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Lexikon

Folgende Themenkomplexe werden derzeit behandelt:

Flughafen-Ausbau
Akute Bedrohungen (Absturz-Gefahren, Wirbelschleppen, Vogelschlag)
Lärmwirkungen und Gesundheit
Aktiver Schallschutz
Passiver Schallschutz
Schadstoffe


Flughafen-Ausbau


Karte der Waldvernichtung durch FRA

Waldvernichtung durch Flughafenausbau, 1935 bis heute.
Quelle: http://www.flughafen.unser-forum.de/
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Geschichte

Seit der Frankfurter Flughafen in den dreissiger Jahren des letzten Jahr­hunderts vom Rebstock­gelände in den Schwan­heimer Wald verlegt wurde, hat er sich in mehreren Schüben in das Waldgebiet zwischen Raunheim, Walldorf und Kelster­bach gefressen und ist insbe­sondere auf Raunheim zu gewachsen, wie die Grafik zeigt.
Nach Abschluss der vor­letzten Ausbau-Maßnahme, dem Bau der Startbahn West, war das verblie­bene Waldgebiet unter Schutz gestellt und zum Bann­wald erklärt worden, dessen ökolo­gische Funktion für die Region "unersetz­lich" ist. Laut Aussage des damaligen Minister­präsi­denten Holger Börner (SPD) sollte für den Flughafen "kein Baum mehr fallen" - genutzt hat es nichts.

Nur fünfzehn Jahre später meldete die Lufthansa durch ihren damaligen Vorstands­chef Jürgen Weber "unabweis­baren Bedarf" für den Ausbau ihrer Homebase an und drohte mit Verlagerung. Das genügte, um (fast) alle politi­schen Kräfte in Hessen ihre öko­logischen Versprechen vergessen zu lassen. Die amtierende rot-grüne Regierung unter Hans Eichel (SPD) berief eine sog. "Mediation" ein, um mit allen Betei­ligten zu disku­tieren - nicht etwa, ob der Flughafen ausgebaut werden solle, sondern nur, wie das am Besten zu bewerk­stelligen sei.
Im Januar 2000 hat die Mediations­gruppe ein Fünf-Punkte-Paket vorgelegt bestehend aus

Letzteres hat den Ausbau­prozess bis zum bitteren Ende propagan­distisch begleitet, sein Erbe hat dann das "Forum Flughafen und Region / Umwelthaus" mit Sitz in Kelster­bach angetreten. Dort finden sich auch die offiziellen Archive des Mediations­verfahrens und des RDF, die zwischen­zeitlich wegen einer "Neuge­staltung" der FFR-Webseite nicht zugäng­lich waren, aber nun nach und nach wieder auftauchen. (Bei der letzten Überprüfung dieses Links kam man von der Start­seite nicht auf die "folgenden Seiten", deshalb: in der Menü­leiste oben "Themen" anklicken und dann "Archive Mediation / RDF" wählen.)

Bürger­initiativen und Umwelt­verbände haben sich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) an Mediation und Dialog nicht beteiligt, weil von Anfang an klar war, dass sie nur dazu dienen sollten, die Pläne von Lufthansa und Fraport gegen den Wider­stand der Betrof­fenen durchzu­setzen. Diese Sicht der Dinge und viele Details zum Ablauf des Prozesses sind in der Ausbau-Dokumen­tation des DFLD nachzu­lesen. Dort sind auch die jeweils geschaf­fenen recht­lichen Grund­lagen, insbe­sondere die Plan­fest­stellungs­beschlüsse, dokumentiert.


Frankfurt-Main Airport Map DE

Quelle: Thomas Römer / OpenStreetMap data [CC-BY-SA 2.0]
via Wikimedia Commons, Stand 04/2012
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Der aktuelle Ausbau

Fraport hatte die Wünsche der Lufthansa zunächst in einem sog. General­ausbau­plan 2015 zusammengefaßt. Er konzen­trierte sich im wesent­lichen auf drei Punkte:

Dazu kamen eine Reihe von Begleit­maßnahmen und (später) zusätz­liche Immo­bilien­geschäfte (Airrail-Center bzw. The Squaire, Gateway Gardens), die zwar für den Profit von Fraport von wesent­licher Bedeutung sind, aber die Lärm- und Schadstoff-Belastung im Umland nicht direkt beein­flussen.
Bei der Umsetzung dieser Planungen ist Fraport immer wieder über die eigene Arroganz und Ignoranz gestolpert, was zu erheb­lichen Verzöge­rungen sämtlicher Projekte und deutlich höheren Kosten geführt hat. So waren für die neue Bahn zwei Anläufe für die Planfest­stellung nötig, und sie ging fünf Jahre später in Betrieb als geplant. Der Chemie-Betrieb Ticona musste für über 700 Mill. Euro zum Umzug bewegt werden, weil das Schadens­risiko bei einem Absturz unakzep­tabel hoch gewesen wäre. Auch das ehe­malige Caltex-Gelände zwischen Raunheim und Kelster­bach musste Fraport aufkaufen, um störende Bebauuungs­pläne zu unter­laufen (wobei sich diese Investi­tion für Fraport offenbar rechnet).

Letztlich wurden aber sowohl die Wartungs­halle als auch die Nordwest­bahn mit freund­licher Unter­stützung der inzwischen schwarz(-gelben) Regierungen unter Roland Koch (CDU) mit juris­tischer Brachial­gewalt durch­gesetzt. Den erreichten Stand und die in der Planfest­stellung bereits enthal­tenen, aber noch nicht umge­setzten Ausbau­schritte zeigt die neben­stehende Grafik.
Von den drei Punkten sind zwei im Wesent­lichen umgesetzt. Die A380-Wartungs­halle ist in Betrieb, zunächst wie geplant in halber Grösse. Ein Vollausbau kann bei Bedarf erfolgen. Die Nordwest­bahn ist in Betrieb, und dass der Flug­betrieb noch nicht so funktio­niert wie geplant, ist für Fluglärm­gegner kein Grund zur Freude. Der VGH hat in seinem jüngsten Urteil zur Südum­fliegung noch einmal klar­gestellt: alles, was dem planfest­gestellten Kapa­zitäts­ziel im Weg steht, kann juris­tisch abgeräumt werden. Das gilt insbe­sondere für Lärmschutz-Maßnahmen. Auch die beim VGH noch anstehenden weiteren Klagen werden keinen Rückbau der Bahn erzwingen können.
Zu den flugbetrieb­lichen Problemen, die sich mit dem neuen Vier-Bahnen-System ergeben haben, hat die Gewerk­schaft der Flug­sicherung eine Sonder­ausgabe ihrer Zeit­schrift "der flugleiter" heraus­gegeben, die interes­sante und teilweise auch für Laien lesbare Informa­tionen und Einschät­zungen enthält.


Modell Terminal 3

Der nächste Schritt: Terminal 3

Am 17.09.2013 hat Fraport verkündet, den Bauantrag für die erste Bauphase des Terminal 3 beim Bauamt der Stadt Frankfurt eingereicht zu haben, am 12.08.2014 konnten sie sich über die Genehmigung freuen. In seiner Sitzung am 15.04.2015 hat der Fraport-Aufsichts­rat beschlossen, den Schritt zu gehen. Am 5.10.2015 fand auf dem Baugelände in der südöst­lichen Ecke des Flughafen­geländes der erste Spatenstich für den Bau eines neuen Terminal­gebäudes mit zunächst zwei Flug­steigen statt, die 2022 in Betrieb gehen sollen. Zwei weitere Flugsteige und Neben­gebäude sollen in späteren Phasen folgen.
Auch hier sind die recht­lichen Grundlagen für Fraport weit­gehend abge­sichert. Zwar sträubt sich Trebur noch, ein Stück Wald zu verkaufen, das vor Baubeginn gerodet werden muss, um einen Auto­bahn­anschluss herzu­stellen, aber das wird den Bau nicht verhindern können.

