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17.01.2023
Die Abschiedsfeier für Ehrenbürgermeister Thomas Jühe bestand aus zwei Teilen. Die offizielle Trauerfeier mit geladenen Gästen im Bürgersaal des Rathauses kann vollständig auf dem YouTube-Kanal der Stadt Raunheim angesehen werden. Wir haben die Reden von Minister Al-Wazir und der Fluglärmschutzbeauftragten Fr. Barth, die sich teilweise oder ganz mit Thomas Jühes Leistungen im Bereich Fluglärm-Schutz beschäftigen, zum Anhören herauskopiert. Einiges aus dem Inhalt der anderen Reden wird in der Main-Spitze zitiert.
Tonaufzeichnung der Reden, die sich mit dem Thema
'Fluglärm' beschäftigten:
Frau Barth betont am Anfang ihrer Rede, dass Thomas sich gewünscht hat, dass sie dieses Thema im Rahmen der Feier behandelt. Dass ihr dafür eine gute halbe Stunde Redezeit eingeräumt wurde, macht deutlich, dass er sein Wirken in diesem Bereich erinnert und gewürdigt haben wollte, wohl wissend, dass dieses Erbe nur Bestand haben kann, wenn seine Nachfolger*innen in den verschiedensten Funktionen, die er innehatte, die Aufgaben entsprechend weiterführen.
Der Überblick, den Frau Barth gibt, ist zwar in einigen Details nicht ganz präzise, macht aber insgesamt recht gut deutlich, wie Thomas an die vielfältigen Probleme, die sich mit dem Flughafenausbau gestellt haben, herangegangen ist und in welcher Weise er Lösungen zu finden versucht hat.
Im zweiten Teil auf dem Rathausplatz gab es Beiträge der im Stadtparlament vertretenen Parteien und anderer Institutionen und Vereine, die in irgend einer Weise mit Thomas Jühes Wirken in Raunheim verbunden waren.
Hier hatte auch die BI Gelegenheit, etwas dazu zu sagen, wie sein Erbe in diesem Bereich zu werten ist und welche Aufgaben für die Zukunft bestehen. Die Bedingungen für eine Aufzeichnung waren wegen des starken Winds etwas schwierig, aber trotzdem kann der Beitrag nebenstehend angehört werden.
Alles, was dazu zu sagen wäre, in fünf Minuten hineinzupacken, war natürlich unmöglich, und trotz zwei Minuten überziehen blieb vieles ungesagt. Ausführlicher haben wir dazu aber ja bereits im
Nachruf vom 15.12.2022 Stellung genommen. Und um Herrn Al-Wazir zu erklären, dass ein Nachtflugverbot nicht fünf, sondern acht Stunden Nachtruhe schützen muss und eine echte Lärmobergrenze tatsächlich auch eine verbindliche Grenze für die Lärmbelastung setzen müsste, war das nicht der richtige Anlass. Er war zu dieser Zeit ohnehin nicht mehr da.
Was Thomas Jühe sich noch alles vorgenommen hatte, hat er zumindest zum Teil in seinem wohl letzten öffentlichen
Interview
im 'Frankfurt Talk' von Radio Frankfurt beschrieben. Sein Nachfolger als Bürgermeister wird durch die
Wahl am 05.März
bzw. die Stichwahl am 19.März entschieden, da es nicht wahrscheinlich ist, dass einer der
sechs Kandidaten
im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht.
Die Fluglärmkommission wird die Nachfolge im Vorsitz möglicherweise schon in der Sitzung am 22. Februar regeln, aber sicher scheint das noch nicht zu sein. Wann die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen den Vorsitz neu besetzt, ist nicht bekannt. Und bis klar ist, wer sich in Raunheim künftig um Fluglärm-Fragen kümmern wird, wird wohl auch noch einige Zeit vergehen.
Und falls sie damit ausreichende Mengen besonders toxischer Substanzen transportieren, wären sie auch besonders gefährlich.
