Schadstoff-Immissionen, Blockaden besonders belästigender oder riskanter Flugverfahren etc. sind denkbar - grössere Veränderungen können, wenn überhaupt, dann nur im Bündnis mit anderen Bewegungen erzielt werden.
Auch das aber setzt fundierte Analysen der aktuellen Entwicklungen, präzise Argumentationen und Hartnäckigkeit voraus - Dinge, die der aktuellen Bewegung allzu oft fehlen. Das aber kann man aus allen erfolgreichen Bewegungen, wie z.B. auch der Anti-AKW-Bewegung, lernen. Es ist harte Arbeit, den Gegner immer wieder mit wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fakten zu konfrontieren und seine Behauptungen zu widerlegen. Emotionale Empörung ist auch notwendig - reicht aber alleine bei Weitem nicht aus.
Auf der Webseite des BBI gibt es noch einen lesenswerten Beitrag von zwei Mitstreitern aus Mörfelden-Walldorf, die im Kampf gegen die Startbahn West von Anfang an an vorderster Front dabei waren. Jossy Oswald und Rudi Hechler.
17.03.2024
Wie angekündigt, wurde das eigentlich für Freitag, den 26.01., geplante, aber verschobene 'Austauschtreffen' zwischen FFR/UNH und den Bürgerinitiativen am 08.03. nachgeholt. Gegenüber dem
Stand Ende Januar
waren der Einladung nicht nur Präsentationen eines
Projektberichts
und eines
Konzepts
für die Wirkungsstudie beigefügt, sondern auch noch eine weitere Präsentation zur
UFP-Belastungsstudie.
Zusätzlich wurden auf der
Projekt-Webseite
zwischenzeitlich noch der ausführliche
Bericht
über die
"Erstellung eines Studiendesigns zur Entwicklung einer UFP-Wirkungsstudie"
sowie die
Stellungnahme
der "Wissenschaftlichen Qualitätssicherung" dazu eingestellt.
Durch die zusätzlichen Materialien und die Möglichkeit, nicht nur die Folien zu sehen, sondern auch die Erläuterungen dazu zu hören, wurde schon einiges verständlicher.
Besonders viel zum besseren Verständnis bei trug aber die Bereitschaft der beiden Vortragenden, Frau Prof. Hoffmann für das Design der Wirkungsstudie und Herr Prof. Vogel für den Stand der Belastungsstudie, auf alle Fragen aus der Runde ausführlich einzugehen,. Auch die Ergänzungen der Fluglärmschutzbeauftragten, Frau Barth, die als Mitglied des FFR-AK UFP über den dortigen Diskussionsstand berichtete, waren hilfreich.
Es liegt in der Natur der Sache, dass trotzdem etliche Fragen unbeantwortet blieben und etliche Antworten unbefriedigend waren. Darauf wollen wir hier in der logischen Reihenfolge eingehen und zuerst die kritischen Fragen formulieren, die sich aus den vorliegenden Aussagen zur Belastungsstudie ergeben. Diese Fragen sind zusammengefasst folgende:
Hier nur soviel: Dass die UFP-Quellen aus dem Flugverkehr nicht umfassend erfasst werden, lässt sich schon aus der in der Präsentation angedeuteten Definition des Modellierungsgebietes schliessen. Es wurde offensichtlich ausschließlich mit dem Flughafengelände als Quelle festgelegt und umfasst wesentliche Bereiche, in denen hinreichend niedrig geflogen wird, nicht.
Dass die Messungen zur Validierung der Modellierungen nicht ausreichen werden, deutet sich dadurch an, dass in vielen Bereichen bisher nicht oder nicht ausreichend gemessen wird. Es gibt aber nur ganz wenige Aussagen über zusätzliche Messungen, die auf keinen Fall ausreichen können.
Zu den geplanten Modellierungen gibt es garkeine Aussagen, so dass man auf das zurückgreifen muss, was bisher an Modellen eingesetzt wurde. Das reicht mit Sicherheit nicht aus, und es ist nicht erkennbar, dass im laufenden Projekt relevante Ressourcen für die Entwicklung neuer Techniken eingesetzt würden.
Auch bei der Untersuchung der gesundheitlichen Wirkungen der Flugzeug-UFP ist leider Skepsis angebracht. Zwar ist das Design der Wirkungsstudie noch nicht endgültig festgelegt und der FFR-Koordinierungsrat wird noch im Einzelnen beschliessen, was aus dem vorgelegten Konzept noch alles aus "finanziellen Gründen" herausgekürzt wird. Aber es gab beim Treffen klare Aussagen zu zwei Dingen, die nicht stattfinden werden.
Wenn im Konzept der Wirkungsstudie von "zeitlich hoch aufgelösten" Darstellungen die Rede ist, geht es um Stunden- oder bestenfalls Halbstunden-Werte. Es gibt also auch keine Chance, die bestenfalls Minuten andauernden, extrem hohen Belastungen zu erfassen und zu untersuchen, die regelmäßig bei Überflügen entstehen.
Ohne extrem rechthaberisch wirken zu wollen, können wir daher feststellen, dass alle Bedenken, die wir bei der Vorlage der ersten Projektkonzeption im Juli 2022 formuliert haben, sich zu bestätigen scheinen, und dass die Kernaussage des damals präsentierten Graphical abstract nach wie vor gültig ist:
Auf dem Weg zu einer Ultrafeinstaubstudie im FFR bestimmt die Luftverkehrswirtschaft die Marschrichtung(Wir hätten ja mit solchen Prognosen gerne mal unrecht, aber das ist offenbar systembedingt unmöglich.)
Der Einfluss der Luftverkehrswirtschaft wird dabei nicht einmal besonders subtil zur Geltung gebracht. Im neunköpfigen Koordinierungsrat, der letztendlich auch über die finanziellen Hebel darüber entscheidet, was gemacht wird und was nicht, sitzen drei Vertreter der Luftverkehrswirtschaft (Fraport, Lufthansa, DFS), drei Vertreter*innen der Fraport-Anteilseigner (Land Hessen/Staatskanzlei, HMWEVW, Stadt Frankfurt) und zwei kommunale Vertreter. Dazu kommt der FFR-Vorsitzende, der dort als "Präsident acatech" geführt wird, aber bei Kenntnis der Geschichte des Flughafenausbaus beim besten Willen nicht als neutral betrachtet werden kann.
Damit muss man davon ausgehen, dass auch mit diesem Projekt die entscheidenden Fortschritte beim Verständnis der Wirkungen von Ultrafeinstaub aus Flugzeug-Triebwerken auf die Gesundheit der Anwohner nicht erreicht werden. Das heisst aber nicht, dass das Projekt völlig unbrauchbar wäre. Es gibt immer noch Hoffnung, dass aus den durchgeführten Untersuchungen wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen werden können, welche gesundheitlichen Schäden UFP im Allgemeinen anrichten können. Damit könnte auch ein wichtiger Beitrag zur Ableitung von allgemeinen Grenzwerten für die UFP-Belastung geleistet werden.
Ein vollständiges Bild der Belastungen durch den Flugverkehr und der daraus resultierenden Schäden wird es aber nur dann geben, wenn die Betroffenen insgesamt wesentlich mehr Einfluss darauf erzwingen, was untersucht wird.
Wenn also das laufende Projekt absehbar zu klein dimensioniert oder unzureichend ausgerichtet ist, dann kann die Schlussfolgerung daraus nur sein, dass die hier offen bleibenden, aber dringend zu lösenden Fragen anderswo bearbeitet werden müssen. Und es wäre auch nur konsequent, wenn dafür die für die Probleme Verantwortlichen herangezogen würden. Wer potentiell toxische Stoffe in Verkehr bringt und im Verdacht steht, durch ihre Nutzung Gefahren für die Öffentlichkeit zu bewirken, hat zu beweisen, dass die dadurch geschaffenen Risiken tolerabel sind, oder er muss diese Nutzung verändern oder einstellen. Im Klartext: die Hersteller von Turbinen-Ölen, von Flugzeug-Triebwerken und die Fluggesellschaften haben zu untersuchen, was ultrafeine Partikel aus diesen Ölen bewirken und wie ihre Freisetzung minimiert werden kann.
Ebenso haben Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten am Arbeitsplatz oder ihre Kunden spezifischen Risiken aussetzen, diese Risiken zu untersuchen und zu minimieren. Fraport wäre also als Erste in der Pflicht, die UFP-Belastung an den Arbeitsplätzen und in den Aufenthaltsbereichen am Flughafen und deren gesundheitliche Wirkung zu untersuchen und zu minimieren.
Von selbst werden sie das natürlich nicht tun. Es braucht öffentlichen Druck auf die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen, solche Konsequenzen durchzusetzen. Die nächste Gelegenheit, zuständige Politiker*innen mit solchen Fragen zu konfrontieren (und die Chance zu haben, dass sie zuhören), sind die
Europawahlen
im Juni.
29.02.2024
Mitte Februar hat Fraport etwas überraschend per
Pressemitteilung
verkündet, dass sie in diesem Jahr eine grosse Werbekampagne unter dem Titel
100 Jahre wie im Flug
durchziehen wollen.
Anlass ist:
"Ein Jahrhundert ist vergangen, seit mit Gründung der Südwestdeutschen Luftverkehrs AG die Geschichte der heutigen Fraport AG begann und sich die Stadt Frankfurt am Main zum Luftverkehrsstandort entwickelte".