Trotzdem liegt hier der aktuell wichtigste Ansatz­punkt, die weitere Verlärmung der Region zu verhindern. Ohne dieses Terminal kann Fraport das geplante Wachstum nicht erreichen, denn das leistungs­fähigste Bahnen­system nützt nichts, wenn man Passagiere und Gepäck nicht halbwegs schnell und komfortabel in die Flugzeuge hinein und aus ihnen wieder heraus bekommt. Dieses Terminal ist dafür geplant, die Passagier-Kapazität von FRA zu verdoppeln. Deshalb liegt hier der Ansatz, die Weichen für eine andere Entwicklung zu stellen, wenn es denn politisch gewollt wäre. Eine regional­verträgliche Entwicklung des Flughafens ist nur möglich, wenn diese Fehl­investition gestoppt wird und Fraport ein Geschäfts­modell findet, dass nicht mehr auf immer weiteres Wachstum setzt.

Politische Mehrheiten, die einen solchen Kurswechsel durchsetzen könnten, sind aber aktuell nicht erkennbar. Die schwarz-grüne Landes­regierung, die Anfang 2014 ins Amt kam, setzt die "Wett­bewerbs­fähigkeit" des Flughafens an erste Stelle und hat den Bau des Terminal 3 durchgewinkt. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Prüfung der betrieb­lichen Notwendig­keit liess Fraport freie Hand und machte lediglich Alternativvorschläge für den Fall, dass die Investition aktuell als zu riskant eingeschätzt worden wäre. Fraports Wachstums­hoffnungen sind aber ungedämpft, und es gibt auch keine Garantie dafür, dass die derzeit stag­nierende Zahl der Flug­bewegungen eine Trend­wende bedeute. Tatsäch­lich steigt die Zahl der Passa­giere wieder, wenn auch langsam, und die Konkur­renz der neuen Hubs in Istanbul und Dubai wird erst in einigen Jahren spürbar. Auch der Bundes­finanz­minister sieht das Projekt T3 positiv und möchte es im Rahmen von Junckers Kon­junktur­programm von der EU fördern lassen.

Modell Terminal 3

Aber auch wenn das Passa­gier­auf­kommen aktuell zurück ginge, würde Fraport das Terminal vermut­lich trotz­dem bauen wollen, denn es hat noch eine weitere wichtige Funktion. Zusammen mit CargoCity, Gateway Gardens, Airrail Center/SQUAIRE, Mönch­hof­gelände und einer ganzen Reihe anderer Gebäude­komplexe gehört es zur sog. Airport City, dem Immo­bilien­sektor der Fraport, der schon heute der bedeu­tendste Geschäfts­bereich ist und mehr Gewinn bringt als der Flug­betrieb. Dieser Sektor ist für Fraport so wichtig, dass sie ihn sogar besingen lassen. Vielleicht liegt ja eine gewisse Symbolik darin, dass der King Kame­hameha Club, in dem der Song aufge­nommen wurde, inzwischen ebenso wie das "Dorian Gray", die Flughafen-eigene Disco, Geschichte ist. Die coole Fassade bricht immer wieder zusammen - die Profit­macherei dahinter geht unge­brochen weiter und erreicht immer neue Extreme. Dass diese Ent­wicklung für die Region ebenfalls sehr kritisch werden kann, steht auf einem anderen Blatt.

Solche Entwicklungen finden auch international statt - die Gebilde heissen dann meist "Aerotropolis" - und auch der Widerstand dagegen hat sich seit Kurzem im "Global Anti-Aerotropolis Movement" (GAAM) zusammen geschlossen.


Und wie weiter ?

Die Ausbau-Befür­worter haben diesmal sorg­fältig darauf geachtet, einen Fehler zu vermeiden, den sie beim letzten Mal gemacht haben. Es gibt keine (verbale) Garantie, dass dieser Ausbau­schritt der letzte wäre. Für sie gilt weiterhin: nach dem Ausbau ist vor dem Ausbau.
Es wird noch sehr starken und lang dauernden politischen Druck erfordern, diese Haltung zu durchbrechen.


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Akute Bedrohungen


BILD-Schlagzeile

Absturz-Gefahren ...

Für eine deftige Schlagzeile vergisst die BILD-Zeitung schon mal, für wen sie normaler­weise schreibt. Im Stil aber bleibt sie sich treu: wenn schon nicht völlig frei erfunden, dann zumindest maßlos übertrieben. Wie die Bundes­stelle für Flug­unfall­unter­suchungen in ihrem Untersuchungsbericht feststellt, war der kleinere Flieger noch ca. 30 Meter von der theore­tischen Grenze des Wirbel­schleppen­bereichs des Airbus entfernt. Nun ist das aber ein berechneter Sicherheits­bereich, und niemand weiß genau, wo und wie stark die Wirbel­schleppen aktuell tatsächlich sind - nur eben ausserhalb des Bereichs mit ziemlicher Sicherheit nicht. Auch kann es zwar für die Insassen eines kleinen Flugzeugs ziemlich unangenehm werden, in die Wirbel­schleppe eines großen zu geraten - zum Absturz kommt es aber dabei erst, wenn noch weitere unglück­liche Umstände dazu kommen und/oder der Pilot Fehler macht.
Aber auch wenn es diesmal nicht so dramatisch war und gut gegangen ist: der Bericht weist auf "systemische Fehler" hin, die ohne grund­legende Änderung des An- und Abflug-Systems (mit entsprechender Reduzierung der Kapazität) nicht vollständig beseitigt werden können (dazu ein Kommentar).
Tatsächlich sind in der Folgezeit trotz aller Bemühungen der DFS, solche Pannen zu vermeiden, noch drei ähnlichen Situa­tionen bekannt geworden.

So sieht es aus, wenn es auf FRA eng wird ...

Flugrouten

Während der durchstartende A343 abdreht, startet die B777 (oben) ...
... aber der vorher gestartete A321 wurde auf eine Notabflugroute über Raunheim gelenkt (unten).

... durch kritische Flugverfahren ...

Im August 2013 berichtet wiederum die BILD-Zeitung über eine "gefähr­liche Annähe­rung" zweier Flugzeuge, allerdings mit Frage­zeichen. Am Mittwoch, den 07.08., gegen 8:45 Uhr, startet ein Airbus A380 der Singapur Airlines auf der Centerbahn Richtung Westen. Gleich­zeitig startet eine Boeing 747 der Lufthansa, die auf der Südbahn landen sollte, durch und fliegt eine Zeitlang parallel, aber höher, zu dem Airbus. Der nimmt glück­licher­weise nicht die Südum­fliegung, die eigentlich standard­mäßig für diesen Flug­zeugtyp vorge­sehen ist, sondern dreht nach Norden auf die alte Abflug­route ab. Ein echter Kollisions­kurs wird daher vermieden - angeblich ohne das Eingreifen der Fluglotsen. Trotzdem scheint der Abstand zwischen den beiden nach den verfüg­baren Daten zeitweise geringer, als die Regeln vorsehen - die DFS bestreitet das allerdings vehement, und auch die BFU sieht diesmal keinen Anlass für eine Unter­suchung.
Im April 2014 macht eine Presse­mitteilung des BBI einen ähnlichen Fall öffentlich, die DFS widerspricht in der lokalen Presse (siehe z.B. hier und hier), und auch die BFU möchte nicht unter­suchen. Aber auch hier bleiben wieder Fragen offen. Die Flugrouten der beiden Flugzeuge (ein startender A380 der Lufthansa und eine durch­startende russische B747) liegen zunächst über dem Waldsee eng beieinander, die Flughöhen an dieser Stelle sind aller­dings unter­schiedlich. Der zeitliche Abstand, in dem sie diesen Punkt passierten, lag nach Lärm­messungen der Station Raunheim Nord nur bei rund 35 Sekunden.
Aufgrund von Anzeigen hat das Bundes­aufsichts­amt für Flug­sicherung dann doch noch eine Untersuchung eingeleitet, als deren Ergebnis aber zunächst nur verkündet wurde, dass keine "gefährliche Annäherung" stattgefunden hat. Ob aber auch die gültigen Regeln für den abhängigen Betrieb zwischen Center- und Südbahn nicht verletzt wurden, sagt die Meldung nicht, und Einblick in die Akten möchte das BAF auch nicht gewähren.
Der nächste Fall dann Anfang Juli: am 03.07.14 kurz nach 14:00 Uhr bricht ein A343 der Lufthansa die geplante Landung auf der Südbahn ab. Auf der Center­bahn startet kurz vorher ein A321 und nimmt eine Notabflug­route direkt über Raunheim. Unmittelbar nach ihm, noch während der A343 über der Südbahn nach Süden abdreht, startet auf der Center­bahn eine B777 und nimmt die Nordwest­abflug­route. Auch hier wieder offene Fragen: warum nimmt der A321 eine Route über Raunheim, obwohl die Nordwest­abflug­route frei war? Wieso durfte die B777 starten, obwohl parallel das Durch­start­manöver auf der Südbahn lief?