(Für eine grössere Darstellung mit Bildquellennachweis
hier
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15.01.2023
Gleich zu Beginn des Jahres liefert das
Institut für Atmosphäre und Umwelt eine interessante Neuigkeit:
"Schmieröle von Flugzeugen sind wichtige Quelle für Ultrafeinstaub"
lautet die Überschrift der Pressemitteilungen der
Uni Frankfurt
und des an den Messungen beteiligten Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie
HLNUG.
Darin heisst es:
"Die Partikel stammen zu einem bedeutenden Teil aus synthetischen Turbinenschmierölen und waren besonders stark in den kleinsten Partikelklassen vertreten, die 10 bis 18 Nanometer große Partikel umfassen. ... Diese Partikel, so legen es unsere Untersuchungen nahe, machen einen großen Teil des Ultrafeinstaubs aus, der an Flugzeugturbinen entsteht."
In der
Veröffentlichung
selbst wird genauer erläutert, dass in den an der
HLNUG-Meßstation Frankfurt-Schwanheim
genommenen Proben die UFP aus Turbinen-Ölen in der kleinsten Partikel-Fraktion (10-18 nm) über 20%, in den beiden grösseren Fraktionen (18-32 und 32-56 nm) 5 bzw 9% ausmachten.
Aus nachfolgend durchgeführten Laborexperimenten und theoretischen Überlegungen schliessen die Autor*innen, dass diese Anteile eher eine Untergrenze darstellen und dass
"Jet-Öl-Dämpfe in abkühlenden Abgasfahnen Übersättigung erreichen und zu schneller Nukleation und der Entstehung von UFPs im Bereich ~10-20 nm führen" (eigene Übersetzung).
In der medialen Wiedergabe dieser Meldung, z.B. in der
Hessenschau
oder der
Frankfurter Rundschau,
gehen die Feinheiten bezüglich der Grössenverteilungen weitgehend verloren, und es entsteht leicht der Eindruck, als seien diese Öle eine Hauptquelle für die Ultrafeinstaub-Belastung insgesamt. Tatsächlich gibt es aber für die Entstehung ultrafeiner Partikel aus Verbrennungsprozessen, wie eine aktuelle
Übersicht,
im Detail beschreibt, eine Anzahl von Prozessen, und die mengenmäßig bedeutendsten in den Grössenklassen bis 100 Nanometer sind auch für Flugzeugtriebwerke die Bildung feiner Rußteilchen bei der Kerosinverbrennung und die Nukleation ('Kernbildung') und Kondensation aus Verbrennungsprodukten wie Stickstoff- und Schwefel-Verbindungen.
Aber natürlich ist es vollkommen richtig, wenn in den Pressemitteilungen darauf hingewiesen wird, dass
"eine Reduzierung der Schmierölemissionen ... ein wichtiges Potenzial zur Minderung der ultrafeinen Partikel" birgt, dass bisher noch nicht in Betracht gezogen wurde. Die Veröffentlichung empfiehlt dazu,
"die Luft/Öl-Separatoren sollten im Hinblick auf verbesserte Öl-Rückgewinnung optimiert werden. Zusätzlich könnten die Entwicklung fortgeschrittener Unterhalts-Routinen und die Reduzierung der Triebwerkslaufzeiten am Boden ... die Ölemissionen weiter reduzieren" (eigene Übersetzung).
Eine solche Reduzierung könnte sogar besonders dringend sein, denn der anschließend in der Veröffentlichung diskutierte Aspekt taucht in den Pressemitteilungen interessanter Weise nicht auf. Wir zitieren (wiederum in eigener Übersetzung und mit von uns ergänzten Hervorhebungen und Links):
"Weiterhin sollte eine Evaluation der toxikologischen Eigenschaften der Jet-Öl-UFPs durchgeführt werden, um ihre Gesundheitseffekte zu erfassen, auch unter Betrachtung schädlicher und potentiell neurotoxischer Substanzen, die entweder direkt emittiert werden (z.B.
