Titelbild 100 Tage Schwarz-Grün

100 Tage Schwarz-Grün - eine traurige Bilanz

Autor:  Horst Bröhl-Kerner,     09.05.2014, korrigiert 10.05.14

Es gibt Bilder, die sind noch nicht richtig auf dem Bildschirm erschienen, da wecken sie in einem vor­ein­genommenen Beobachter schon starke Assozia­tionen. Die Macher der Präsen­tation zu den ersten 100 Tagen der schwarz-grünen Landes­regierung in Hessen hatten sicher­lich anderes im Sinn, aber ihr Titel­bild ist in diesem Sinn ein Voll­treffer (s. Grafik rechts).

Der alte Sumpf ist ja überwiegend noch da: von Herrn Bouffier, der seinen Vorgänger Roland Koch getreu durch alle Skandale begleitete (und einige eigene produzierte), bis zu Herrn Irmer, der jenseits des demo­kratisch gerade noch Erträg­lichen gegen Minder­heiten hetzt. Aber darüber wird nun ein grünes Mäntel­chen gerollt, das den Anblick erträg­licher machen soll.

Es ist allerdings nicht zu erkennen, dass da wirklich etwas Neues wachsen würde. Speziell in den Themen­bereichen Fluglärm und Flughafen­ausbau hat Minister Al-Wazir alle Erwartungen, die viele in ihn gesetzt hatten, gründlich enttäuscht. Statt mit den Hinter­lassen­schaften seines Vorgängers konsequent aufzuräumen, verteidigt er sie auch noch im absur­desten Detail, und will sich für eigene Initiativen "ein gutes Jahr" Zeit lassen. Und was hatte er nicht vorher, zu Oppositions­zeiten, alles für nötig gehalten. Aber das ist inzwischen Geschwätz von gestern.

Sehen wir uns also an, was schwarz-grün bisher produziert hat. Basis für die Betrachtungen sind im Wesent­lichen der Koalitions­vertrag (KoaV), die 100-Tage-Bilanz der Koalition, die Antwort von Minister Al-Wazir auf die Forderungen des BBI für die ersten hundert Tage der neuen Regierung sowie die Aussagen[1], die Frank Kaufmann, Flughafen­experte der Landtags­fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und demnächst Aufsichts­rats­mitglied der Fraport AG, in einer Veran­staltung seiner Partei in Raunheim gemacht hat.


Hessenlöwe schwarz-grün

Der Koalitionsvertrag

ist das erste Produkt, mit dem das neue Bündnis vor Amts­antritt angekündigt hat, was es zu tun gedenkt. Er trägt den Titel "Verläß­lich gestalten - Perspek­tiven eröffnen". Von 108 Seiten sind immerhin zwei­einhalb (S. 66-68) dem Flughafen Frankfurt und dem Lärmschutz gewidmet.
"Verläß­lich gestalten" heißt hier: die "Wettbewerbs­fähigkeit" des Flughafens steht weiter an erster Stelle, alle Vorhaben stehen unter dem Vorbehalt von deren Erhaltung - und "Wettbewerb" meint hier nach wie vor den Wettlauf der Megahubs dieser Welt um das größte Stück vom weltweiten Verkehr, unabhängig von allen regionalen Bedürf­nissen. Entsprechend dürftig sind die Perspek­tiven, die unter dieser Prämisse noch eröffnet werden können.

Die Koalitionäre gehen aber noch deutlich weiter:

"Der Plan­fest­stellungs­beschluss (PFB) vom Dezember 2007 und seine weit­gehende Bestätigung durch das Bundes­verwaltungs­gericht ist die Grundlage aller weiteren Über­legungen. Inwieweit noch anhängige Streit­verfahren die Situation gegebenen­falls rechtlich oder tatsächlich verändern werden, bleibt abzuwarten."
Mit anderen Worten: der Plan­fest­stellungs­beschluss soll nicht ange­tastet werden, wenn nicht ein Gerichts­urteil dazu zwingt - und das, obwohl sogar der Hessische Verwaltungs­gerichts­hof ausdrück­lich darauf hinweist, dass er noch nicht rechts­kräftig ist und daher noch in viel­fältiger Weise verändert werden könnte, wenn es den politi­schen Willen dafür gäbe. Schwarz-grün hat ihn aus­drücklich nicht.