Auch 2015 hat die DFS das Problem nicht im Griff. Wie der Aviation Herald berichtet, musste am 21. Mai eine aus Moskau kommende B747-400 Fracht­maschine auf der Südbahn durch­starten. Der Flug­lotse wies die gleich­zeitig auf der Center­bahn star­tende B767-300 Passa­gier­maschine nach Kanada an, den Start abzu­brechen, was der Pilot trotz fast erreich­ter Start­geschwin­digkeit auch tat. Die Konse­quenzen waren heftig: da die Bremsen eines Flug­zeugs nicht dafür ausge­legt sind, eine voll­beladene Maschine bei annähern­der Start­geschwin­digkeit schnell zum Stehen zu bringen, musste die Flug­hafen-Feuer­wehr in einem Notfall­einsatz die heiss gewor­denen Bremsen kühlen. Anschlies­send musste die Maschine zur Reparatur, um Reifen und Bremsen auszu­tauschen und das Fahrwerk zu über­prüfen. Die Passa­giere wurden erst am folgen­den Tag mit einer anderen Maschine ans Ziel gebracht. Auch wenn es hier nicht zu einer "gefähr­lichen Annähe­rung" kommen konnte, weil die 767 gar nicht erst abge­hoben hat, ist das Problem doch das gleiche wie in den früheren Fällen.

Auch wenn in keinem dieser Fälle akute Kollisions- oder Absturzgefahr drohte, zeigen sie, dass die gewählten Flugverfahren nicht, wie gefordert, "systemisch sicher" sind. Aktuell denkt die DFS darüber nach, durch einen Tausch der Start- und Landebahn bei Betriebsrichtung 25 (dann also Landungen auf der Centerbahn, Starts auf der Südbahn) für etwas mehr Sicherheit zu sorgen. Damit wird aber das Grundproblem nicht gelöst, das darin liegt, dass viel zu viele Flugbewegungen auf einem dafür nicht geeigneten Bahnsystem abgewickelt werden sollen. Es ist allerdings zu befürchten, dass sich diese Erkenntnis nur sehr langsam durchsetzen wird. Wir werden also mit einem erhöhten "Restrisiko" leben, dass es doch einmal zur Katastrophe kommt.

... technische Mängel ...

Dann bleibt ja auch noch die Tatsache, dass bei aller Sicherheit des Luftverkehrs insgesamt eben doch immer mal wieder Flugzeuge vom Himmel fallen - aus unter­schied­lichsten, nicht vorher­sagbaren Gründen, aber immer noch bevorzugt bei Starts oder Landungen. Es liegt zwar schon über sechzig Jahre zurück, aber auch in Raunheim gab es schon drei Tote bei einem Absturz. Insgesamt kam es am Frankfurter Flughafen nach den Archiven des Bureau of Aircraft Accidents Archives zu 12 Abstürzen von Verkehrsmaschinen (der letzte 1967), davon 9 bei Landungen. Und je häufiger die Maschinen über die Köpfe fliegen, je häufiger man von übermüdeten Piloten, schlampiger Wartung und unvorher­gesehenen Problemen bei neuen Flugzeug­typen liest, desto unange­nehmer wird das Gefühl.
Und manchmal bleibt es nicht beim Hörensagen - als am Freitag, den 21.06.2013, gegen 12:45 Uhr ein Flugzeug mit lautem Geknatter und brennendem Triebwerk von Süden auf Raunheim zuflog und über dem Stadtgebiet Richtung Flughafen abdrehte, da wurde es vielen BeobachterInnen Angst und Bange. Auch diesmal ging alles gut. Die Maschine, die kurz vorher auf der Startbahn West gestartet war und ein Triebwerks­problem bekommen hatte, landete sicher auf der Südbahn. Trotzdem macht dieser Vorfall eine an sich lange bekannte Tatsache nochmal sehr deutlich: wer so kurz vor der Lande­bahn liegt, der wird über­flogen, wenn eine Maschine herunter muss - egal, wie beschädigt sie sein mag. Ehe man ent­scheidet, einen Flieger ins Feld fallen zu lassen und die Insassen zu opfern, wird man versuchen, ihn doch noch heil herunter zu bringen - auch wenn man dabei einen Absturz über bewohntem Gebiet riskiert. Das ist, bei allem Verständ­nis, kein angenehmer Gedanke für die­jenigen, die das fragliche Gebiet bewohnen.
Um aber unnötigen Ängsten vorzubeugen, hat Fraport in der Plan­fest­stellung die Wahr­schein­lich­keit berechnen lassen, dass im Umkreis des Flughafens mal ein Flugzeug abstürzt, und ist zu dem beruhi­genden Ergeb­nis gekommen, dass das nur einmal in 17,4 Mill­ionen Jahren passiert. Bei den Abflügen sind es sogar knapp 24 Mill­ionen Jahre, hingegen muss man bei den Anflügen schon in den nächsten 13,7 Mill­ionen Jahren mit einem Absturz rechnen. Wer also unter den Anflug­linien wohnt, sollte etwas besser aufpassen.

BILDplus-Schlagzeile
Fotos Militärische Notlandungen FRA

... militärischen Missbrauch ...

Dies umso mehr, als zwar die offi­zielle militä­rische Nutzung des Frank­furter Flughafens Ende 2005 beendet wurde, die besonders langen Lande­bahnen aber weiter­hin bei militä­rischen Not­fällen gerne genutzt werden. Dies wurde zuletzt am 6.11.2014 deutlich, als ein US-Militär­trans­porter vom Typ Globe­master C-17, der eigent­lich zur US-Base nach Ramstein wollte, mitten in der Nacht nach Frank­furt umge­leitet wurde, weil es Probleme mit den Lande­klappen gab und offenbar befürchtet wurde, dass die Landung in Ramstein proble­matisch werden könnte (die Bahnen dort sind 3,2 bzw. 2,8 km lang, die Südbahn in Frankfurt dagegen 4 km, was durchaus einen Unterschied machen kann, wenn das Bremsen schwer fällt). Passiert ist offenbar nichts. Was hätte passieren können, weiss man nicht - wie üblich wird nicht bekannt gegeben, was dieser Transporter geladen hatte.

Spektaku­lärere Fälle von militä­rischen Notlan­dungen liegen schon etwas länger zurück. Vor 35 Jahren, 1979, liess sich bei der Landung eines Militär­trans­porters vom Typ C5A Galaxy (der größte, über den die US Air Force verfügt) das Bugrad nicht ausfahren. Für die Landung mußte daher ein Schaum­teppich ausgelegt werden, was offenbar genügte, um grössere Schäden zu verhindern. Da die Rhein-Main Air Base damals noch in vollem Betrieb war, fiel der Fall ausser­halb des Flughafens kaum auf.