Organophosphate
als Schmieröl-Additive) oder die durch thermische Transformation der verwendeten Trimethylolpropan-Ester gebildet werden (z.B.
Trimethylolpropanphosphat)".
Über die Entdeckung derartiger Substanzen war bereits in der
ersten Veröffentlichung
zu diesen Untersuchungen vor nunmehr fast zwei Jahren (März 2021) berichtet worden, allerdings ohne quantitative Aussagen über die Häufigkeit von deren Vorkommen zu machen. Auch die jetzt vorgelegten Ergebnisse reichen längst nicht aus, um die mögliche Belastung von Flughafenanrainern durch diese Substanzen abzuschätzen, liefern aber einen weiteren deutlichen Hinweis, dass hier ein Problem liegen könnte.
Wenn es dann in den Pressemitteilungen heisst:
"Die Belastung durch ultrafeine Partikel und deren gesundheitliche Auswirkung wird ab 2023 im Rahmen einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie des Landes Hessen untersucht werden. Hierbei können die Ergebnisse der aktuellen Studie helfen, flughafenspezifische Partikel zu identifizieren und mögliche Minderungsmaßnahmen abzuleiten",
könnte man natürlich hoffen, dass die oben zitierten Anregungen da aufgegriffen werden. Andererseits lässt die Betonung von "identifizieren und ... Minderungsmaßnahmen ableiten" befürchten, dass es im FFR-Projekt bei der bereits
früher kritisierten Ausklammerung der besonderen toxikologischen Aspekte der Triebwerks-UFP bleiben wird.
Genau wissen kann man es nicht, denn die Informationen zum aktuellen Stand auf der
Projekt-Webseite
sind inzwischen auch schon fast ein Jahr alt, und von der versprochenen Transparenz bezüglich der Studieninhalte kann bisher keine Rede sein. Da aber die erste Studie bei der Ausschreibung der Belastungsstudie des Projekts schon ein Jahr bekannt war, aber nicht berücksichtigt wurde, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich das noch geändert hat. Deshalb ist zu befürchten, dass die Frage der Toxizität ultrafeiner Partikel aus den Schmieröl-Emissionen in diesem Projekt nicht geklärt werden wird.
Mehr Hoffnungen gibt es diesbezüglich aufgrund der fortgesetzten Anstrengungen, die Hintergründe des sog.
Aerotoxischen Syndroms,
besser bekannt unter dem Begriff
Fume Events,
aufzuklären. Diese Ereignisse werden weitgehend auf durch die Triebwerke angesaugte und durch Triebwerksöle kontaminierte Kabinenluft zurückgeführt. Die für Flugsicherheit in der EU zuständige European Union Aviation Safety Agency EASA hat dazu bereits 2017
Studien
erstellen lassen, die allerdings keine eindeutige Ursache identifizieren konnten. Im zugehörigen
Abschlussbericht
wird ausgeführt, dass in Ölkomponenten und deren Pyrolyse-Produkten zwar neurotoxische Substanzen gefunden wurden, aber nicht in relevanten Konzentrationen. Partikel wurden dort nur summarisch als Anzahl der Grösse 1-1.000 nm erfasst und chemisch nicht charakterisiert.
Im
Abschlussbericht
eines weiteren Projekts und in einem
Beitrag
zum
EASA Workshop Future Cabin Air Quality Research 2020
wurde zumindest auf die mögliche Rolle ultrafeiner Partikel bei der Entstehung der bisher ungeklärten medizinischen Symptomatiken hingewiesen. Aktuell findet gerade der
EASA Cabin Air Quality Research Workshop 2023
statt. Ob das Thema dort schon ausführlicher behandelt wird, ist (uns) noch nicht bekannt, wird sich aber in Kürze klären. Man kann vermutlich davon ausgehen, dass dort ein grösseres Interesse besteht, diese Fragen zu klären, weil alle Störfälle im Flugbetrieb und daraus resultierende negative Schlagzeilen unerwünscht sind.