Zangenangriff

Bannwald - Gefahr gebannt ?

Nachdem also die Grundlagen des Flughafen­ausbaus zementiert sind, bleibt in Einzel­fragen nicht mehr viel Spielraum. Beginnen wir mit einem Thema, das nicht nur den Flughafen­ausbau betrifft. Im KoaV heißt es auf S. 18 zum Thema "Bannwald­schutz":

"Deshalb muss die Rodung und Umwandlung von mit dem Schutzstatus „Bannwald“ gekenn­zeichneten Gebieten in eine andere Nutzungsart grund­sätzlich ausge­schlossen werden."
und tatsächlich hat die Koalition noch innerhalb der ersten 100 Tage einen Gesetz­entwurf vorgelegt, der den Schutz des Bannwaldes in Hessen verbessern soll. Soweit, so gut?

Man sollte sich daran erinnern, dass die schwarz-gelbe Koalition 2002 den Bannwald­schutz in Hessen faktisch aufge­hoben hat, haupt­sächlich, damit Rodungen für den Flughafen­ausbau problemlos durch­gesetzt werden konnten. Wenn die CDU sich jetzt für das neue Gesetz lobt, dann erinnert das an einen Gauner, der eine Schau­fenster­scheibe einschlägt und mit einem Kumpel den Laden ausräumt, um später mit einem andern Kumpel vorbei­zukommen, eine neue Scheibe einzu­setzen und sich dafür feiern zu lassen. Alles wieder in Ordnung?
Natürlich ist es schön, eine neue Scheibe zu haben, aber Einwände bleiben. Erstens ist auch die nicht aus Panzer­glas, und die Schwach­stellen für den nächsten Bruch sind allzu deutlich zu sehen. Zweitens möchte der Gauner die ganze Beute behalten, auch den Teil, der noch nicht verprasst ist. Der Treburer Oberwald steht zwar de facto noch und erfüllt seine Schutz­funktion, aber formal ist er bereits beseitigt - gemäß Planfeststellungsbeschluss darf Fraport roden lassen. Man muss kein Prophet sein, um vorher­zusagen, dass im kommen­den Winter dort hessische Polizei aufmarschieren wird, nicht um den Wald zu schützen, sondern die, die ihn absägen - für den Autobahn­anschluss von Terminal 3.


Al-Wazir und Plan Terminal 3

Als Oppositionspolitiker wollte er die Pläne wieder einrollen ...

Terminal 3 - "Ergebnisoffene Prüfung" durch den Bauherren

Womit wir beim nächsten Thema wären. Laut Koalitions­vertrag (S.67)

"... halten die Koalitions­partner eine Bedarfs­prüfung des Bau­vorhabens für erforder­lich. Vor diesem Hinter­grund spricht sich das Land Hessen als Mit­eigentümer der Fraport dafür aus, auf möglicher­weise steigende Fluggast­zahlen solange wie möglich mit ökonomisch vertret­baren und für die Region verträg­licheren Alter­nativen zum Bau des Terminals 3 zu reagieren."
Was Minister­präsident Bouffier von dieser Verein­barung hält, machte er umgehend in einem Interview deutlich, das er auch noch auf die Webseite der Staats­kanzlei stellen liess:
"Der Bau des Terminals 3 hätte aus unserer Sicht nicht auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Unsere Position war: Wenn es die Fraport für notwendig hält, dann baut sie ihn. Die Grünen hatten hier eine grund­sätzlich andere Sicht."
- die sie umgehend aufgeben mussten. Sehr schnell war klar, dass die verein­barte Prüfung durch Fraport selbst erfolgen sollte, wenn natürlich auch "belastbar" und "ergebnis­offen".