Das war ganz anders vor 20 Jahren, als im Juni 1994 ein Rockwell B1-Bomber zur Notlan­dung nach Frankfurt umdiri­giert wurde. Die Maschine war auf dem Weg zu einer Flugschau in England, als die Piloten fest­stellten, dass sich die Schwenk­flügel (ein Charak­teris­tikum dieses Flugzeug­typs) nicht mehr für den Langsam­flug ausfahren liessen. Für eine Landung im High-Speed-Modus wurde daher die längste überhaupt existie­rende Bahn ausgesucht - die Frank­furter Südbahn. Der Hoch­geschwin­digkeits­anflug dieser mittel­schweren Maschine fiel schon in grosser Entfernung als extrem laut auf - aber selbst lärm-gewohnte Raunheimer haben den Endanflug noch als donnerndes Inferno in Erinnerung. Der Krach war so extrem, dass die Air Force in den Wochen danach eine Reihe von Versamm­lungen in den betrof­fenen Städten besuchte, um den Vorfall zu erklären - oder zumindest, um guten Willen zu zeigen, ohne wirklich etwas zu sagen. Die meisten Informa­tionen zu dem Vorfall wurden erst später bekannt, wie z.B. die Tatsache, dass bei der Landung die Reifen völlig abradiert wurden und die glühenden Felgen Hydrau­liköl in Brand setzten. Aber immerhin konnte die Maschine noch auf der Bahn zum Still­stand gebracht und der Brand schnell gelöscht werden. Die Besatzung wurde später für kosten­bewusstes Verhalten geehrt - dieser Landemodus wurde offenbar vom Ober­kommando als so riskant eingeschätzt, dass es schon die Freigabe erteilt hatte, mit dem Fallschirm auszu­steigen und die Maschine ins Meer fallen zu lassen.
Die Unruhe unter der Bevölkerung war damals nicht nur wegen des extremen Lärms groß, sondern auch, weil bekannt war, dass die B1 als Atom­waffen­träger tauglich ist - und die Air Force sich wie üblich weigerte, irgend­welche Details über Auftrag und Ausstat­tung der Maschine bekannt zu geben, obwohl die geplante Flug­schau-Teil­nahme sicher ein gutes Argument dafür war, glaubhaft zu machen, dass keine Atomwaffe an Bord war.

Erinnerungskreuz und Karte

Obwohl alle diese Fälle ohne grössere Schäden abgingen, machen sie doch deutlich, dass die Anwohner des Rhein-Main Flughafens einem besonderen Risiko ausgesetzt sind. Alle kritischen Fälle, bei denen eine längere Landebahn von Vorteil sein kann, werden auch künftig hierher dirigiert werden - und ob irgend eine Ladung oder Bewaffnung dafür als zu hohes Risiko angesehen würde, ist keines­wegs sicher.

Es brauchte immerhin mehrere Dutzend Todes­opfer, um eine andere Form der Bedrohung durch militä­rische Aktivi­täten endlich abzu­wehren. Als beim Flugtag­unglück von Frankfurt am Pfingst­sonntag, den 22. Mai 1983, ein kanadischer Düsen­jäger vom Typ F-104 Star­fighter bei einer Flugvor­führung abstürzte und Trümmer sechs Mit­glieder einer Pfarrers­familie töteten, erklärten der damalige Vertei­digungs­minister Wörner und sein Staats­sekretär Würzbach (beide CDU) noch eiskalt, dass solche Veran­staltungen sicher­heits­politisch notwendig seien und nicht verboten werden könnten. Erst nach der Katas­trophe bei einer Flugschau auf der Ramstein Air Base am 28. August 1988, als drei Flugzeuge einer italie­nischen Kunst­flug­staffel vom Typ Aermacchi MB-339 kolli­dierten und abstürzten und eines davon in die Zuschauer raste, wobei insgesamt 71 Menschen starben und Tausende verletzt wurden, wurde in Deutschland ein Verbot militä­rischer Kunst­flug­schauen verhängt. Die Militärs bestanden aller­dings weiter­hin auf der Notwen­digkeit solcher "Übungen" und haben inzwischen auch dieses Verbot schon wieder weit­gehend verwässert. Zivil­flug­häfen bleiben aller­dings immer noch davon verschont.

Wie die zitierten Dokumen­tationen mehr als deutlich belegen, war und ist für das Militär (in allen betei­ligten NATO-Staaten) Geheim­haltung oberstes Prinzip, und zivile Stellen haben prak­tisch keinen Einfluss auf die "Bear­beitung" solcher Stör­fälle, weder was die konkreten Rettungs­maßnahmen noch was die anschließende Ursachen-Klärung angeht. Auch deshalb ist die Tatsache, dass eine militä­rische Nutzung von FRA nach wie vor nicht völlig ausge­schlossen ist, Grund zur Sorge.

Heruntergefallene Landeklappe

Ca. fünf mal ein Meter gross und 50 kg schwer
- aber zum Glück "nur" im Wald gelandet.

... und was Flugzeuge sonst noch verlieren können.

Und letztendlich - es muss ja nicht gleich ein ganzes Flugzeug herunter fallen, auch Teile davon können Schaden anrichten. Bei älteren Maschinen gab es das Problem des "Blue Ice": Eisbrocken, die vermut­lich aus den Toiletten stammten und im Lande­anflug aus niedriger Höhe noch heil unten ankamen. Auch in jüngerer Zeit wurden noch Eisbrocken oder Metall­teile gefunden, die da, wo sie waren, eigent­lich nur von oben hinge­kommen sein können. In Raunheim, Flörsheim und Bischofs­heim sind aus der Vergangen­heit Fälle bekannt, in denen Eis­bomben vom Himmel Dächer beschädigt hatten.

Spekta­kuläre Fälle in jüngster Zeit in Rhein-Main waren ein Eisbrocken, der in Nieder­josbach gefunden wurde (der nach Fraport-Angaben nicht von einem Flugzeug stammte, das in FRA an- oder abgeflogen war, wofür sie aber trotzdem die Sach­schäden bezahlten), und eine Landeklappe, deren Fall am 8.10.2014 beobachtet wurde, die aber erst am 14.10. im Frank­furter Stadt­wald gefunden wurde. Letzteres kam auch fünf Jahre vorher schon mal vor, und vermut­lich handelte es sich dabei um den gleichen Flug­zeugtyp und die gleiche Airline (B747-400F der Korean Air). Die gefundene Landeklappe konnte von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen untersucht werden, sie stellte fest, dass der Bruch "in einem korrosiven Bereich" erfolgte (BFU-Bulletin, S. 18). Das Flugzeug war 12 Jahre alt.
Bisher ist nicht bekannt, dass Mensch oder Tier mal von so einem Teil getroffen wurden - was aber nicht heißt, dass es immer so bleibt.

Auch hier hat Fraport aber noch ein beruhigendes Gutachten zur Hand. Die "Aufent­halts­dauer, um von den Folgen eines Flug­zeug­unfalls betrof­fen zu sein", liegt bei "ununter­brochenem Aufent­halt" in der Umge­bung des Flug­hafens zwischen 100.000 und 10 Mill­ionen Jahren - und wer bleibt da schon so lange?
Zwei Einwände gibt es hier aller­dings. Zum Einen betrachtet die Studie nur den kleine­ren Teil der Risiken, die oben geschil­dert wurden. Militä­rische Risiken bleiben völlig aussen vor, und kritische Flug­ver­fahren wie die Südum­fliegung wurden nicht speziell unter­sucht. Und zum Anderen ist zum Beispiel für das Raun­heimer Stadt­gebiet das Risiko, dass man hier durch einen Flug­zeug­unfall umkommt, etwas höher als das nach einem anderen, ähnlich aufge­bauten Gut­achten berechnete Risiko, dass hier durch Wirbel­schleppen ein Dach beschädigt wird. Aber dazu mehr im nächsten Abschnitt.