Das gemeine Volk erwartet
"jede Woche neue bunte Geschichten und Aktionen rund um den Flughafen"
und
"zahlreiche Publikumsveranstaltungen auf der Besucherterrasse des Airports",
aber
"das Fachpublikum spricht Fraport mit hochkarätig besetzten Konferenzen und Vorträgen gesondert an".
Freuen wir uns also auf ein bißchen Disneyland am Flughafen, und vielleicht sickert ja aus den illustren Fachrunden auch noch die ein oder andere Information durch.
Ganz dumm soll aber auch die Öffentlichkeit nicht bleiben, deshalb gibt es auf der Kampagnenseite auch zwei inhaltliche Elemente: eine
Festschrift,
auch "Jubiläumsbuch" genannt, zu "100 Jahren Flughafengeschichte", und eine Bilderstrecke
Fliegen gestern und heute
zu 100 Jahre Luftverkehr von 1909 bis 2026 (ja, das sind 117 Jahre, und heute ist nicht 2026, aber dazu kommen wir gleich).
Im Inhaltsverzeichnis ist es nicht erkennbar, aber die Bilderstrecke ist auch in der Festschrift auf den Seiten 118 bis 123 abgedruckt, allerdings nicht mit Fotos, sondern nur mit Zeichnungen.
Zunächst wollen wir kurz auf die positiven Aspekte eingehen, die es in diesen Materialien erstaunlicherweise auch gibt. Dazu gehört, dass sowohl in der Bilderstrecke als auch in der Festschrift im Kapitel Verantwortung auf das grösste Verbrechen der Nazis am Frankfurter Flughafen eingegangen wird: die Errichtung des KZ-Außenlager Walldorf und der Einsatz von 1.700 jüdischen Zwangsarbeiterinnen für den Bau einer neuen Start- und Landebahn für die 'Wunderwaffe Düsenjäger' im zweiten Halbjahr 1944. Fraport weist auch auf die Verstrickung ihrer Vorgänger-Gesellschaft in diese und andere Verbrechen während der NS-Herrschaft hin und kann zurecht für sich in Anspruch nehmen, bereits in der Vergangenheit zu Aufklärung und Dokumentation und einer gewissen Entschädigung der überlebenden Frauen beigetragen zu haben.
Damit unterscheidet sie sich positiv z.B. von der Firma Züblin, die damals die Bahn mit Hilfe der Zwangsarbeiterinnen gebaut hat und bis heute am Ausbau des Flughafens gut verdient, vom Airrail Center/The Squaire über Brücken für die Landebahn Nordwest bis hin zu
Terminal 3
und
LCCevolution
von Lufthansa Cargo.
Erst im Jahr 2023 hat Züblin zusammen mit der Mutterfirma STRABAG im Rahmen gemeinsamer Jubiläumsfeierlichkeiten so etwas wie
Verantwortung eingestanden
für die Beteiligung an
"dem menschenverachtenden Einsatz von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen auf den Baustellen"
und erklärt:
"Maßnahmen, die zur Erforschung der Tatsachen und dem Andenken der Opfer dienen, werden von den Unternehmen rückhaltlos unterstützt".
Von Entschuldigung und Entschädigung ist aber auch da nicht die Rede.
Positiv (jedenfalls im Vergleich zu anderen) ist insgesamt auch das Festschrift-Kapitel zum
Thema
Vielfalt,
das wichtige Aussagen zu Diversität und Inklusion enthält, den teilweise schwierigen Weg dorthin andeutet und mit einem Bekenntnis zur Bekämpfung
"fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Gewalt"
und
"für ein demokratisches, an den Grundsätzen von Humanität und Menschenwürde orientiertes Miteinander"
endet.
Warum gerade am Anfang dieses Kapitels noch ein paar historische Fakten benannt sind, die in den anderen Kapiteln fehlen, erschliesst sich nicht. Die wenigen Sätze weisen aber auf einige Randbedingungen der Anfangsphase der Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland hin, die etwas klarer machen, in welcher Tradition Fraport wirklich steht.
Wenn Fraport-Chef Schulte
mit Pathos davon spricht,
dass der Flughafen
"ein Symbol für Verbindungen – Verbindungen zwischen Kulturen, Menschen und Ideen"
sei, wo
"Welten zueinander"
finden und
"eine Atmosphäre des Austausches und der Zusammenarbeit"
schaffen, beschreibt er damit bestenfalls einen Teil der Wirklichkeit. So sehr solche und ähnliche idealistische Vorstellungen Individuen angetrieben haben mögen, die Geschichte des Luftverkehrs wurde und wird von anderen Kräften geprägt.
Auch Frankfurt wurde nicht erst durch die
Internationale Luftschiffahrt-Ausstellung
1909
"zu einem Hotspot der deutschen Luftfahrt".
Die
Entwicklung des Luftverkehrs
begann auch hier einiges früher, und in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde besonders deutlich, was die
treibenden Kräfte
waren. Aber Fraport möchte nicht so gerne darüber reden, dass der zivile Flugverkehr ohne massive staatliche Subventionen nicht möglich gewesen wäre, und dass diese Subventionen hauptsächlich deshalb flossen, weil er zugleich Wegbereiter und Tarnkappe des Sektors war, der im Mittelpunkt des staatlichen Interesses stand: des Militär-Flugbetriebs.
Ähnlichkeiten zur heutigen Situation sind weder beabsichtigt noch zufällig, sondern systembedingt. Auch wenn das Verhältnis von zivilem und militärischem Flugbetrieb heute komplexer ist, hat sich an der
Subventionsabhängigkeit
nichts geändert. Allein die Steuerbefreiungen von Kerosin und internationalen Flügen beliefen sich nach
Schätzungen des UBA
2018 auf über 12 Milliarden Euro.
Deshalb listet Fraport im
Kapitel
Wirtschaft,
das auch die Anfangszeit behandelt, lieber lange Reihen von Zahlen zu beförderten Passagieren und Frachtmengen, Investitionen und Stammkapital auf, die das schöne Bild vom ständigen Wachstum malen sollen, leider hin und wieder unterbrochen von widrigen externen Ereignissen wie Kriegen, Wirtschaftskrisen und Pandemien. Es ist das
übliche Fraport-Gerede
vom grenzenlosen Wachstum, hier wieder garniert mit den ebenso üblichen Phantasien über
induzierte, katalysierte und imaginierte Arbeitsplätze
und Spekulationen über die angebliche
wirtschaftliche Bedeutung
des Flughafens.
Es werden auch tolle,
50 Jahre alte Ziele
erwähnt wie
"Die FAG sollte ein vorbildlicher Arbeitgeber mit leistungsgerechter Bezahlung und sozialer Sicherheit sein",
aber dabei natürlich übergangen, dass davon heute
nichts mehr wahr ist,
weil
"sich der zivile Luftverkehr in Europa von einem stabilen, staatlich geprägten Segment zu einem schnelllebigen ökonomischen »Haifischbecken« gewandelt hat, in dem heute eine Vielzahl verschiedener Anbieter und Subunternehmen einen harten Unterbietungswettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten austragen"
und Fraport da einer der grossen Fische ist.
Auch ist natürlich nicht davon die Rede, dass die
aktuellen Geschäftsmodelle
der Flughäfen in keiner Beziehung nachhaltig sind und auch Fraport den Flugbetrieb mit Gewinnen aus anderen Bereichen
quersubventionieren
muss. Dafür darf ein inzwischen ausgetauschter Minister von
"exakten Berechnungen"
der
"wirtschaftlichen Bedeutung"
des Flugverkehrs faseln und dafür uralte Gutachten zitieren, deren
Methodik fragwürdig
ist und die wirtschaftliche Effekte behaupten, die
empirisch nicht nachweisbar
sind.
Und der IHK-Chef empfiehlt den "angrenzenden Kommunen",
"sich als Teil einer erweiterten Airport City zu verstehen"
und
"mit einer vorausschauenden Flächenpolitik"
weitere
"innovative und internationale Unternehmen"
anzulocken. Für gesundheitliche oder ökologische Bedenken ist in seiner Sicht auf die
"Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main"
kein Platz. Und nicht nur damit ist er aus der Zeit gefallen. Auch der Begriff "Airport City" ist
seit Jahren überholt
und wird wegen allzuviel Anmaßung nicht mehr verwendet. Aber das war für hessische Unternehmerverbände
noch nie ein Argument.
Er passt damit aber zu Fraport, die z.B. auf S. 77 ihrer Festschrift über eine Allianz mit dem Flughafen Amsterdam Schiphol namens
Pantares
schreibt, als würde die noch existieren. Dabei ist sie schon vor Jahren von der Bildfläche verschwunden, und in der einzigen je entwickelten gemeinsamen Aktivität, einem Logistik-Zentrum in Hongkong, werden sie als
einzelne Investoren
geführt.
Das mag man noch als Kuriosum abtun, aber im
Kapitel
International
wird es unter
Geschäfte jenseits des Zauns
richtig unverschämt. Dort behaupten sie:
"Athen-Eleftherios Venizelos war Mitte der 1990er-Jahre ein Referenzmodell für die Fähigkeiten der Frankfurter gewesen. 2015 führte der Erfolg dazu, dass Fraport ... den Zuschlag erhielt, 14 griechische Flughäfen für 40 Jahre zu managen."
Angesichts der Tatsache, dass diese 14 Flughäfen einem unter EU-Aufsicht stehenden griechischen Staat
mit kriminellen Mitteln
gestohlen wurden und Fraport auch in den Folgejahren
von den Zwangsbedingungen profitierte,
ist diese Aussage an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Und auch bei anderen Fraport-Übernahmen bleibt
der schmutzige Hintergrund
unerwähnt.