Nur ein paar Tage lang hat es Fraport-Chef Schulte nach Antritt der neuen Regierung für nötig gehalten, so zu tun, als wolle er auf diese Forderung eingehen. Aktuell läßt er keinen Zweifel mehr daran, dass er Terminal 3 für nötig hält, und es sieht nicht danach aus, als könne oder wolle Al-Wazir ihn zwingen, dafür auch nur noch eine weitere Begründung vorzulegen. Im Gegenteil: inzwischen reicht schon "mangelnder Komfort" für die Flug­gäste aus, die Wett­bewerbs­fähigkeit von FRA zu gefährden und damit alle Einwände aus dem Weg zu räumen.
Wenn Herr Kaufmann trotzdem davon ausgeht, dass das Terminal "in dieser Legislatur­periode" nicht gebaut wird, klingt das sehr nach Wunsch­denken. Natürlich sind die Wachstums­zahlen, mit denen Fraport die Not­wendigkeit des Baus rechtfertigt, kaum mehr als Kaffee­satz­leserei, läßt die wachsende Konkurrenz anderer inter­nationaler Hubs (Istanbul, Dubai, Quatar) deutliche Verschiebungen erwarten. Aber auch die Prognosen der Flug­bewegungs­zahlen, mit denen der Bau der Nord­west­lande­bahn begründet wurde, haben sich als falsch heraus­gestellt, ohne das daraus irgend­welche Konsequenzen folgen würden.
Wenn der Bau von Terminal 3 verhindert werden soll, dann muss dafür politischer Druck entwickelt werden - und der wird nicht von der Landes­regierung kommen.


"Lärmpausen" oder Nachtruhe -
schwarz-grüner Murks oder konsequente Politik ?

Ein Nachtflug­verbot während der gesetzlichen Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr gilt inzwischen weithin als ein aus gesundheit­lichen Gründen unbedingt anzu­strebendes politisches Ziel. Um wenigstens etwas Aktivität in dieser Richtung zu simulieren, sind die sog. Lärmpausen derzeit das Lieblings­thema der Koalitionäre. Schon im KoaV hatten sie dazu energisch formuliert:

"Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koalitions­partner halten dies durch den abwechseln­den Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemeinsam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich realisieren."
"Für den Fall, dass dieses Ziel (sieben­stündige Nutzungs­pausen) nicht in ange­messener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initiativen für eine entsprechende Plan­änderung bzw. modifi­zierte Betriebs­genehmigung vor."
Und im o.g. Interview äussert sich Bouffier dazu geradezu euphorisch:
"Ja, das wird uns gelingen. Die Variante einer strikten Betriebsruhe von 22 bis 6 Uhr hingegen wäre eine schwere Beschädigung der Wettbewerbs­fähigkeit des Flughafens. Das geht mit uns nicht. ... Die Lärmpausen sind eine Möglichkeit, durch einen intelli­genten anspruchs­vollen Mix aus Flugrouten, Steigungs­winkeln und alter­nierender Bahnnutzung bestimmten Gebieten mehr Ruhe zu verschaffen. Sieben Stunden haben wir uns vorgenommen. Es werden nicht immer und überall zur gleichen Zeit sieben Stunden sein. Dennoch wäre es ein deutlicher Fortschritt gegenüber heute."
Es fällt allerdings auf, dass er hier schon deutlich diffuser formuliert. Während anfangs noch davon gesprochen wird, "sieben­stündige" Pausen "in angemessener Zeit" zur Not auch mit Änderungen des PFB und der Betriebs­genehmigung durchzusetzen, sollen sie jetzt nur noch in "bestimmten Gebieten" und "nicht immer und überall" gelten. Sein Minister tut es ihm gleich und will sich "ein gutes Jahr" (bzw. 15 Monate) Zeit lassen, bevor er öffentlich überhaupt etwas dazu sagt.
Was die Landes­regierung hier im Detail vorhaben könnte, ist daher immer noch ein Geheimnis. Die 100-Tage-Erfolgs­meldung lautet: es wurden Gespräche dazu geführt! Offen­sichtlich soll die Bevölkerung schon froh sein, dass das Thema nach dieser ersten Gesprächs­runde noch auf der Tagesordnung bleibt ...