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Wirbelschleppe

Wirbelschleppen

Wirbelschleppen sind ein in der Luftfahrt lange bekanntes Phänomen, und die Sicherheits­abstände, die im Flug­betrieb einge­halten werden müssen, werden wesentlich durch sie bestimmt (s. oben unter "Absturz­gefahren"). Daran wird auch intenstivst geforscht: vor dem Ausbau haben DLR, DFS und andere umfang­reich gemessen und modelliert, um die ICAO-Vorgaben für die Staffelung bei An- und Abflug zumindest bei bestimmten Wetter­verhält­nissen umgehen zu können und Starts und Landungen auf dem alten Parallel­bahn­system dichter zu packen. Mehrere Forschungs­projekte wurden erfolg­reich abge­schlossen, aber für eine Einführung neuer Verfahren hat es (bisher?) nicht gereicht. Immerhin hat die DLR ein Verfahren paten­tieren lassen, das den Abbau von Wirbel­schleppen beschleunigen soll - leider nur im Bereich unmittelbar vor dem Aufsetz­punkt landender Flugzeuge.
Allgemein verständ­liche Literatur dazu ist rar, aber kürzlich hat die DLR zumindest einen Übersichts­artikel veröffentlicht.

Kurioser Weise wird aber häufig noch über­sehen oder sogar geleugnet, dass Wirbel­schleppen auch am Boden Schaden anrichten können. Flughäfen möchten dieses Thema weltweit gerne tot­schweigen, oder, wie eine britische Berater-Firma nett formuliert: "Die Sensiti­vität des Themas macht den Zugang zu Daten über Wirbel­schleppen-Vorfälle an anderen Flughäfen schwierig." ("The sensitivity of the issue makes access to data on vortex damage incidence at other airports difficult." Halcrow Group Limited, London City Airport Wake Turbulence Study, Final Report, December 2010).
In Raunheim ist der Effekt schon lange bekannt (s. Karte). Neuer­dings ist auch Flörsheim stärker betroffen, mit einer besonderen Häufung der Schäden während der langen (Nord-)Ostwind-Wetter­lage von Februar bis April 2013 (s. Karte). Dabei gab es auch neue Phänomene: zum Einen mussten Zeugen erleben, dass auch Boote auf dem Main durch Wirbel­schleppen gefährdet werden können. Bei Ostwind ist daher ab sofort das Mainstück unter der Anflug­route auf die Nordwest­bahn für Ruderer und Paddler tabu, wenn sie nicht riskieren wollen, zu kentern. Zum Anderen wurde ausser Ziegel auch andere Dach­einbauten beschädigt, u.a. ein Solarmodul und ein Dachfenster.

Die 3 Manager

Auch die Aufsichts­behörden versuchen in aller Regel, das Thema herunter zu spielen. Dabei hatten selbst Gutachten für das Hessische Wirtschafts­ministerium vor dem Bau der Nordwest­bahn die Funktions­weise und die Folgen solcher Wirbel­schleppen mit aller Klarheit beschrieben (s. Auszug hier), ohne dass das allerdings im Ministerium oder anderswo irgend­welche Konse­quenzen gehabt hätte. Im Gegenteil: noch nach der Schadens­serie in Flörsheim liess das Ministerium verlauten, man bezweifele den Zusammen­hang zwischen Wirbel­schleppen und Dach­schäden.

VGH-Urteil 2009

Auch Fraport hatte im Plan­fest­stellungs­verfahren gut­achter­lich fest­stellen lassen, dass Wirbel­schleppen-Schäden im Raunheimer Stadt­gebiet nicht auftreten können, und der Verwaltungs­gerichtshof in Kassel hat 17 Seiten lang begründet, warum er dieser Ein­schätzung folgt, obwohl gegen­teilige Fakten vor­gelegt wurden. Den Gipfel der juris­tischen Aus­legungs­akrobatik zeigt die Grafik rechts.
Die oben zitierte englische "London City Airport Wake Turbulence Study" kommt übrigens noch 2010 nach Begut­achtung der vor­liegenden Forschungs­ergebnisse zu der Schluss­folgerung, dass das Absinken und die Abschwächung von Wirbel­schleppen nicht hin­reichend genau vorher­gesagt werden können, so dass Risiko­betrach­tungen nicht auf Modell­rechnungen, sondern auf vor­liegende Statis­tiken über Schadens­fälle gestützt werden müssen. Deutsche Gutachter und Gerichte haben solche Skrupel offen­sichtlich nicht.

Immerhin war dem Bundes­verwaltungs­gericht dieser schreiende Widerspruch zwischen Theorie und Praxis peinlich genug, um die Revisions­klage nicht einfach abzu­weisen, sondern sie dadurch aus der Welt zu schaffen, dass Fraport verpflichtet wurde, die Dächer im Besitz der Klägerin durch Klammern zu sichern, und damit die Klage für erledigt zu erklären. Von städtischen Gebäuden (acht an der Zahl) werden also wohl keine Ziegel mehr fallen.

Foto Wirbelschleppen-Schaden

Eine laut Gutachter "deutliche geschwächte" Wirbelschleppe schleudert Ziegel auf den Gehweg

Im restlichen Stadtgebiet wurden aber weiterhin Ziegel angehoben oder heraus­gerissen, und landeten da, wo sich sonst Menschen und Tiere aufhalten - was bisher zum Glück noch nie gleich­zeitig der Fall war.
Nach der Schadens­serie in Flörsheim (und vor den Landtags­wahlen im Herbst 2013) wurde der politische Druck aber so groß, dass sich das Ministerium zum Handeln gezwungen sah und einen Plan­ergänzungs­beschluss nebst Anlage erließ, der zwar immer noch verbal den Zusammen­hang zwischen Dachschäden und Wirbel­schleppen in Frage stellte, aber aus Vorsorge­gründen nun doch Fraport verpflichtete, Dächer zu sichern. Form und Inhalt dieses Beschlusses dokumen­tierten jedoch nur einmal mehr die völlige Unfähigkeit des Ministers, mit dem Problem adäquat umzugehen (Details dazu s. hier und hier).
Daran hat sich auch nach dem Wechsel von FDP-Mann Rentsch zum Grünen Al-Wazir nichts geändert. Zwar sah sich letzterer im Frühjahr 2014 nach neuer­lichen Vorfällen in Raunheim genötigt, Rentschs Plan­ergänzung nochmals zu ergänzen (Plan­ergänzungs­beschluss II nebst Anlage II) und dabei das "Vorsorge­gebiet" auf ganz Raunheim auszu­dehnen und die absurde "Stichtags­regelung" aufzu­heben, aber die grund­legenden Mängel hat das nicht beseitigt. Insbe­sondere ist nach wie vor völlig unklar, wie gefähr­dete Dach­ein­bauten und andere Bereiche, die von Wirbel­schleppen getroffen werden können (Balkone, Terrassen, Gärten usw.) geschützt werden sollten.