Was im
Kapitel
Umwelt
alles fehlt, mißverständlich oder falsch dargestellt oder schlicht gelogen ist, lässt sich im Rahmen eines solchen Beitrags garnicht alles auflisten. Unsere ganze Webseite beschäftigt sich seit nunmehr zwölf Jahren damit, und wir empfehlen einfach, die einschlägigen
Themenblöcke
für eine alternative Darstellung und Hinweise auf die vielfältigen Skandale zu durchforsten.
Lediglich zwei Themen wollen wir hier aufgreifen, weil sie in der Festschrift prominent präsentiert werden und wir dazu bisher wenig gesagt haben. Da ist einmal die Klimapolitik der Fraport, bei der sie eine noch erschreckendere Borniertheit demonstrieren als in anderen Bereichen, und Aussagen zur Biodiversität.
Das Instrument, das Fraport für ihre Aktivitäten im Bereich Klimapolitik an vielen Stellen zitiert, ist die sog.
Airport Carbon Accreditation
(ACA), ein Zertifizierungs-Mechanismus, den sich Fraport im Rahmen ihres Dachverbandes
ACI Europe
selbst so zurechtgeschneidert hat, dass sie 2009
"als erste Flughafen-Betreibergesellschaft die Akkreditierung"
erhielt und
"bereits 2012 das Level 3 (Optimisation")"
erreichte - und seither dabei stehengeblieben ist. Die fortschrittlichsten Flughäfen auf diesem Gebiet haben inzwischen das siebte Level erreicht und sind (wegen der Mängel dieses Instruments) trotzdem noch lange nicht am Ziel, aber Fraport behauptet, sie würden
"verantwortungsvoll und transparent führen",
wenn sie auf absehbare Zeit im unteren Mittelfeld verbleiben.
Dass sie ACA, in dem es alleine um CO2 geht, dann auch noch als Mittel
"zur Vermeidung von Luftschadstoffen"
präsentieren und als Erfolgsbeweis
"die niedrigsten Jahresmittelwerte von NO und NO2 innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten"
während der Coronapandemie anführen, ist an Absurdität kaum noch zu überbieten.
Sie versuchen es allerdings, wenn sie von
"vielfältiger Flora und Fauna"
auf dem Flughafengelände reden und von
"Grünflächen von rund 600 Hektar Größe, die mit regionalen Gräserarten bepflanzt"
und
"Heimat für zahlreiche, zum Teil auch seltene Tierarten"
sind. Beweis: Es
"sind mehrere Fuchsbauten auf dem Gelände zu finden".
Ausserdem gibt es vierzehn
"in Deutschland oder Hessen gefährdete Pflanzen auf dem Gelände des Flughafens".
Das muss man sich erstmal trauen: man rodet riesige Flächen in einem jahrhundertealten Wald, betoniert grosse Teile, verhindert in allen anderen Teilen jeden grösseren Aufwuchs, vergrault alles, was sich bewegt und gross genug ist, bei den eigenen Maschinen Schaden anzurichten, erzeugt ein in Bezug auf Licht, Lärm und Schadstoffe extremes Lokalklima - und feiert sich dann dafür, dass die Natur robust genug ist, auch für eine solche Umgebung noch ein paar Arten zu finden, die sonst wenig Chancen haben, aber da existieren können. Und Fraport hat auch noch das Glück, einen ansonsten ernstzunehmenden Ornithologen zu haben, der das alles irgendwie gut findet.
Da bewegt sich das
Kapitel
Zukunft
ganz im Rahmen der Erwartungen, wenn dort verkündet wird,
"Bis 2045 sollen die CO2-Emissionen auf null sinken. LED-Lampen, Umstellung der Fahrzeugflotte, energetische Ertüchtigung der Gebäude und der Gepäckförderanlage sind hier die entscheidenden Stellschrauben ...".
Ansonsten wird da noch über freies Internet, Biometrie, IT und andere Gadgets gefaselt und die üblichen Phantasien der Luftverkehrswirtschaft über
Wasserstoff und SAF
wiedergekäut.
Dazwischen gibt es noch die Drohung, die noch ruhigeren Gegenden der Region, aber insbesondere die Städte in absehbarer Zeit mit
Flugtaxis
zu verlärmen und natürlich auch für
Überschall-Flugzeuge
offen zu sein, sollten sie jemals wieder in Betrieb gehen.
Interessant sind noch die Aussagen zum Terminal 3. Neben der Versicherung, dass es 2026 in Betrieb gehen wird, werden dafür auch noch revolutionäre Eigenschaften wie "großflächige Photovoltaik" und "Regenwasser-Nutzung" angekündigt, von denen bisher nicht die Rede war. Dass es nicht mehr mit Glühbirnen, sondern mit LEDs beleuchtet wird, war allerdings vorher schon bekannt.
Und auch die
Auftakt-Talkrunde,
in der als treue Erfüllungsgehilfen aus dem Politik-Lager die Frankfurter Ex-OB Petra Roth und der hessische Ex-Ministerpräsident und
notorische Lügner
Roland Koch auftreten durften, blieb fast frei von Überraschungen. Die beiden wurden allseits gelobt und lobten sich selbst dafür, wie konsequent sie alle Ausbau-Wünsche des Flughafens umgesetzt haben. Frau Roth garnierte das noch mit Anekdoten darüber, wie sie sich selbst davon überzeugt habe, wie unerträglich der Lärm sein kann und dass er krank machen kann, aber tröstete sich damit, dass sie der Fraport eine "Kulturstiftung" abgetrotzt habe, die das alles wieder wundersam (für sie?) erträglich macht.
Lediglich dass Herr Koch, dreist und arrogant wie eh und je, aber ausnahmsweise mal nahe an der Wahrheit, noch hervorhob, dass dieser Flughafen eigentlich für Stadt und Region viel zu gross ist und nur existieren kann, weil er auch noch andere Regionen auf der Welt ausbeutet, hätte eigentlich ein Ansatz für Diskussionen sein können, aber alle nickten nur freundlich dazu und fanden das ganz in Ordnung. Dass er damals im letzten Moment die Nachtflugbeschränkungen, die er als unabdingbar für den Ausbau bezeichnet hatte ("Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot - Kein Nachtflugverbot ohne Ausbau"),
mit falschen Behauptungen
wieder einkassieren wollte,
übergingen er und alle anderen natürlich auch.
100 Jahre wie im Flug
darf also nicht mißverstanden werden als ein Versuch, in irgendeiner ernsthaften Weise Firmengeschichte aufzuarbeiten, sich mit den sie prägenden schweren Konflikten auseinanderzusetzen und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Das Micky-Maus-Niveau der meisten Beiträge und Veranstaltungen ist im Grunde eine Beleidigung für alle Beteiligten, gibt aber auch einen Hinweis darauf, was Fraport heute hauptsächlich ist: eine Art durchkommerzialisierter Umsteigebahnhof in einem gigantischen Vergnügungspark, dessen Attraktionen auf der ganzen Welt verteilt sind. Das eindeutig dominierende Kerngeschäft ist
der Tourismus,
Geschäftsflieger und die Luftfracht, insbesondere für den Luxuskonsum, sind weitere Standbeine, alles andere ist mehr oder weniger Beiwerk. Dass hinter der freundlichen Fassade
aggressive Profitgier
die Strategie bestimmt, kann niemanden überraschen.
Warum sie diese Kampagne gerade jetzt durchziehen, erschliesst sich uns noch nicht. Vielleicht ist es einfach die Notwendigleit, nach fünf Chaos-Jahren
von 2018
bis heute
mal wieder was fürs Image zu tun, vielleicht glauben sie auch, den Kritikern der
kommenden Zumutungen
frühzeitig Wind aus den Segeln nehmen zu können. Beides wird ihnen in ihrem unmittelbaren Umfeld nicht gelingen, weil die Belastungen schlichtweg zu hoch sind. In der weiteren Region könnten sie damit aber Erfolg haben, wenn die Betroffenen nicht massiv dagegen halten.
06.02.2024 (Update 26.02.2024)
Das Umweltbundesamt hat einen Text mit dem wenig aussagekräftigen Titel Analyse des Vollzugsstandes der 2. FlugLSV veröffentlicht. Das lässt nicht erahnen, dass hier eine unglaubliche Skandalgeschichte beschrieben wird.
Die Fluglärmkommission informiert dazu:
"Im Auftrag des Umweltbundesamtes hat das Öko-Institut e. V. analysiert, welche baulichen Schallschutzmaßnahmen aufgrund der Änderung des Fluglärmschutzgesetzes im Jahr 2007 tatsächlich umgesetzt wurden und wie hoch die Kosten hierfür waren. Als Fazit wird festgestellt, dass "weder die prognostizierte Anzahl der Anträge, noch die im Rahmen der Novellierung des FluglärmG 2007 erwarteten Kostenfolgen erreicht wurden".".
Das deutet schon an, dass der Schutz vor Fluglärm damit kein besonders hohes Niveau erreicht haben kann, aber um zu verstehen, wie unzureichend die Regelungen tatsächlich sind, muss man sich noch einige Details anschauen.
Als der Gesetzestext 2004 entworfen wurde, ging die Luftverkehrswirtschaft noch
"von möglichen Kosten in Höhe von ca. 1 Mrd. € aus".