Aber auch wenn die Luftverkehrswirtschaft ein starkes Interesse haben sollte, störende Vorfälle an Bord von Flugzeugen zu vermeiden und dafür auch die Rolle ultrafeiner Partikel in der Kabinenluft genauer zu untersuchen, heisst das noch lange nicht, dass entsprechende Ergebnisse auch zu Konsequenzen in der Beurteilung der Belastung der Bevölkerung im Umfeld von Flughäfen führen werden.
Deren Belastung ist, im Unterschied zu der der Passagiere oder gar der Crew, für einen profitablen Flugbetrieb nicht relevant, deshalb wird in diesem Bereich bestenfalls dann etwas passieren, wenn die Betroffenen die Probleme selbst publik machen und nachdrücklich Lösungen einfordern.
11.01.2023
... auf den alten, zerstörerischen Wachstumspfad. "Wir" meint in diesem Fall einerseits die Luftverkehrsindustrie, die insbesondere ihre Profite wieder wachsen sieht, und andererseits all diejenigen, die unter der wieder wachsenden Zahl der Flugbewegungen und deren negativen Folgen, insbesondere zunehmendem Lärm, steigender Schadstoffbelastung und ungebremst wachsenden Treibhausgas-Emissionen zu leiden haben.
In den Medien wird das als
Erholung
beschrieben, die aber noch nicht vollständig sei, weil noch nicht alle Sektoren wieder das Niveau von 2019, dem Jahr vor dem
Corona-Einbruch,
erreicht haben. Dabei wird verdrängt, dass dieses Jahr nur der vorläufige Höhepunkt einer
chaotischen Wachstumsphase
war, die den Luftverkehr in Deutschland und Europa in mehrfacher Hinsicht an seine Grenzen gebracht hat.
Nach dem radikalen
Abbau von Personal
und teilweise auch von Material ist das gesamte System natürlich
noch störanfälliger
geworden, so dass selbst eingefleischte Luftfahrtfans
anfangen zu nörgeln.
Airlines und Flughäfen haben aber in den beiden letzten Reisewellen gesehen, dass höhere Preise und miserabler Service nur wenig abschreckende Wirkung haben, und planen unverdrossen für weiteres Wachstum.
In Zahlen zeigt das eine Zusammenstellung der Sitzplatz-Angebote von "Airlines und Flughäfen für die kommenden sechs Monate ... von, nach und in Deutschland", die der 'Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)' künftig monatlich erstellen will. Diese Zahlen sind natürlich mit Vorsicht zu geniessen. Sie besagen im Grunde nur, worauf die Airlines sich vorbereiten, aber nicht wieviele Menschen tatsächlich fliegen werden und wieviele Flugbewegungen es dadurch geben wird (2022 wurden fast 7% der geplanten Flüge nicht durchgeführt). Auch werden aktuelle Entwicklungen darin erst verzögert sichtbar. So weist der BDL darauf hin, dass ein "voraussichtlicher Anstieg der China-Verkehre ... in den aktuellen Daten noch nicht sichtbar" ist, die Zahlen für den Interkontinental-Verkehr also wahrscheinlich deutlich zu niedrig sind.
Dennoch geben die Zahlen einen Eindruck davon, was uns erwartet. Demnach erreicht die Gesamt-Passagierzahl 78% des Wertes des gleichen Zeitraums vor der Corona-Pandemie. Der innerdeutsche Verkehr liegt bei nur 56%, wobei dies hauptsächlich auf den Einbruch bei den schon vorher
kriselnden Regionalflughäfen
zurückzuführen ist, deren innerdeutsche Verkehre nur noch ein Drittel des Vorkrisen-Niveaus erreichen. Alles, was die Hubs Frankfurt und München innerdeutsch einbezieht, liegt schon wieder bei 67%.