Foto Wirbelschleppen-Schaden

Offiziell ist das Sicherungs­programm Ende Juni 2013 angelaufen. Die recht­lichen Grund­lagen können auf der Website des Ministeriums nachgelesen werden, Details der Durchführung enthält eine Informa­tions­broschüre der Fraport AG. Eine spezielle Info-Seite liefert Informationen über die Antrag­stellung.
Im Anspruchs­gebiet der ersten Plan­ergänzung lagen ca. 3.000 Dächer, und dafür lagen nach Fraport-Aussagen in der Presse nach einem Jahr 862 Anträge vor, von denen ca. 2/3 formal bearbeitet werden konnten. In der Summe heißt das, dass in diesem Gebiet (irgendwann einmal) ca. 20% der Dächer gesichert sein könnten.
Mit der zweiten Plan­ergänzung kamen schätzungs­weise noch einmal so viele Dächer dazu, und man kann vermuten, dass das Inter­esse an einer Sicherung hier auch nicht grösser sein wird. Nach dem schweren Wirbel­schleppen-Schaden in Raunheim am 15.09.14 berich­tete die Hessen­schau, vermut­lich auf Basis von Fraport-Angaben, das von 6.000 anspruchs­berech­tigten Gebäuden für 1.177 Anträge gestellt wurden (d.h. für knapp 20%), wovon 721 (12%) erledigt seien. Achteinhalb Monate später lauten diese Zahlen nach einem Bericht der Main-Spitze: 1.941 Anträge (ca. 30%) einge­gangen, 824 Dächer (ca. 14%) gesichert.
Am 10. August 2015 freut sich Fraport in einer Presse­mittei­lung, dass " an über 1.000 Gebäuden in den defi­nierten Gebieten die Dachein­deckungen zur Präven­tion von Wirbel­schleppen­schäden gesichert" wurden. Exakt wurden bis zum 7. August "die Dach­sicherungs­maßnahme ... bei bislang 1.026 Objekten voll­ständig abge­schlossen; bei weiteren 651 Objekten wurden bereits alle Vorar­beiten abge­schlossen und die Dach­sicherungs-maß­nahme als nächster Schritt anvi­siert oder bereits begonnen. Bei weiteren 222 Objekten laufen derzeit die Vorar­beiten, wie z.B. eine Termin­abstim­mung mit dem Eigen­tümer zur Besich­tigung des Daches vor Ort." In zwei Jahren und drei Monaten, wurden also rund 17% der nach Meinung des Minis­teriums gefähr­deten Dächer gesichert, bei weiteren knapp 15% ist die Sicherung mehr oder weniger fest geplant. Insgesamt sind also nicht einmal ein Drittel der Dächer (32%) von dem Programm erfaßt. Bei gleichbleibendem Tempo wäre das Programm etwa 2030 beendet.
Ob man angesichts dieser Zahlen noch "von einer schnellen und deutlichen Verringe­rung des Gefahren­potenzials" ausgehen kann, wie das der Hessische Verwaltungs­gerichtshof in der Ablehnung eines Eilantrags der Stadt Flörsheim im Juli 2013 getan hat, darf bezweifelt werden. Der VGH hat in seinem Urteil zur Klage der Stadt Flörsheim im April 2015 aber selbst diese bescheidene Forderung fallen lassen, so dass man nun wieder auf das Bundes­verwaltungs­gericht warten muss.

Im Herbst 2013 startete Fraport eine kleine Image-Offensive zum Thema. In einer Presse­mitteilung wurde dem staunenden Publikum mitge­teilt, dass ein im April 2013 bei der DLR in Auftrag gegebenes Gutachten nun vorliege und das Fraport-Vorgehen "grund­sätzlich" bestätige. Zwanzig Schadens­fälle seien unter­sucht worden, nur für sieben davon seien Wirbel­schleppen als Ursache "plausibel" (wobei dies im Einzel­fall immer noch vor Ort nachge­wiesen werden müsse), und alle sieben Fälle lägen im jewei­ligen "Anspruchs­gebiet". Veröffent­lichen wollte Fraport das Gutachten aber lieber nicht, angeb­lich wegen noch bestehender "Rechts­streitig­keiten". Der Verein "Für Flörsheim" hatte allerdings von dieser Heimlichtuerei irgendwann genug und hat das der Stadt Flörsheim zur Verfügung gestellte Exemplar ins Netz gestellt.

DLR-Gutachten

Wie meist in solchen Fällen, sind die Fraport-Angaben hier nicht einmal die halbe Wahrheit und damit eine ganze Lüge. Was die DLR-Gutachter tun, ist, ein Modell der Wirbel­schleppen-Ausbreitung, das für andere Zwecke entwickelt wurde, nun für das Absinken von Wirbel­schleppen aus grösseren Höhen zum Boden anzuwenden. Da das Modell dafür nie umfassend verifi­ziert wurde, hat es dies­bezüglich auch keinerlei Beweis­kraft, und da es ohnehin nur mit Wahrschein­lichkeits-Aussagen arbeitet, muss man die von Fraport genannten Kategorien "plau­sibel", "bedingt plau­sibel" und "unplau­sibel" übersetzen mit "kann mit dem Modell gut / weniger gut / nicht erklärt werden". Wenn aber ein Modell die Realität nicht erklären kann, darf man daraus nicht schliessen, dass die Realität falsch ist. Vielmehr liegt erst einmal der Verdacht nahe, dass das Modell nicht geeignet sein könnte.
Bestärkt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass die gleichen Autoren mit dem gleichen Modell für die dritte Bahn in München (die zum Glück bisher nicht gebaut wurde) ein Wirbel­schleppen-Risiko­gebiet berechnet haben, das noch deutlich kleiner ist als das des katastrophal falschen Gutachtens aus dem Plan­feststellungs­verfahren für die Nord­west­bahn. Daraus muss man schliessen, dass entweder die bayrische Luft anders ist als die hessische und sich nicht so schnell und dauerhaft in Wirbel versetzen läßt - oder aber, dass die Gutachter ihre Modell­parameter gehörig "modifiziert" haben, um wenigstens die offen­sicht­lichen Wirbel­schleppen­schäden in Flörsheim und Raunheim halbwegs erklären zu können. Wissenschaft geht anders.

Aber auch wer den Gutachtern gerne glauben möchte, erlebt eine Überraschung, wenn er einen Blick auf die Karte in diesem "Geheim­gutachten" werfen darf. Die Wirbel­schleppen­schäden werden keineswegs immer unplau­sibler, je weiter die Schadens­orte vom Flughafen entfernt sind. Im Gegenteil liegen vier von den sieben als "unplau­sibel" einge­stuften Schadens­fällen im Osten Raunheims, also unstreitig mitten im Risiko­gebiet, während ein Fall in Rüssels­heim(!), weit ausser­halb des "Anspruchs­bereichs", als "bedingt plausibel" einge­schätzt wird. Daraus folgt, dass zumindest einige der Schadens­fälle nur als "unplausibel" eingestuft wurden, weil im konkreten Fall gerade die Wind­bedingungen laut Modell nicht passten, grundsätz­lich aber an diesen Stellen sehr wohl Wirbel­schleppen­schäden auftreten können. Andererseits hält das Modell Wirbel­schleppen­schäden an Stellen für möglich, die weit ausser­halb des "Anspruchs­bereichs" liegen. Und das wiederum heißt, dass das Risiko­gebiet, in dem Wirbel­schleppen auftreten können, auch gegenüber dem in der zweiten Planergänzung neu definierten Bereich ganz erheblich ausge­dehnt werden müsste.

Man darf gespannt sein, ob irgend jemand irgend wann einmal diese und andere notwendige Konse­quenzen aus diesem Gutachten ziehen wird. Eine davon wäre z.B. auch, dass das Gutachten für die Münchner Bahn dringend überprüft werden müsste. Gerichte tun das von sich aus nicht, wie die im Juli 2014 vorgelegte Urteils­begründung des Bayrischen VGH zeigt (S. 178, Rn 567):

"Wie von Gutachter­seite sowohl im Gutachten selbst als auch in der mündlichen Verhand­lung (vgl. Nieder­schrift vom 16.5.2013, S. 13) im Einzelnen nachvoll­ziehbar erläutert, erreichen lediglich 0,4 Prozent – und damit nur ein winziger Bruchteil – der von über­fliegenden Flug­zeugen erzeugten Wirbel­schleppen Boden­nähe ...
Diese Aussage erging in voller Kenntnis der Situation am Frankfurter Flughafen und vor dem Hinter­grund der Tatsache, dass mit dieser Bahn bebautes Gebiet in weniger als 100 m Höhe über­flogen werden soll. Es gibt offen­sicht­lich nichts, was deutsche Gutachter nicht behaupten und deutsche Gerichte nicht glauben können, wenn es nur im Interesse hin­reichend starker wirt­schaft­licher Mächte ist.