Diese Schätzung wurde im Laufe des Verfahrens auf eine
"Summe von 614 Mio. Euro"
reduziert. Der Entwurf wurde aber im Gesetzgebungsverfahren bis zur Verabschiedung 2007 noch deutlich verwässert, so dass das UBA im
Fluglärmbericht 2017
feststellen konnte:
"So wurden bislang an zivilen und militärischen Flugplätzen insgesamt rund 18,3 Mio. € für bauliche Schallschutzmaßnahmen erstattet. Zu dieser Summe kommen noch 45 Mio. €, die in den nächsten Jahren erwartet werden".
Der aktuelle Bericht stellt nun fest, dass bisher (Stand 31.01.2023) knapp 32,3 Mio. € ausgegeben wurden, davon knapp 26 Mio. € (also rund 80%) am Flughafen Frankfurt. Da die Antragsfristen fast überall abgelaufen sind, wird sich daran auch nicht mehr viel ändern.
Es ist einer verantwortungslosen Luftverkehrslobby zusammen mit willfährigen Politikern und Regierungsbeamten in Bund und Ländern also gelungen, die für die Gesundheit der Anwohner*innen rund um die deutschen Flughäfen als notwendig erachteten Ausgaben auf kaum fünf Prozent (!) des ursprünglich kalkulierten Betrags zu senken.
Welche Schäden deshalb durch
vermeidbare Krankheiten
und
vorzeitige Todesfälle
entstanden sind, wird in der Studie nicht abgeschätzt - und auch sonst nirgendwo.
Auch wenn man berücksichtigt, dass neben den Mitteln für Schallschutzmaßnahmen nach dem Fluglärmgesetz für neue oder ausgebaute Flughäfen auch noch Mittel nach dem jeweiligen Planfeststellungsbeschluss oder anderen Programmen ausgezahlt wurden, ändert sich das Bild in den meisten Fällen kaum. Das lässt sich auch am Flughafen Frankfurt zeigen.
Hier gab es laut UBA-Text (S. 67) vorher schon
"zwei freiwillige Erstattungsprogramme: das „Freiwillige passive Lärmschutzprogramm“ sowie das „Freiwillige Nachtschutzprogramm“".
Das erste lief von 1983-1989 mit technisch heute völlig überholter Ausstattung, statistische Aussagen dazu gibt es offenbar nicht mehr. Das "Nachtschutzprogramm" lief von 2001-2006 mit zum großen Teil ebenfalls veralteter Ausstattung (Fenster der Schallschutzklasse 3 und die unsäglichen "Schalldämmlüfter"). Da waren 17.500 Wohneinheiten anspruchsberechtigt, 14.000 haben Anträge gestellt. Wieviele Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurden und was es gekostet hat, wird nicht gesagt.
Für das Programm ab 2011, das laut Gesetz überwiegend erst ab 2017 starten sollte, aber zur Beruhigung der nach der Eröffnung der Landebahn Nordwest ziemlich wütenden Bevölkerung mit Steuermitteln vorgezogen wurde und ab 2013 starten konnte, gibt es ein paar mehr Daten. Demnach liegen 12.500 Wohneinheiten sowohl in der Tagschutzzone 1 (TSZ1) als auch in der Nachtschutzzone (NSZ), in letzterer, da sie grösser ist, zusätzlich noch 69.000 WE (in Raunheim ist das ein Bereich nördlich der Ringstrasse/Jakobstrasse und im äussersten Süden). In der TSZ1 wurden 11.100 Anträge gestellt und 9.700 bewilligt, davon wurden etwa 2/3 tatsächlich auch umgesetzt. In der NSZ wurden 28.600 Anträge gestellt, 25.000 bewilligt, aber nur rund 1/3 umgesetzt.
(Im UBA-Text sind in der Tab. 23, S. 62, die diese Daten zusammenstellt, die Spaltenüberschriften durcheinander geraten. Korrekt findet man die Darstellung in einer
Präsentation,
die bereits im Mai letzten Jahres in der Fluglärmkommission vorgestellt wurde.)
Die Methoden, mit denen den Menschen ein angemessener passiver Schallschutz vorenthalten wird, sind vielfältig. Bereits im Gesetz angelegt sind ein völlig unzureichendes Schutzniveau, das aber durch willkürliche Beschränkungen des finanziellen Aufwands pro Wohneinheit häufig nicht einmal erreicht wird, abschreckende Wartefristen (bis zu sechs Jahren), absurde Anrechnungen früherer Maßnahmen und weitere Schikanen, die nur einem völlig perversen Rechtsverständnis entsprungen sein können.
Dadurch und durch die Beschränkungen der geförderten Maßnahmen auf bestimmte Räume bzw. Raumnutzungen entstehen Bewilligungen, die technisch komplett unsinnig sind und/oder für eine sinnvolle Umsetzung erhebliche Eigenmittel der Bewohner erfordern. Gerade in der Nachtschutzzone, in der nur der Schutz von Schlafräumen gefördert wird, wurden daher viele Bewilligung, z.B. für eine partielle Dämmung der Fassade vor oder des Dachs über dem Schlafraum, nicht umgesetzt. Und die von Fraport angebotenen "Schalldämmlüfter" waren lüftungstechnisch, energetisch und akustisch von Anfang an eine Zumutung.
Es liessen sich noch eine Reihe weiterer Gründe dafür aufführen, dass die insgesamt 34.700 Bewilligungen letztendlich nur zu den 20.000 Maßnahmen geführt haben, die der UBA-Text auf S. 65 im Einzelnen aufführt (s. auch Grafik oben).
Dennoch führt Frankfurt sowohl nach der Zahl der Anträge (39.700, also für fast die Hälfte der 81.500 antragsberechtigten Wohneinheiten) als auch nach der ausgezahlten Summe (knapp 26 Mio €) die "Erfolgsliste" des Berichts mit großem Abstand an, was natürlich auch daran liegt, dass kein anderer deutscher Flughafen soviel Wohnbebauung verlärmt. Insgesamt wurden für alle deutschen Flughäfen nur knapp über 32 Mio € für Schallschutzmaßnahmen nach dem Fluglärmgesetz ausgegeben. Fraport nennt sogar 24.400 geförderte Haushalte und eine Summe von 28 Mio. € für dieses Programm und weist noch darauf hin, dass sogar noch mehr Geld als einmalige Schmerzensgeld-Zahlung, offiziell "Aussenwohnbereichsentschädigung gem 3. FlugLSV", ausgezahlt wurde, nämlich 32 Mio. € für 11.900 Haushalte. Dieses Geld stammt aber aus dem sog. "Regionalfond", der 2012 von der Hessischen Landesregierung zur Befriedung der Region mit über 260 Mio. €, ganz überwiegend aus Steuergeldern, ausgestattet wurde. Daraus wurden ebenfalls noch Schallschutzmaßnahmen für private Haushalte finanziert, aber wieviel, haben wir auf die Schnelle nicht herausgefunden. Der grössere Teil dieses Geldes ging jedenfalls in die "kommunale Schiene", d.h. Schallschutz- und sonstige Maßnahmen der Kommunen an öffentlichen Einrichtungen.
Dass es aber auch noch deutlich besser gemacht werden kann, wird im UBA-Text nur kurz angedeutet, weil es nicht Thema der Studie war. An einigen Flughäfen wurden die Regelungen des Fluglärmgesetzes praktisch garnicht angewendet, weil dort im Planfeststellungsbeschluss zur richtigen Zeit weitergehende Schallschutzauflagen formuliert wurden. Dabei ragt der Berliner BER heraus, für den eine ausgezahlte Summe (inkl. "Schmerzensgeld") von über 121 Mio. € und ein noch offener Betrag von rund 45. Mio € genannt werden.
Aus den
Berichten
der Betreibergesellschaft FBB ergibt sich, dass dort 26.500 Wohneinheiten anspruchsberechtigt sind, für 85 % davon Anträge gestellt wurden und die zu 97 % abgearbeitet sind. Mit der Umsetzung hakt es allerdings auch da: in der neuesten
Pressemappe
kann man nachlesen, dass zwar
"rund 430 Millionen Euro ... bereits in den passiven Lärmschutz am Flughafen BER investiert"
wurden, aber erst 33% der baulichen Umsetzungen erfolgt sind.
Zusätzlich zum deutlich grösseren Umfang der Zahlungen hat der Widerstand gegen den Bau dieses Flughafens, dem sicher auch die relativ "großzügigen" PFB-Auflagen zu verdanken sind, mit intensiver Lobbyarbeit und aufwändigen Gutachten vor Gericht auch noch
bessere technische Lösungen
durchgesetzt.
Vergleicht man Frankfurt und Berlin anhand der anspruchsberechtigten Wohneinheiten und der nach Betreiberangaben aufgewendeten Summe, so ergibt sich für Frankfurt 60 Mio € für 81.500 WE oder 736 €/WE, für Berlin 430 Mio € für 26.500 WE oder 16.226 €/WE. In Berlin wurde demnach pro Wohneinheit 22mal mehr für Schallschutz ausgegeben als in Frankfurt. Dieser Vergleich mag in Details problematisch sein, aber er zeigt doch die unterschiedlichen Grössenordnungen, um die es hier geht.
Trotzdem muss man davon ausgehen, dass auch in Berlin
nicht alles so geregelt
ist, wie es
gesundheitlich notwendig
wäre. Auch da zeigt sich einmal mehr: der passive Schallschutz kann und muss sehr viel besser werden, aber er bleibt trotzdem
nur eine Notlösung.
Ohne ein Schrumpfen des Flugverkehrs am Tag und ein Verbot in der Nacht geht es nicht.