Die nächste Kategorie, "Kurz- und Mittelstrecke", ist etwas mißverständlich benannt, denn sie wird nicht nach Entfernung, sondern nach Staatengruppen abgegrenzt. Dazu gehören alle europäischen Staaten, ganz Russland und alle Mittelmeer-Anrainer. Hier werden 80% des Vorkrisen-Niveaus erreicht, wobei 'Schweiz/Österreich' und 'Ost- / Südosteuropa' (dazu gehören Russland und die Ukraine, deren Luftraum ganz oder teilweise gesperrt ist) mit 71% den niedrigsten Wert erreichen. Die Urlaubsregionen rund ums Mittelmeer erreichen 87-92%. Für die Tendenz in dieser Region stellt der BDL besorgt fest:
"Wachstum und Erholung des Europa-Verkehrs zeigen Sättigungstendenzen".
Den besten Wert zeigt die "Langstrecke" mit 84%, das ist auch exakt der Wert, den das wichtigste internationale Drehkreuz Frankfurt erreicht. Nach unten gedrückt wird dieser Wert vom Asienverkehr, wo nur 70% erreicht werden. Falls aber die deutlichen Erleichterungen des Verkehrs von und nach China durch die
Aufhebung der Reisebeschränkungen
aufgrund der dortigen 'Null-Covid-Politik' Bestand haben, sind hier wohl deutliche Entwicklungen nach oben zu erwarten.
Eine etwas andere Datenbasis für den Ausblick auf die kommenden Monate nutzt
EUROCONTROL,
der europäische
Network Manager.
In deren
Analysis Paper: 2022 werden nicht nur umfangreiche Daten über den Luftverkehr in Europa im Jahr 2022 aufbereitet, sondern auch drei Szenarien gezeigt, die die Entwicklung der Flüge in, von und nach Europa in den kommenden 8 Monaten bzw. 7 Jahren auf der Basis unterschiedlicher Annahmen über die ökonomische Entwicklung darstellen.
Diese Szenarien gehen davon aus, dass im August dieses Jahres bereits wieder 95-105% der Zahl der Flüge 2019 erreicht werden ("wahrscheinlichstes" bis "optimistisches" Szenario). Für das Gesamtjahr 2023 wird ein Wert von 92-101% erwartet, nach 87% in 2022. Angesichts der Tatsache, dass die 8-Monats-Szenarien der letzten Zeit trotz einiger unvorhergesehener Krisen (sprich Krieg und "Zeitenwende") die Entwicklung relativ gut vorhergesagt haben, muss man wohl davon ausgehen, dass auch diese Zahlen nicht nur Wunschträume sind.
Allerdings geht aus der Analyse des Verkehrs 2022 auch hervor, dass das Chaos zu Spitzenzeiten noch
deutlich grösser
war als 2019, und auch für 2023 werden
"Luftraum-Probleme wegen des Ukraine-Kriegs, zusätzliche Flugzeuge im System, mögliche Streikaktionen, Systemveränderungen und die fortschreitende Wiederöffnung der asiatischen Märkte"
(EUROCONTROL, eigene Übersetzung)
als schwierige "Herausforderungen" für alle Beteiligten gesehen. Speziell der Frankfurter Flughafen hatte wegen selbstgemachten Personalproblemen eine miserable Pünktlichkeits-Bilanz (70,5% der Anflüge, aber nur 55,7% der Abflüge pünktlich, Platz 19 unter den 20 grössten europäischen Flughäfen).
Auch die
DFS beklagt
für Deutschland eine
"schleppende Erholung";
im Vergleich zu 2019 wurden nur 79% der Zahl der Flugbewegungen registriert. Auch nach den EUROCONTROL-Daten führt Deutschland mit 25% Verlust, bleibt aber nach Grossbritannien das europäische Land mit der zweithöchsten Zahl an Flugbewegungen.