Fraport-Ermittler

Insgesamt verdichten sich die Anzeichen, dass Fraport beim Thema Wirbel­schleppen einen anderen Kurs fahren will. Hatten sie früher versucht, das Thema aus der Öffent­lichkeit heraus zu halten, indem sie Schäden möglichst schnell und lautlos regulierten, sollen jetzt, nachdem das Dach­sicherungs­programm nicht verhindert werden konnte, Geschädigte zumindest von weiteren Ansprüchen abge­schreckt werden.
Die seit Juli 2013 veröffentlichte Dokumen­tation gemeldeter Dachschäden und ihrer Beurteilung durch Fraport enthält inzwi­schen bereits 35 Fälle, die angeb­lich "nicht auf Wirbel­schleppen zurück­zuführen" sind (bei 23 "anerkannten" Fällen im gleichen Zeitraum, Stand September 2015). Man muss wohl davon ausgehen, dass die Betrof­fenen die Ablehnung still­schweigend hinge­nommen haben, weil sie sich aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage sahen, ihren Anspruch vor Gericht durchzu­setzen.
Der politische Skandal liegt hier darin, dass die zuständigen Behörden, allen voran das Wirtschafts­ministerium, die Betroffenen alleine lassen und Fraport erlauben, sich mit windigen Behaup­tungen aus der Verant­wortung zu schleichen. Fraport nimmt die Schadens­meldungen entgegen, bestellt die Gutachter, beurteilt deren Ergebnis und entscheidet, was zu passieren hat - alles ohne jegliche Kontrolle. Es gibt keine Beschwerde­stelle, keinen neutralen Dritten, der hinzu gezogen werden könnte, es gibt nur den Weg vors Gericht. Und wer den antritt, braucht nicht nur starke Nerven, sondern auch eine gute Rechts­schutz­versicherung oder viel Geld.

Haupt­sächlich möchte Fraport wohl verhindern, dass anerkannt wird, dass ausser Ziegeln auch anderes beschädigt werden kann. So selbst­verständ­lich es eigentlich ist, dass alles, was durch Sturm geschädigt werden kann, auch durch Wirbel­schleppen kaputt gehen kann, so massiv werden entsprechende Meldungen abgeblockt. Ob Solar­modul oder Dach­fenster - es darf nicht sein, dass sowas durch eine WIrbel­schleppe beschädigt wird, weil dann die Frag­würdig­keit des gesamten "Sicherungs­programms" deutlich würde und echte Sicherungs­maßnahmen wieder auf die Tages­ordnung kämen.
Aber sie werden das Thema nicht loswerden. Solange sie nicht weniger und höher fliegen, wird es immer wieder Schäden geben, und sie werden die Diskussion darüber nicht ewig unter­drücken können.


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Vogelschlag

Vogelschlag

Vogelschlag definiert Wikipedia als Zusammenprall von Vögeln mit Objekten. In der Luftfahrt entstehe dadurch weltweit ein jährlicher Schaden von über einer Milliarde Dollar, und die Flug­sicherheit werde erheblich gefährdet. Nicht so in Frankfurt. Erste Gutachten zum Ausbau stellten noch lapidar fest, dass es zwar in dem Wald, wo die Bahn hin sollte, viele Vögel gäbe, die ja aber mit dem Wald verschwinden würden und daher kein Problem bestehe. Erst später setzte sich die Erkenntnis durch, dass auch am Main Vögel leben und je nach Jahres­zeit auch in grösseren Schwärmen durch­ziehen. Einige wollten auch nicht so schnell vergessen, dass der Mönchwald­see mal ihr Schutzgebiet war, und hielten sich immer noch dort auf.
Also wurde die neue Bahn Richtung See mit einem Vorhang verhängt, und am Main wurde ein Vorwarn­system namens Mivotherm installiert, das vor Vogel­schwärmen warnen soll, sofern sie vorschrifts­mäßig in definierter Höhe den Main entlang fliegen. Beide Maßnahmen sind von zweifel­hafter Wirksamkeit, aber bisher konnte noch kein Versagen nachge­wiesen werden. Zwar berichteten nach Inbetrieb­nahme der Landebahn Nordwest z.B. die Frank­furter Rundschau, das Echo und die Allgemeine Zeitung, z.T. erst mit erheblicher Verspätung, über Vogel­schlag-Vorfälle, aber die passierten in beiden Flug­richtungen und gingen glimpflich aus. Auch wenn z.B. mal im Landeanflug eines A320 der Lufthansa ein Triebwerk durch Vogel­schlag ausfiel, genügte das zweite glück­licher Weise für eine sichere Landung.

Plane crash into Hudson River

Ähnliches passiert auch anderswo. So musste ein Airbus A321 am 24. November 2012 auf dem Weg von Berlin nach Frankfurt kurz nach dem Start wieder umkehren, weil ein Triebwerk durch Vogelschlag ausfiel. An Bord war neben 198 anderen Passagieren auch der hessiche SPD-Vorsitzende Schäfer-Gümbel - er wird nun im Gegensatz zu vielen anderen Politikern wissen, wovon beim Thema Vogelschlag die Rede ist.
Weniger Glück hatte ein Airbus A320, der am 15. Januar 2009 von New York nach Seattle wollte. Sechs Minuten nach dem Start geriet er in einen Gänse­schwarm, beide Triebwerke fielen durch Vogelschlag aus. Der Pilot segelte darauf hin zum Hudson River und setzte auf dem Wasser auf. Das Flugzeug konnte komplett evakuiert werden, ehe es unterging. Aber das ist Amerika - der Main wäre für eine solche Aktion nicht breit genug.
(Ironie am Rande: der US-Pilot, Chesley Sullen­berger, wurde für seine fliegerische Meister­leistung zum National­held, fiel aber kurz danach wegen unbotmäßig-kritischer Äusserungen bei einem Kongress-Hearing über Arbeits­bedingungen und Entlohnung sowie Sicherheits­aspekte in der US-Luftfahrt in Ungnade. Auch seine Bezüge wurden gekürzt.)
Bei einem ähnlichen Vorfall in Berlin-Schöne­feld blieb ein Triebwerk intakt, so dass die betroffene Boeing 737 normal zum Flughafen zurück­kehren konnte.

Offizielle Stelle für alle Auskünfte, Hinter­gründe und Statis­tiken zum Thema Vogelschlag ist der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogel­schlägen im Luftverkehr e. V. DAVVL. Dessen Ehren­vorsitzender Hild hat auch das einschlägige Gutachten im Planfeststellungs­verfahren zum Ausbau erarbeitet sowie eine nachträgliche Stellung­nahme, die die Begründung für die oben genannten Schutz­massnahmen enthält.

Vogelschutzzaun

Die Südwest-Ecke des Mönchwaldsees mit "Vorhang" zur "Reduzierung des Vogeleinflugs auf das Flughafengelände". Er soll "die Wirkung optischer Signale und Störreize ... von der Landebahn auf den See" unterbinden. (Für Gesamtansicht Foto anklicken)

Und so sieht der sichtbare Teil dieser "Schutz­maß­nahmen" aus: gerodete Ufer, ein meter­hoher Zaun direkt dahinter - so wird in Hessen das Profit­streben vor den Belangen der Natur geschützt. Aber auch hier gibt es selbstverständlich ein Gutachten, das bestätigt, dass das Schutzgebiet durch die Baumassnahme nicht beeinträchtigt wird. Man betrachte nur die Abbildungen im Gutachten auf den Seiten 36 und 37 und die nachfolgenden Fotos, um zu verstehen, wie weit dieses Gutachten von der Realität entfernt ist.