Fraport hält für die geplagten Anwohner aber erstmal eine andere Wohltat bereit. Seit dem 01. Februar nimmt das
Fraport Infofon
Fluglärmbeschwerden auch wieder telefonisch entgegen, täglich von 5 bis 24 Uhr. Der Fortschritt ist beachtlich:
"Telefon-Agentinnen und Agenten nehmen die Anfragen auf und leiten an die Beschäftigten des Fraport-Nachbarschaftsdialogs weiter",
wo sie bisher in schriftlicher Form auch gelandet sind. Im
Anfrage-Portal
konnte man sich allerdings zeit- und energie-sparend die Floskeln, die später als Antwort kommen würden, gleich direkt abholen.
In einer
Präsentation
für die Fluglärmkommission nennt Fraport noch weitere Details. Derzeit läuft ein Testbetrieb:
"Das Infofon wird für 15 Monate wieder in Betrieb genommen. In dieser Testphase werden Daten evaluiert und Anfang 2025 über eine eventuelle Fortführung entschieden".
Für Anwohner in Flörsheim und Raunheim interessant:
"Das Infofon nimmt auch Hinweise zu Wirbelschleppenschäden auf".
Wenn die natürliche Intelligenz nicht ausreicht, die Sinnhaftigkeit dieser Einrichtung angemessen zu würdigen, kann
Künstliche Intelligenz
aushelfen:
"Insgesamt machen Fluglärmbeschwerden Sinn, weil sie die berechtigten Anliegen der betroffenen Menschen hervorheben. ... Wenn genügend Menschen ihre Unzufriedenheit äußern und sich beschweren, kann dies dazu führen, dass Maßnahmen ergriffen werden, um den Fluglärm zu reduzieren".
Eifrig teilnehmen soll sich also lohnen. Fraport hält dafür auch noch eine besondere Auszeichnung bereit. Wer mehr als 300 Beschwerden pro Jahr schafft (und über Raunheim gibt es jährlich Zehntausende von Fliegern, die zu laut sind), erhält den Ehrentitel "Vielbeschwerer" (nicht gegendert) und muss sich nicht mehr mit aussagelosen Einzelantworten herumärgern, sondern wird nur noch statistisch erfasst. Also: Ruf doch mal an!
Man muss allerdings vermuten, dass diese KI nicht mit den Ergebnissen des bisherigen "Nachbarschaftsdialogs" trainiert worden ist. Allein unsere Anfragen vom
12.08.2023,
29.07.2023
und
18.07.2023
sollten ausreichen, um deutlich zu machen, dass mit diesem Instrument keinesfalls "die berechtigten Anliegen der betroffenen Menschen hervorgehoben" werden und ihre dort geäusserte Unzufriedenheit nicht zu Maßnahmen führt. Individuelle Beschwerdeführer werden mit nichtssagenden Floskeln abgefertigt, institutionaliserte Beschwerden diskriminiert, die Berichterstattung auf ein Minimum reduziert und in ungelesenen Berichten versteckt (z.B.
hier,
S. 5).
Selbst die
FAZ mahnt milde:
"Das Infotelefon zum Fluglärm ... kann nur ein kleiner von vielen Schritten sein, die notwendig sind, den Fluglärmschutz fortzuschreiben".
Welche Schritte sonst noch notwendig sind, erfährt man da aber nicht.
Allerdings ist klar, welche Fragen in absehbarer Zeit anstehen. Der UBA-Text weist an mehreren Stellen darauf hin, dass einerseits eine Neufestsetzung und dabei sehr wahrscheinlich
eine Vergrösserung
des Lärmschutzbereichs am Frankfurter Flughafen überfällig ist und dabei eine Reihe von rechtlichen Fragen auftreten, die die Ansprüche der Anwohner direkt betreffen. Diese müssen überwiegend behandelt werden im Rahmen der andererseits auch längst überfälligen Novellierung des Fluglärmgesetzes, das auch
in vielen anderen Fragen
auf den neuesten Stand gebracht werden muss.
Es wäre sicherlich nicht verfrüht, wenn sich die BIs und die kommunalen Organisationen allmählich mit einer Strategie für das Vorgehen in diesen Fragen beschäftigen würden.
In der Sitzung der Fluglärmkommission vom 14.02. hat das RP Darmstadt einen
Abschlussbericht
zur Umsetzung der Maßnahmen des passiven Schallschutzes am Frankfurter Flughafen präsentiert. Für Maßnahmen nach Fluglärmgesetz steht im Wesentlichen dasselbe drin wie in der UBA-Studie, lediglich die Verteilung der Mittel auf die Kommunen ist differenzierter dargestellt.
Für die Zuschüsse nach Regionalfondsgesetz gibt es noch ein paar neue Zahlen:
"Für private Wohnimmobilien ... gab es Zuschüsse ... bis zu 4.350 Euro je Wohneinheit"
und
"Für 14.600 private Wohneinheiten sind Zuschüsse i.H.v. 43 Mio. Euro gezahlt worden".
Für fast 99% der Wohneinheiten wurden Anträge gestellt, und fast 85% der Anträge wurden genehmigt. Wieviele davon wofür umgesetzt wurden, ist nicht angegeben. 18 Kitas und Schulen erhielten insgesamt 10,4 Mio. Euro für Türen und Fenster, Lüftungs- und Klimaanlagen, Dach- und Wand-Dämmungen.
Als Drittes werden noch die Schmerzensgeld-Zahlungen ("Entschädigungen für fluglärmbedingte Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit des Aussenbereichs von Wohnungen und schutzbedürftigen Einrichtungen") aufgelistet. Von den 12.500 antragsberechtigten Haushalten haben 7.000 (58%) Anträge gestellt, davon wurden 6.100 (87%) genehmigt, ausgezahlt wurden 31,9 Mio. Euro, d.h. pro Antrag etwas über 5.200 Euro. Da die Pauschale pro Wohnung maximal 3.700 Euro betragen hat, aber 18% der Anträge nach Verkehrswert abgewickelt wurden und dafür 27% der Mittel ausgezahlt wurden, darf man schliessen, dass auch hier wieder die Wohlhabenderen mehr bekommen haben.
Bleibt noch die Frage, wer die Mittel aufgebracht hat und in welche Kommunen sie geflossen sind. Die erste Frage beantwortet die Präsentation in der Zusammenfassung. Dort heisst es:
Die neuen Logos für das Gesamtprojekt und die beiden Teilprojekte, zum besseren allgemeinen Verständnis jetzt in Englisch. Wir haben uns erlaubt, Übersetzungen und Hinweise auf die ursprünglichen Bezeichnungen hinzuzufügen.
(Man beachte auch die subtilen Farbunterschiede der Logos)
31.01.2024
Am Freitag, den 26.01., wurden im
Konvent
des 'Forum Flughafen und Region' nach 9 Monaten Pause mal wieder ein paar Informationen über das
am 01.04.2023 gestartete
Ultrafeinstaub-Projekt vorgestellt.
Ursprünglich sollten anschliessend auch die Bürgerinitiativen informiert werden, dieser Termin wurde allerdings nach Absprache verschoben.
Die präsentierten Informationen sind noch nicht allgemein online verfügbar, aber für Februar ist eine Aktualisierung der
Projekt-Webseite
angekündigt, die derzeit noch auf dem Stand vom April letzten Jahres ist.
Wer eine Einladung zu einem der beiden Treffen erhalten hat, hat auch einige Materialien dazu bekommen, darunter Präsentationen eines
Projektberichts
und eines
Konzepts
für die Wirkungsstudie sowie Berichte des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zu UFP-Messungen in
Flörsheim
und
Mainz-Hechtsheim.
Nichts Schriftliches gibt es bisher zu einer im Konvent vorgestellten Präsentation des Projektleiters, Prof. Vogel, zu Modellierungen im Rahmen der Belastungsstudie.
Eine Neuerung ist allerdings schon für alle sichtbar: Das Projekt hat jetzt eigene Logos, sowohl für das Gesamtprojekt als auch für die beiden Teilprojekte. Sie sind nicht so aussagekräftig wie
unser Vorschlag,
auch wenn man mit viel Optimismus hoffen könnte, dass damit die Rolle der Wirbelschleppen beim Transport der ultrafeinen Partikel angedeutet werden soll. Konsequent ist die Umbennung auch nicht: wer "SOURCE FFR" im Netz sucht, kann zwar lernen, dass auch in Frankreich
schon lange Rugby gespielt
wird, findet aber nur mit Glück etwas über Ultrafeinstaub.
Der Projektbericht enthält keine Aussagen über den Stand der Arbeiten in der Belastungsstudie, sondern schildert den Ablauf der Entwicklung des Designs der Wirkungsstudie bis zur geplanten Ausschreibung im Sommer 2024. Demnach liegt der Abschlussbericht der Design-Gruppe vor, hat die projekt-interne Qualitätssicherung passiert und muss nun noch vom
Koordinierungsrat,
dem Entscheidungsgremium des FFR, abgenommen werden.
Wesentliche Inhalte des Abschlussberichts werden in der "Konzept"-Präsentation dargestellt, insbesondere die verschiedenen möglichen Studien-Ansätze mit ihren jeweiligen Voraussetzungen und potentiellen Ergebnissen und einer allgemeinen Aussage zum notwendigen Aufwand. Es wird betont, dass eine Kombination unterschiedlicher Studien-Module notwendig ist, um die wichtigsten Fragen zu klären, und ein Beispiel für eine solche Kombination mit einigen Details und einer Abwägung der Vor- und Nachteile beschrieben.
Im Projektbericht wird sehr deutlich gesagt, dass
" nicht alle vorgeschlagenen Module ausgeschrieben und beauftragt werden".