Warum wir dem Ansatz der Schaffung von "Lärmpausen" bzw. dem dahinter stehenden Konzept der "vari­ierenden Bahn­nutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") kritisch gegenüber stehen, und was wir von der aktuellen Diskussion darüber halten, haben wir in jeweils eigenen Beiträgen kommentiert.
Gerade die Erfahrungen aus dem DROps-Modell "Early Morning" lassen befürchten, dass die "Lärmpausen" nicht nur nicht viel Nutzen bringen werden, sondern sogar Schaden anrichten - besonders für die, die nahe am Flughafen dran sind. Und es gibt keinerlei Anlass, darauf zu vertrauen, dass diese Landes­regierung sowas nicht zulassen würde - im Gegenteil: die Floskel "planbare 7stündige Lärmpausen" stammt aus der Erklärung der "Allianz für Lärmschutz 2012" und ist dort explizit auf "DROps Early Morning" bezogen.
Und in der Tat ließ auch Herr Kaufmann durch­blicken, dass es mit einer echten Lärmpause für Raunheim wohl nichts werden wird, weil bei Betriebs­richtung 07 alle schweren Maschinen (und alle, die per 'Ausnahme­regelung' zwischen 23 und 5 Uhr landen) über die Süd- oder die Centerbahn herunter müssen - und damit über Raunheim. (Bei BR 25 kann man zumindest so tun, als ob es einen Unterschied machen würde, ob über die Süd- oder die Centerbahn angeflogen wird - wirkliche Ruhe gibts da auch nicht.) Im Gegenteil wird es dann wohl an "ruhigen" Tagen ein paar Anflüge weniger geben, aber dafür an für Flörsheim ruhigen Tagen die geballte Ladung für Raunheim, weil dann alles auf Süd- und Centerbahn gepackt wird. Man darf gespannt sein, wie dieser Betrug getarnt werden soll und wie die angedeuteten "Kompen­sationen" aussehen sollen.

Raunheim hat also allen Grund, diese "Lärmpausen" abzulehnen und bei der Forderung zu bleiben: Nachtflug­verbot von 22 bis 6 Uhr - vollständig und für alle.


"Lärmobergrenze" - begrenzter Lärm bei unbegrenztem Wachstum ?

Als letzte Überschrift zum Thema enthält der KoaV die Lärmobergrenze. Dazu heißt es:

"Entsprechend der Empfehlungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärm­ober­grenze für den Flughafen Frankfurt einzuführen. Ziel ist es, eine deutliche Lärm­reduzierung gegenüber den im Plan­feststellungs­beschluss prognosti­zierten Werten zu erreichen."
Im selben Absatz wird noch bestätigt, dass alles, was die "Allianz für Lärmschutz" beschlossen hat, auch weiter gelten soll - ein seltsamer Zusammen­hang, denn dort taucht der Begriff garnicht auf. Man darf aber spekulieren, dass zur Einhaltung dieser Grenze nur die Instrumente zur Anwendung kommen sollen, die die "Allianz" gutgeheissen hat.
Die Hinter­gründe der verschiedenen aktuellen Diskussionen über eine Lärm­ober­grenze haben wir in unserer Doku zum Aktiven Schallschutz geschildert. Die Landes­regierung hüllt sich hier in beredtes Schweigen und scheint sich ganz auf Herrn Prof. Wörner von der DLR verlassen zu wollen, der sicher ein luftfahrt­freundliches Konzept ausarbeiten wird. Und Eile scheint ja ohnehin nicht geboten: wenn man sich schon für das Prestige­projekt "Lärmpausen" ein Jahr Zeit gönnen will, wird die Lärmober­grenze kaum vor der nächsten Wahl wieder aufleben.