Interessant an der EUROCONTROL-Analyse ist auch, dass
"Billigflieger die grosse Erholungs-Erfolgs-Story in 2022"
waren (Ryanair erreichte 109% der 2019er Zahlen) und inzwischen nahezu den gleichen Marktanteil haben wie die 'Netzwerk-Carrier' (jeweils 1/3). Auch bleibt
"der Geschäftsflugverkehr mit 116% weiterhin über dem 2019er Niveau".
Mit anderen Worten: die "Erholung" wird vom
Urlaubs-
und
Luxus-Verkehr dominiert.
Auch der Frachtflugverkehr lag, wie in den beiden vorhergehenden Jahren, 2022 noch über 2019er Niveau, nimmt aber allein schon deshalb wieder ab, weil mit ansteigendem Passagier-Flugverkehr wieder mehr Fracht als Zuladung in Passagiermaschinen befördert wird.
Zu den längerfristigen Perspektiven gehört auch, dass es eine
boomende Nachfrage nach neuen Flugzeugen
gibt, die die Hersteller
"angesichts angespannter Lieferketten ... nicht wie geplant bedienen"
können. Deshalb und wegen generell fehlender Kapazitäten hat Airbus 2022 sowohl das
Jahresziel bei Auslieferungen
als auch den
"Rekord ... aus dem Jahr 2019"
verfehlt, aber der Konzernchef hält
"an seinen Plänen für eine Rekordproduktion in den kommenden Jahren"
fest. Boeing sieht das ähnlich.
Was bedeutet das nun alles für die Belastungen, die wir zu erwarten haben? Es sind nicht wirklich die Prozentzahlen im Vergleich zu 2019, die relevant sind. Betrachtet man die Lärmbelastungen der Jahre vor 2019, so zeigt sich, dass sie zwar mit steigender Zahl der Flugbewegungen zunehmen, aber im Detail noch von vielen anderen Faktoren abhängig sind. Dazu gehören speziell für Raunheim die
Betriebsrichtungsverteilung,
aber auch die Zahl der
speziellen Wetterlagen
oder sonstiger Ereignisse, die den 'normalen' Ablauf stören und zu chaotischen Notlösungen führen.
Aus den Zahlen und Beschreibungen ist offenkundig, dass uns wieder eine solche Phase chaotischen Wachstums bevorsteht, die zu vermehrten Störungen der Nachtruhe führen und dadurch besonders belastend sein wird. Da hilft es garnichts, wenn vielleicht tagsüber vorübergehend noch ein paar Prozent weniger Flugbewegungen stattfinden.
Nimmt man dazu, dass nach der EUROCONTROL-Analyse aufgrund der chaotischen Luftraum-Verhältnisse auch noch bis zu 10% Treibstoff zusätzlich verbrannt werden ('excess fuel burn XFB') und entsprechend auch der Ausstoss an Schadstoffen und Treibhausgasen höher ist, wird klar, dass sich durch die Pandemie
nichts wirklich verändert
hat. Wir sind zurück in einem System, das zur Profitmaximierung die Befriedigung von Luxusbedürfnissen anheizt und sein
zerstörerisches Wachstum
immer weiter fortsetzen will. Ob und wann es dabei wieder vorübergehend oder dauerhaft am eigenen Unvermögen scheitert, ist unmöglich vorherzusagen.
Die politische Unterstützung für den Chaoskurs
ist ungebrochen, und Widerstand dagegen wird stärker diskriminiert als je zuvor. Die Aussichten für das neue Jahr sind nicht wirklich gut, aber wenn es nicht noch schlimmer werden soll, darf man sich dadurch nicht entmutigen lassen. Zumindest sollte man bei allen anstehenden Wahlen in diesem Jahr die jeweiligen Kandidat:innen fragen, wie sie zu diesen Problemen stehen und welche Lösungen sie anzubieten haben. Es kann aber auch nicht schaden, bei allen sich bietenden Gelegenheiten auch nachdrücklicher deutlich zu machen,
was nötig ist.
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