Das FFR, d.h. konkret der Koordinierungsrat, wird die auszuschreibenden Module auswählen. Kriterien für die Auswahl sind an erster Stelle die
"finanzielle Umsetzbarkeit",
dann folgen
"Einschätzung und Hinweise"
der projekt-internen
"wissenschaftlichen Qualitätssicherung"
und schließlich der
"regionalen Akteure und ggf. weiterer Experten".
Nun ist es trivial, dass in einem Projekt zu einer komplexen Thematik wie der gesundheitlichen Wirkungen von Ultrafeinstaub niemals alle auftauchenden Fragen vollständig beantworten werden können. Da es aber mit der vielbeschworenen
Transparenz
in finanziellen Fragen nicht weit her ist, lässt sich nicht beurteilen, inwieweit die dadurch gegebenen Einschränkungen angemessen sind.
Neben den finanziellen Aspekten stellen sich auch noch inhaltliche Fragen. In der "Konzept"-Präsentation wird auf die zentrale Rolle der
"Expositionserfassung",
genauer der
"Adressgenauen Zuordnung der UFP-Expositionen"
hingewiesen. Als
"bereits abgedeckte Erhebungen durch OK-UFP Belastung"
werden
"Messung und Modellierung von UFP im Studiengebiet (z. B. Umfeld Schulen)"
genannt,
"zusätzlich benötigte Erhebungen"
seien
"z. B.: Messung und Modellierung weiterer Jahre, chemische Zusammensetzung",
ggf. auch
"Ko-Expositionen: z. B.: Quellenspezifischer Lärm, PM10,…".
Angesichts der Tatsache, dass das letzte grosse
UFP-Projekt
am Flughafen Frankfurt an der Modellierung der UFP-Ausbreitung
gescheitert ist,
wüsste man natürlich schon gerne, ob hier wesentliche Fortschritte erzielt wurden oder wenigstens aus der Belastungsstudie zu erwarten sind. Auch dass die
"chemische Zusammensetzung"
der UFP unter den
"zusätzlich benötigten Erhebungen"
aufgelistet ist, wirft die Frage auf, ob die
chemischen Marker,
die von Projektbeteiligten in vorangegangenen Untersuchungen an der HLNUG-Meßstation Schwanheim identifiziert worden sind, nicht oder nicht im notwendigen Umfang genutzt werden. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass bei der Beschreibung der toxikologischen Untersuchungen in der Konzept-Präsentation nicht ausdrücklich gesagt wird, dass dabei zwischen UFP aus Flugzeug-Triebwerken und anderen Quellen differenziert werden könnte oder müsste.
Abschliessend wäre noch kurz auf die beiden Meßberichte des HLNUG aus dem Jahr 2023 einzugehen. Der jüngste Bericht über die Messungen in Mainz-Hechtsheim unterscheidet sich positiv von den Vorgängern, weil da auf
fragwürdige Auswertungen
verzichtet wird und die regionalen Besonderheiten angemessener berücksichtigt werden als bei den
Betrachtungen
zu den Messungen in Flörsheim.
Es gibt aber auch einen technischen Unterschied in den Messungen. Während für alle früheren Messungen der Gesamt-Partikelanzahl gemäß der noch gültigen Norm
DIN CEN/TS 16976
ein untere Grenze für den Durchmesser der erfassten Partikel von 7 Nanometern (nm) galt, wurde für die Messungen in Hechtsheim erstmals der Entwurf der kommenden Norm
prEN 16976:2023
mit einer Untergrenze von 10 nm zugrunde gelegt.
Die Bedeutung dieser Änderung ist umstritten. HLNUG begründet sie:
" In der neuen prEN 16976:2023 wird gegenüber der alten Technischen Spezifikation (CEN/TS 16976:2016) die untere Messgrenze von 7 auf 10 nm angehoben, um eine einheitliche untere Messgrenze für unterschiedliche Messverfahren zu erreichen. Diese Harmonisierung ist notwendig, um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Messungen zu gewährleisten." Die Vergleichbarkeit wiederum ist notwendig, wenn Wirkungen der UFP auf Gesundheit und Umwelt untersucht werden sollen.
Für die Luftgüte-Überwachung (eine Kernaufgabe des HLNUG) wäre es andererseits natürlich besser, soviel wie möglich von dem in der Luft vorhandenen Schadstoff zu erfassen, die Grenze also möglichst niedrig anzusetzen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich bei der Festlegung ihrer
UFP-Richtwerte
flexibel gezeigt und empfiehlt in ihrer
Stellungnahme zur guten Praxis - UFP
für die Messung eine Untergrenze der Partikelgrösse von kleiner oder gleich 10 nm. In den Erläuterungen wird noch ausgeführt, dass derzeitige Messmethoden Untergrenzen von 2 bis 20 nm nutzen.
Die neue Norm, die wohl im Laufe dieses Jahres verpflichtend wird, erscheint daher als ein pragmatischer Kompromiss zwischen dem, was für die verschiedenen Anwendungsbereiche wünschenswert wäre, und dem Verlangen, den messtechnischen Aufwand möglichst niedrig zu halten. Folge ist für die HLNUG-Messungen mit CPC-Geräten natürlich, dass die gemessenen Werte nach unten gehen, weil ein Teilbereich der vorhandenen Partikel nicht mehr erfasst wird. Wie groß dieser Bereich ist und welche Bedeutung er hat, lässt sich nur schwer abschätzen.
Andererseits arbeiten andere HLNUG-Messungen, insbesondere in Raunheim und Schwanheim, schon länger mit einer Untergrenze von 10 nm, die neuen Ergebnisse sind daher besser vergleichbar.
Natürlich schreien diese Unsicherheiten wieder einmal danach, die Messungen zu ergänzen und an geeigneten Stellen zumindest eine Zeitlang zwei CPCs mit unteren Erfassungsgrenzen von 7 bzw. 10 nm parallel laufen zu lassen, um festzustellen, wie relevant die Unterschiede für die hier vorliegenden Fragestellungen sind. Die Frage ist deshalb offen, weil zwar bei der hocheffizienten Verbrennung in Flugzeugtriebwerken besonders viele kleine Partikel entstehen, sehr kleine Partikel aber auch besonders schnell "wachsen". Eine
neuere Studie
berichtet bei natürlicher Entstehung neuer Partikel Wachstumsraten für Partikelgrössen von 10-25 nm zwischen 3,67 und 4,70 nm pro Stunde, für noch kleinere Partikel sind sie wahrscheinlich noch höher. "Gealterte" Partikelwolken enthalten daher wesentlich weniger sehr kleine Partikel als frisch entstandene, das gilt wahrscheinlich auch für bei Verbrennung emittierte Partikel.
Und auch ein anderer
seit Jahren bestehender
Mangel müsste endlich abgestellt werden. Um die Effekte von Überflügen erfassen zu können, müssen die Messungen in der Nähe der Flugrouten in der Lage sein, schnelle Partikelanzahl-Konzentrationsänderungen zu registrieren. Die vom HLNUG dort, insbesondere auch in Raunheim eingesetzten SMPS-Geräte, die die Größenverteilung der Partikel messen, können das nicht. Sie brauchen im besten Fall 2 Minuten, um alle Größenbereiche zu scannen und eine Messung zu beenden. Ein durch einen Überflug hervorgerufener Peak, der einige 10 Sekunden andauert, wird dabei bestenfalls teilweise, ev. auch garnicht erfasst. Auch hier wäre es das Mindeste, ein CPC-Gerät parallel laufen zu lassen, um beide Aspekte zu erfassen.
Ob irgend etwas davon passiert, werden (vielleicht) die angekündigten Aktualisierungen im Februar oder das nächste Austauschtreffen zwischen UNH und BIs zeigen. Allzu grosse Erwartungen sollte man nicht hegen, aber auch die Hoffnung noch nicht aufgeben. Es bleibt spannend.
Der starke Anstieg von 2022 zu 2023 ist zum Teil bedingt durch den Wechsel von einer "La Nina"- zu einer "El Nino"-Phase in der Ozean-Zirkulation. Aber unabhängig davon zeigen alle Trend-Parameter auf einen grundlegenden schnellen Anstieg. (Details siehe hier).
21.01.2024
Nach den
neuesten Daten
des internationalen Dachverbandes der Airlines, der 'International Air Transport Association (IATA)', hat der globale Luftverkehr im November 2023 bereits wieder 99% des Niveaus von 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, erreicht. Das Maß sind dabei die 'revenue passenger kilometers (RPKs)', d.h. die Summe der von den zahlenden Passagieren zurückgelegten Kilometer.
Die Entwicklung ist in den verschiedenen Sektoren des Flugbetriebs (Kurz- und Mittelstrecke/Langstrecke, Punkt-zu-Punkt-Verkehr, Charter/Linienflüge, Fracht, etc.) und in verschiedenen Weltgegenden unterschiedlich, und die Zahlen
variieren auch
je nachdem, ob die Zahl der Flüge oder der Passagiere betrachtet wird, aber die Tendenz ist klar: die Pandemie-bedingten Einbrüche sind im Wesentlichen überwunden, ab jetzt soll das Wachstum wieder ungestört weiter gehen.
Auch in anderen Bereichen geht das Wachstum weiter wie vor der Pandemie. Die durch menschliche Aktivität bedingten Emissionen von Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen sind
auch 2023 weiter gewachsen, und entsprechend werden auch die Symptome der Klimakatastrophe immer deutlicher.