Im KoaV folgt dann noch eine ganze Seite (Nr. 68) mit Einzel-Absichts­erklärungen, die alle in Inhalt und Zeitplan hinreichend unkonkret bleiben, um niemanden unter ungebühr­lichen Druck zu setzen. Eine davon hat allerdings durch die neuere Entwicklung wieder mehr Brisanz gewonnen.

Wirbelschleppe

Gefahr durch Wirbelschleppen - wirbeln oder verschleppen ?

Nachdem die Vorgänger-Regierung noch jede Gefahr durch Wirbel­schleppen geleugnet hat, auch als es schon nicht mehr ging, haben sich die neuen Koalitionäre vorgenommen:

"Wir werden unverzüglich Maßnahmen zur Verhinderung von Schadens­fällen, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Gefahr von Wirbel­schleppen anstoßen."
Schon die verquere Grammatik dieses Satzes läßt vermuten, dass er bei der Bearbeitung eines längeren Textes übrig geblieben ist und keiner mehr Lust hatte, sich Gedanken zu machen, was das eigentlich heissen soll. Entsprechend war auch die Praxis: Nichtstun, Abwarten, Totschweigen - von wegen "unverzüglich". Nachdem nun aber doch wieder die Ziegel flogen, wird erstmal geprüft. Da ist doch tatsächlich ein Schaden aufgetreten in einem Bereich ausserhalb des Klammerungs­gebiets, in dem schon mindestens vier andere Schäden aufgetreten sind - wer konnte mit so etwas rechnen? Diese neue Situation muss natürlich erstmal gründlich analysiert werden.
Fraport wußte natürlich von Anfang an, dass die Fest­setzung der Grenzen des Klammerungs­gebietes völlig willkürlich war, und seit Herbst 2013 haben sie es auch schriftlich (auch dazu Genaueres in unserer Doku zu Schäden durch Wirbel­schleppen). Aber sie versuchen natürlich immer erst einmal, so billig wie möglich davon zu kommen. Sollten sie jetzt tatsächlich noch ein paar Strassen mehr aufnehmen müssen, wird das Entsetzen darüber sicherlich gedämpft durch die inzwischen gewonnene Erkenntnis, dass viele Hausbesitzer ihr Dach garnicht geklammert haben wollen - in vielen Fällen wohl deshalb, weil sie selbst zuviel dazu­zahlen müssten (ein Versuch einer Erläuterung der Rechts­lage findet sich hier).
Herr Kaufmann kannte nach eigener Aussage am 07.05.14 das Gutachten noch nicht, dessen Existenz Fraport am 22.11.13 öffentlich verkündet hatte - auch ein Indiz dafür, wie konsequent und unver­züglich das Thema aufge­griffen wurde. Aber selbst wenn er es inzwischen gelesen haben sollte, gilt wohl weiterhin, was er und sein Minister ständig durch­blicken lassen: solange sie sich nicht durch von Bürgern erzwungene Gerichts­entscheide veranlasst sehen, werden sie sich nicht bewegen.

Dass Maßnahmen ergriffen würden, die das Risiko von Wirbel­schleppen-Schäden ernsthaft reduzieren könnten (wie die BI in Presse­erklärungen im letzten und in diesem Jahr gefordert hat), darf man erst recht weder von Fraport noch von dieser Regierung erhoffen. Weniger und höher anzufliegen, würde das Risiko reduzieren, aber eben auch Aufwand erfordern. Da verweist man doch lieber auf Diskussionen in der ICAO, die gerade daran hindern, die Rücken­wind-Kompo­nente wie geplant anzuheben, oder diffuse Sicher­heits- und Platz-Aspekte, die es nicht erlauben, die Lande­schwellen auf der Süd- und Center­bahn nach Osten zu verlegen. Natürlich wären all diese Probleme lösbar, aber auch hier fehlt der Wille.


Hessen in Europa - wofür ?