Die Meteorologische Welt-Organisation WMO hat für 2023 einen
neuen globalen Temperatur-Rekord
festgestellt, der nur noch etwa 0,05 °C entfernt ist von dem in Paris formulierten Ziel von 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau, auf die der Temperaturanstieg begrenzt werden soll. Diese Grenze werde wahrscheinlich 2024 zum ersten Mal überschritten werden.
Der UN-Generalsekretär kommentierte:
"Die Aktionen der Menschheit verbrennen die Erde. 2023 war nur eine Vorschau auf die katastrophale Zukunft, die uns erwartet, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir müssen auf Rekorde im Temperaturanstieg mit umsteuernden Aktionen antworten." (eigene Übersetzung).
Der EU-Klimawandel-Dienst Copernicus hat diese "Vorschau"
genauer analysiert
und findet extreme Ozean-Temperaturen, mehr Extremwetter-Ereignisse wie Hitzewellen, Fluten, Dürren und Wildfeuer mit signifikanten Wirkungen auf die menschliche Gesundheit, Ökosysteme, Natur und Infrastruktur und drastische Rückgänge bei Meer- und Gletscher-Eis.
Entsprechend kommt auch das diesjährige
Winter-Meeting der Reichen und Einflussreichen
in Davos nicht darum herum, wie schon
im letzten Jahr
in seinem
Global Risk Report
die Konsequenzen der eskalierenden Klimakatastrophe an prominenter Stelle zu erwähnen. Kurzfristig rangieren sie allerdings nur ab Rang 2, weil es den befragten Expert*innen zunächst wichtiger erscheint, das
verloren gegangene Vertrauen
in die Weisheit der herrschenden Eliten wieder herzustellen, das insbesondere durch gefälschte Informationen gefährdet sei.
Das ist allerdings ein aussichtsloses Bemühen. In Davos werden die existierenden Macht- und Herrschaftsstrukturen, die die aktuellen Krisen hervorgebracht haben, hartnäckig verteidigt, und es wird eisern festgehalten an
weiterem Wachstum,
das erforderlich sei zur Überwindung der Klimakrise und der gesellschaftliche Spaltung, die im Kern erzeugt wird durch die
eskalierende Umverteilung von unten nach oben. Beides
verstärkt
aber tatsächlich die Krisen, die es angeblich bekämpfen soll. Ohne eine
Überwindung des Wachstums-Mantras,
eine Berücksichtigung der
Grenzen des Wachstums
und der
planetaren Belastungsgrenzen
geht es nicht.
Es ist nun einmal keine Erfindung perfider Aktivist*innen, dass Konzerne und Regierungen schon
seit Jahrzehnten
über die bevorstehende Klimakatastrophe informiert sind und trotzdem
die Hauptverursacher,
die fossilen Brennstoffe, massiv gefördert haben und dies
auch weiterhin tun, obwohl selbst die einst zu deren Förderung gegründete
Internationale Energie-Agentur
inzwischen
dringend davor warnt.
Die
Profite,
die die grossen Öl- und Gas-Konzerne und ihre Investoren in den Jahrzehnten ihres schnellen Wachstums einstreichen konnten, werden auf 30 Billionen US-Dollar geschätzt. Das soll natürlich so weitergehen, und dafür nimmt man auch 20 Billionen Dollar globale Klimaschäden und
eine 3°C heissere Welt
in Kauf.
Daran ändert auch nichts, dass in den
Beschlüssen der Weltklimakonferenz COP28
Ende letzten Jahres nach 25 Jahren
erstmalig wieder
alle Parteien zu einem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen aufgefordert wurden, auch wenn die Formulierung
Interpretationsspielraum lässt.
Wenige Staaten werden so deutlich wie Saudi-Arabien, dessen Energieminister die Beschlüsse als
a la carte menu
bezeichnet, aus dem nach Belieben ausgewählt werden könne, aber viele handeln stillschweigend ähnlich.
"Fake News" werden dagegen überwiegend von denen produziert, die den menschengemachten Klimawandel leugnen wollen und dafür auch
wissenschaftliche Studien missbrauchen. Aber auch Chefs von Ölkonzernen können sich damit
nicht einmal dann zurückhalten,
wenn sie ausgesucht wurden, um Klimakonferenzen zu leiten.
Die Ergebnisse der Wissenschaft sind
allerdings eindeutig,
der schnelle Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen ist zwingend notwendig. Sogar das EU-Parlament hat sich einer Initiative angeschlossen, die einen
Nicht-Weiterverbreitungsvertrag
für fossile Brennstoffe fordert. Aber die EU muss sich von ihrem eigenen Klima-Beirat
vorhalten lassen,
"dass die EU-Politik noch nicht vollständig auf die Notwendigkeit des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen abgestimmt ist"
und daher
"die schädlichen Subventionen für fossile Brennstoffe, die sich EU-weit auf 50 Milliarden Euro pro Jahr belaufen, vollständig abzuschaffen"
und
"noch stärkere Reduktionen nach 2030 vorzubereiten"
sind.
Der vollständige
englische Text
ist noch wesentlich deutlicher und warnt, dass die bisherige Politik riskiert,
"die EU-Infrastruktur auf emissions-intensive fossile Brennstoffe festzulegen".
Darüber hinaus wird
"die Einführung neuer Politiken zur Erreichung ambitionierterer Reduktionen in der Nachfrage nach Materialien, Energie und Treibhausgas-intensiven Produkten" (eigene Übersetzung)
empfohlen.
Der
Bericht
selbst konkretisiert das für
eine ganze Reihe von Maßnahmen,
insbesondere auch in Bezug auf das Transportwesen in der EU. Er stellt zunächst fest, dass die bisherige Mobilitätsstrategie Nachfrage-Reduktionen explizit ausgeschlossen und ausschließlich auf "modal shift" gesetzt hat, also auf die Verlagerung auf weniger emissions-intensive Transportmittel, und damit gescheitert ist. In der Zusammenfassung wird dann mit Bezug auf den Personentransport im Luftverkehr festgestellt: es fehlt eine Politik oder Strategie zur Reduktion der Nachfrage, und internationale Flüge in die und aus der EU werden auch vom Emissionshandel nicht erfasst (S.127). Die Wachstumsrate in diesem Bereich muss bis 2030 auf 6% dessen, was in der Referenzperiode 2015-2019 erreicht wurde, gesenkt werden (von 33 auf 2 Giga-Personenkilometer/Jahr, S.126). Das wäre zwar noch nicht die eigentlich notwendige Reduktion der Zahl der Flugbewegungen, aber doch eine deutliche Beschränkung des aktuell noch vorherrschenden Wachstumswahns.
In Großbritannien gehen selbst wirtschaftsfreundlichste Think Tanks wie
Chatham House
noch weiter und schlussfolgern:
"Ein kluger risiko-minimierender Ansatz wäre, für den Rest der 2020er Jahre weniger weit und weniger häufig zu fliegen. In diesem Niedrig-Risiko-Szenario ... müsste die Nachfrage nach geflogenen Passagier-Kilometern 2030 36,1 % niedriger sein als 2019".
Werden nicht-CO2-Effekte berücksichtigt,
"müsste die Nachfrage bis 2030 um mehr als 60% im Vergleich zu 2019 beschränkt werden, um zerstörerische Klimarisiken zu vermeiden" (eigene Übersetzung).
Die Jahresbilanz der Klimaentwicklung in 2023, der Entwicklungen der wissenschaftlichen Erkenntnisse über deren Ursachen und der Wege zu ihrer Abschwächung bestätigt also zusammen mit der
Vorschau fürs laufende Jahr,
dass die
Klimaziele der Luftfahrt
und ihre
aktuellen Strategien
weit weg sind von dem, was notwendig ist, um die Klimakatastrophe einzudämmen und das 1,5°C-Ziel von Paris oder auch nur das 2°C-Ziel noch in Reichweite zu halten.
Die Politik bleibt
auf Bundes-
wie auf
Landes-Ebene
noch weiter hinter dem Notwendigen zurück. Schon im letzten Sommer, noch vor der
rechtlich fragwürdigen
Verwässerung des Klimaschutzgesetzes hatte der
Expertenrat für Klimafragen
festgestellt,
"dass das vorgelegte Klimaschutzprogramm 2023 nicht die Anforderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes an ein Klimaschutzprogramm erfüllt".
Von den ehemals so hoch gelobten
Forderungen
des
Bürgerrat Klima,
die u.a. lauten:
"Die Flugticketpreise müssen die wahren Klimakosten abbilden"
und
"Es sollen ehrgeizige Anstrengungen unternommen werden, Flüge, insbesondere Kurzstreckenflüge, zu vermeiden",
redet in Regierungskreisen schon lange niemand mehr.
Und weil die Bundesregierung nun auch noch
verfassungswidrig
die
falschen Schulden bremst,
ruiniert sie mit Haushaltskürzungen auch noch die
letzten Ansätze von Klimaschutz
im Verkehrsbereich. Eine wohl versehentlich vorgeschlagene Einsparung bei einem
Klimafeigenblatt des Luftverkehrs
wurde dagegen ganz schnell
wieder zurück genommen.
Die Klima-Katastrophe wird also weiter eskalieren und die dadurch bedingten globalen und innergesellschaftlichen Krisen auch - wenn es nicht doch noch einer breiten zivilgesellschaftlichen Bewegung gelingen sollte, eine Kursänderung zu erzwingen. Die aktuell stattfindenden Massenkundgebungen gegen Rassismus und Faschismus lassen hoffen, dass so etwas nicht ganz unmöglich ist.
06.01.2024 (Update 21.01.2024)
Zu Beginn des neuen Jahres zeigt der Luftverkehr viele Entwicklungen ähnlich denen zu Anfang 2023. Das Wachstum soll weitergehen, und das Haupthindernis dabei ist derzeit immer noch die Unfähigkeit der handelnden Akteure der Luftfahrtindustrie selbst.
Fraport hat im gesamten Jahr 2023 so gut wie nie einen geordneten Flugbetrieb organisieren können. Zu Spitzenzeiten hat das Chaos nicht nur zu gewaltigen Verspätungen, sondern auch zu einer Vielzahl von zusätzlichen Belästigungen für die Anwohner geführt. Ursache war nicht zuletzt die Tatsache, dass Fraport nach eigenen Angaben ihren Personalbestand von 20.468 im September 2019 auf 15.814 im September 2023, d.h. um fast ein Viertel (22,7%) reduziert hat.
Lufthansa
muss ihren Sommerflugplan 2024, der für die zu erwartende Nachfrage ausgelegt war, schon
wieder ausdünnen,
weil nach wie vor massive
"Engpässe beim Personal wie bei den verfügbaren Flugzeugen"
existieren. Dabei sind die Personalengpässe
selbst verschuldet, weil LH während der Corona-Pandemie massiv Personal abgebaut und die eigene
Flugschule geschlossen
hat.
Trotzdem versucht das Management weiterhin, Personalkosten niedrig zu halten und die Konditionen der Beschäftigten
weiter zu verschlechtern
und riskiert dabei auch Konflikte mit
Piloten,
Flugbegleiter*innen
und
Bodenpersonal,
die im Januar
in Streiks
münden könnten. Die Gewinnung neuen Personals wird daher sehr schwierig bleiben.
An Flugzeugen fehlt es vor allem deshalb, weil Flugzeughersteller und ihre Zulieferer die gleichen Fehler gemacht und somit die gesamte Lieferkette
von den Rohstoffen bis zum Endprodukt
in Gefahr gebracht haben. Dazu kommen vielfältige technische Probleme
bei Triebwerken
und Skandale um
minderwertige Materialien,
mangelnde Qualitätskontrollen
und
gefälschte Bauteile,
die zu
Triebwerks-Rückrufen
in bislang ungekannten Ausmaßen geführt haben.
Die Tendenz, mehr Profit auf Kosten der Sicherheit zu machen, hat auch in diesem Sektor schon
Menschen in Gefahr gebracht,
aber grosse Katastrophen sind bisher zum Glück ausgeblieben.
Dazu kommen für Lufthansa auch noch Luxusprobleme, wenn z.B. wegen fehlender
Luxus-Bestuhlungen
brandneue Flugzeuge
vorübergehend stillgelegt
werden müssen.
Auch die Deutsche Flugsicherung DFS, die schon seit dem Personalabbau vor 10 Jahren permanent am Limit arbeitet und am Chaos der Vor-Corona-Zeit erheblichen Anteil hatte, versucht, mit Neueinstellungen das Problem zu mindern. Aber auch technische Lösungen und Automatisierung sollen dazu beitragen. "Wir müssen weg von der zentralen Rolle des Sprechfunks", meint der DFS-Chef, und viel mehr Daten automatisch übermitteln. Was das für die Sicherheit bedeutet, bleibt abzuwarten.
Wie die europäische Dachorganisation der Flugsicherungen EUROCONTROL
feststellt,
hat auch das Wetter zunehmend Einfluss auf den Flugbetrieb und sorgt ebenfalls für Verspätungen, weswegen
"das Eingrenzen der Wirkungen schlechten Wetters eine der Hauptprioritäten für 2024" (eigene Übersetzung)"
werden soll.
Dieses zunehmend "schlechte Wetter" ist natürlich überwiegend eine Folge der sich
entwickelnden Klimakatastrophe,
die nicht zuletzt auch durch den Luftverkehr mitverursacht ist. Dennoch denkt die Luftverkehrswirtschaft nicht daran, ihrer Verantwortung dafür gerecht zu werden, und hält an ihren
völlig unbrauchbaren Klimazielen
fest.
Unmittelbar emissions-reduzierend wirkende
technische Fortschritte
gibt es auf dem Gebiet des Flugzeugbaus praktisch keine. Eine
Vorschau aufs kommende Jahr
benennt als Neuigkeiten ein
Überschallforschungsflugzeug,
zwei Kampfhubschrauber und
neue Lufttaxis.
Bei Passagierflugzeugen gibt es nur einige neue Varianten von zum Teil uralten Modellen, darunter auch der
Skandalflieger B737 MAX,
der wegen Konstruktionsmängeln, die zu zwei Abstürzen geführt hatten, zwei Jahre lang am Boden bleiben musste und weiterhin von
Produktionsfehlern
und
Qualitätsmängeln
geplagt wird, die auch aktuell immer wieder zu
Unfällen
führen.
Zu den Fortschritten, die in den nächsten Jahren zu erwarten sind, gab es im letzten Sommer
interessante Aussagen.
Der weltweite Flugverkehr soll in den nächsten 20 Jahren um 3,6 %/a wachsen, und das dafür notwendige Fluggerät wird nahezu ausschließlich aus Typen bestehen, die bereits heute fliegen - und dann noch 10 bis 20 Jahre weiter fliegen werden. Angekündigte Neuerungen im Bereich der Mittelstreckenjets bleiben dürftig. Airbus arbeitet zwar
"an den Grundlagen für ein Passagierflugzeug mit Wasserstoff-Antrieb, das im Jahr 2035 fertig sein soll",
will aber gleichzeitig
"zwischen 2035 und 2040 einen vergleichsweise konventionellen Nachfolger für seine Mittelstreckenjets fertig haben",
der dann wohl der Haupt-Umsatzbringer werden soll. Boeing kündigt gar keine neuen Technologien an, sondern setzt wie Airbus auf konventionelle Weiterentwicklungen, die
"etwa 20 bis 30 Prozent weniger Sprit verbrauchen als das derzeitige Modell".
Für die besonders klima-schädigende Langstrecke gibt es überhaupt keine Ansagen.
Es bleibt also dabei, dass die technische Entwicklung primär darauf ausgerichtet ist, Emissionen durch eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs pro Personen- oder Tonnen-Kilometer abzusenken - die einzige 'Klimaschutz-Maßnahme', die die Luftfahrtindustrie schon bisher aus eigenem Antrieb und mit Nachdruck verfolgt hat, weil sie direkt Kosten einsparen hilft. Weniger Emissionen heisst natürlich nicht nur weniger CO2, sondern auch weniger sonstige Schadstoffe wie Stickoxide und Ultrafeinstaub. Dieses "Weniger" ist allerdings nur relativ. Durch das geplante Wachstum würde absolut von Treibhausgasen und
Schadstoffen
deutlich mehr ausgestossen als heute.
Darüber hinaus ist auch zu befürchten, dass die alleinige Konzentration auf den Treibstoffverbrauch auch schon erzielte Fortschritte bei der Reduktion von Triebwerkslärm rückgängig macht, denn einige der möglichen neuen Techniken könnten deutlich mehr Krach machen. Leiser wird es dadurch wohl in keinem Fall.
Die Pläne der Luftverkehrswirtschaft gehen also allesamt in die falsche Richtung und drohen, die Schäden an Gesundheit, Umwelt und Klima weiter zu steigern. Ein Umsteuern könnte nur durch massive
politische Regulierung
dieses Sektors erreicht werden. Dafür fehlt allerdings derzeit noch auf allen Ebenen - Deutschland, Europa, International - eine Bewegung, die den dafür notwendigen Druck auf die politischen Kräfte und Institutionen erzeugen könnte.
Grösser wird nur der Druck durch die voraussichtlich
weiter steigenden Temperaturen weltweit
und die Zunahme der Zahl der Wetterextreme. Es bleibt daher notwendig, immer wieder deutlich zu machen, dass diese drohende Katastrophe nur eingedämmt werden kann, wenn grundlegende Veränderungen stattfinden. Dafür können auch kleine Anlässe genutzt werden, wie beispielsweise die bevorstehende Inthronisierung einer hessischen Landesregierung, die die
negativen Entwicklungen noch beschleunigen
will.
Als Aufwärm-Übung für die kommenden Auseinandersetzungen bietet sich daher an eine Teilnahme an der
Dabei gibt es sicherlich viele gute Gründe, gegen diesen Koalitionsvertrag zu sein. Aber in Bezug auf die Flughafen-Politik sollten den Aussagen dieses Vertrages ganz klare Forderungen entgegengesetzt werden. Statt im Planfeststellungsbeschluss "festgelegten Auflagen zum Nachtflugverbot ... und Eckwerten" (eine Stunde Beschränkungen und fünf Stunden Flugverbot mit Ausnahmen sowie 701.000 Flugbewegungen pro Jahr) nachkommen zu wollen, brauchen wir
Die neue Landesregierung sollte von Anfang an wissen, dass sie mit Widerstand zu rechnen hat, wenn sie die Wachstumsphantasien von Fraport und Lufthansa politisch unterstützen und durchsetzen möchte - umso mehr, je deutlicher wird, welche Schäden damit an der Gesundheit der Anwohner, der Umwelt im Rhein-Main-Gebiet und dem Klima weltweit verursacht werden.
Also auf zur Kundgebung - solange die guten Vorsätze fürs neue Jahr noch nicht vergessen sind.
Bilder und Redebeiträge der Kundgebung gibt es auf der Webseite des BBI
Beiträge aus vorangegangenen Jahren befinden sich im Archiv.