Etliche Rahmenbedingungen für den Luftverkehr und den Betrieb von Flughäfen werden heute auf europäischer Ebene bestimmt und durch EU-Richtlinien und -Verordnungen geregelt. Unter dem Stichwort "Europa" findet man im KoaV den Satz

"Die Hessische Landes­regierung wird die Rechte und Möglich­keiten der Länder in Fragen der Europäischen Union voll ausschöpfen und hessische Interessen auf nationaler wie inter­nationaler Ebene in Gesetz­gebungs­prozessen und darüber hinaus umfassend einbringen."
Sollte man daraus schliessen, dass eine Regierung, für die
"vorrangiges Ziel der Landespolitik (ist), die mit dem Betrieb des Flughafens einher­gehenden Belastungen für Mensch und Umwelt in einem höchst­möglichen Maß rasch wirksam zu verringern"
und die zu diesem Zweck auch eine eigene Vertretung in Brüssel unterhält, energisch gegen eine EU-Verordnung vorgeht, die z.B. Nachtflug­verbote einschränken will? In Anlehnung an einen unvergeß­lichen Ausspruch einer früheren CDU-Politikerin: Wer solche Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Es droht voll­ständiger Realitäts­verlust.
Auch wenn der Bereich von einer ehemaligen Umwelt­ministerin verant­wortet wird: er dient der Wirtschafts­förderung oder besten­falls der Beein­flussung wirtschaft­licher Rahmen­bedingungen, wenn die EU-Kommission in ihrem Liberali­sierungs­wahn mal wieder über das Ziel hinaus­schießt, wie bei der Liberali­sierung der Boden­verkehrs­dienste im letzten "Flughafen­paket". Umwelt- und Gesundheits­schutz findet hier aber nicht statt. In den Worten der Europa­ministerin Puttrich:
Welchen Sinn macht die Landes­vertretung Hessen in Brüssel?
Wir müssen die besonderen Interessen unseres Landes vom Flughafen bis zum Finanz­platz Frankfurt in Brüssel direkt vertreten, da sie sonst untergehen.
- die Interessen des Flughafens wohlgemerkt, nicht die der Anwohner.


Bouffier schwarz-gelb-grün

... nur der äußere Schein ist etwas anders.

Das traurige Fazit

Für Flughafen­ausbau-Gegner hat sich durch die letzte Wahl nicht viel geändert. Viel­leicht ist an dem einen oder anderen Punkt der Ton etwas anders geworden, wird verbal mehr Entgegen­kommen gezeigt. Entscheidend ist aber: weder gibt es Initiativen, die auch nur entfernt den Bedürf­nissen der von Lärm und Schad­stoffen geplagten und von Sicherheits- und Wirtschafts-Risiken bedrohten Bevölkerung gerecht würden, noch ist mehr Transparenz, Offenheit und/oder Ehrlichkeit eingekehrt.
Im Gegenteil sind die Einfluss­möglichkeiten auf die Gestaltungs­prozesse, die hinter den Kulissen ablaufen, noch geringer geworden, werden selbst die wenig trans­parenten Gremien, die aus dem "Regionalen Dialogforum" entstanden sind, kaum noch genutzt. Die Äusserungen aus Regierungs­kreisen zu Wirbel­schleppen-Schäden und zu Lärm­pausen können die Betrof­fenen nur als Verhöhnung empfinden, mit Lärm- und Schadstoff-Messungen, die die Belastungen nicht erfassen, wird die Öffent­lichkeit hinters Licht geführt - ganz wie zu schwarz-gelben Zeiten.

Wer geglaubt hatte, durch den Regierungs­wechsel seien die Bedingungen besser geworden, muss wohl einsehen, dass das nicht so ist. Nach wie vor braucht es den ausser­parla­mentarischen Wider­stand, nach wie vor ist Druck das Einzige, was diese Regierung bewegen kann. Wir werden weiter­machen müssen.




Anmerkungen

[1] Im Gegensatz zu den anderen Quellen gibt es für diese Aussagen keine schriftliche Dokumentation. Sie sind daher weniger verläßlich, können mißverständlich formuliert, falsch angekommen, falsch verstanden oder falsch erinnert sein. [^]

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