Landschaftsschutz-Schild

Schutzgebiet am Mönchwaldsee
(Für Text Foto anklicken)

Dreister Weise wird dieses Stück verschan­delte Landschaft trotzdem noch als Schutz­gebiet ausge­wiesen, es zählt zum "Land­schafts­schutz­gebiet Unter­main­schleusen", das zugleich auch Vogel­schutz­gebiet ist.
So werden formal die Vor­gaben erfüllt, die nega­tiven Folgen des Flug­hafen­ausbaus zu mini­mieren. Das Schutz­gebiet existiert ja noch - dass es seine ursprüng­liche Funktion nicht mehr erfüllen kann, steht auf einem anderen Blatt.

Tatsächlich kann man eigentlich nur hoffen, dass die Wasser­vögel intelli­gent genug sind, dieses "Schutz­gebiet" zu meiden. Schließ­lich führt Vogel­schlag zwar nur relativ selten zu Schäden für die Flug­passagiere - aber immer zu Total­schaden für die betei­ligten Vögel.

Auch die Reste des Kelster­bacher Waldes, die immer noch als FFH-Schutz­gebiet ausge­wiesen sind, erholen sich nur mühsam. Das Hessi­sche Umwelt­minis­terium weiss in der Darstel­lung dieses Gebietes übrigens immer noch nichts vom Bau der Nord­west­bahn, und auch beim Regie­rungs­präsi­dium Darm­stadt ist nur das Luftbild, aber nicht die Karte halbwegs aktuell. Wie es wirk­lich aussieht, kann man z.B. einer Karte des Kreises Gross-Gerau entnehmen, die alle NATURA-2000-Gebiete im Kreis auflistet. Ein Vergleich der Darstel­lungen findet sich hier.


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Lärmwirkungen und Gesundheit


Zu diesem Thema hat es in den letzten Jahren eine Vielzahl von Studien, Berichten und Untersuchungen gegeben. Einen Überblick über aktuelle Ergebnisse der Lärmforschung gibt es z.B. auf der Seite zu Lärmproblemen des Umweltbundesamtes. Grundlegendes zum Luftverkehrslärm findet sich dort ebenfalls. Die Kernaussage kann gar nicht oft genug wiederholt werden:

Transparent
"Fluglärm ab einem Dauerschallpegel von 40 Dezibel in der Nacht kann Herz- Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfall oder Herzinfarkt verursachen. Das Umweltbundesamt fordert daher, insbesondere nächtlichen Fluglärm zu reduzieren und darüber zu diskutieren, wie viel Verkehr tatsächlich gebraucht wird. Notwendig ist eine nationale Flug­verkehrs­planung. In diese gesamtheit­liche Betrachtung sollten dann auch die Kosten einfließen, die durch Lärm verursachte Krankheiten entstehen."

Auf EU-Ebene befasst sich das Institut für Gesundheit und Verbraucherschutz des Gemeinsamen Forschungszentrums der EU u.a. mit Lärmwirkungen, und auch das Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation WHO liefert viele interessante Informationen zum Thema Lärm, beide leider nur in Englisch.

Sehr viel Material zum Thema Fluglärm und Gesundheit enthält auch die von dem Berliner Arzt Dr. Henning Thole heraus­gegebene Webseite Fluglärm-Fakten. Dort findet sich auch eine Zusammenfassung US-amerikanischer Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und der Entstehung von Demenz hinweisen - ein Befund, über den bisher wenig zu lesen war.
Speziell mit den medizinischen Folgen von nächtlichem Fluglärm beschäftigt sich die "Aerzteinitiative für ungestörten Schlaf" AefuSch.

Ja zu FRA - Tod

Auch der 115. Deutsche Ärztetag 2012 forderte in einem Beschluss, den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm durch Verschär­fung der einschlä­gigen Gesetze zu verbessern.
Der 117. Deutsche Ärztetag 2014 hat diesen Beschluss bestätigt und darüber hinaus gefordert, die Verursacher von Verkehrslärm an den Behandlungskosten für dadurch induzierte Krankheiten zu beteiligen. Nach Meinung der Ärztinnen und Ärzte geht es dabei um Summen von mehreren 100 Millionen Euro im Jahr.
Ein sehr interessanter und gut lesbarer Übersichts­artikel wurde 2008 von Kaltenbach et al. im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Speziell mit der Situation im Rhein-Main-Gebiet und dem Umgang mit dem Thema in der Ausbau-Diskussion setzt sich ein Themenheft der Ärzte­zeitung vom September 2012 auseinander.
Das Ärzteblatt Rheinland-Pfalz bringt in der Märzausgabe 2013 einen eigenen Schwerpunkt zum Thema Lärm mit mehreren Beiträgen zu Fluglärm­wirkungen, darunter einen Beitrag von Prof. Greiser zur Erhöhung des Erkrankungs­risikos durch Fluglärm für eine Vielzahl von Krankheiten, das er in einer Kölner Studie ermittelt und kürzlich auf Rhein-Main übertragen hat.

Eine Studie der Universitäts­medizin Mainz hat zum ersten Mal den direkten Zusammen­hang dar­stellen können zwischen nächt­lichem Fluglärm und Gefäß­schädigungen, die zu Blut­hochdruck, Herz­infarkt oder Schlag­anfall führen können. Dabei wurden auch Hinweise auf mögliche interessante Neben­effekte gefunden: so soll Vitamin C dazu beitragen können, die Gefäß­schädi­gungen zu reduzieren. Anderer­seits scheint die Annahme, dass es eine Gewöhnung an Fluglärm geben könnte, falsch zu sein: in der zweiten Versuchs­nacht wurden die Effekte in der Regel schlimmer.
Die ersten Ergebnisse wurden in einer Presse­mitteilung, in einem Fachartikel (in Englisch) und in einer Zusammen­fassung im Jahres­bericht der Klinik veröffent­licht, ein Bericht in der Ärzte­zeitung gibt ebenfalls eine gute Zusammen­fassung.
Die zweite Forschungs­arbeit im Rahmen dieser Studie, zu der die Uni Mainz ebenfalls eine Presse­mitteilung heraus­gegeben hat, unter­suchte Patienten, die bereits vorge­schädigt waren, und fand ebenfalls deutliche Auswirkungen. Die Unter­suchungen werden fort­gesetzt, die "Stiftung Mainzer Herz" berichtet kontinu­ierlich darüber.

NORAH-Logo

Die im Rhein-Main-Gebiet durch­geführte NORAH-Studie wurde im Mai 2011 begonnen. Am 03. Juli 2013 gab das "Forum Flughafen und Region" einen Überblick über den Sachstand und die geplante weitere Durchführung der einzelnen Module der Studie. Zusätz­liche Infor­mationen über Entstehung und Durch­führung der Studie gibt es beim Forum Flug­hafen und Region.
Die genauere und räumlich und zeitlich erwei­terte Erfassung der tatsäch­lichen Flug­lärm­belastung der Anwohner im Rhein-Main-Gebiet wurde laut Presse­mitteilung vom Januar 2014 erfolg­reich durch­geführt und bildet die Basis der Akustik­datenbank, die es erlauben soll, beobach­tete Effekte mit der tatsäch­lich am Ort vorlie­genden Lärmbe­lastung zu korre­lieren.
Ende Oktober 2014 ging eine neue Webseite online, die die Ergebnisse der Studie populär vermitteln soll. Eine Broschüren-Reihe soll in allge­mein verständ­licher Form über alle Bereiche der Gesamt­studie infor­mieren.
Die ersten Ergeb­nisse der sog. Kinder­studie, die die Wirkung von anhal­tender Flug­lärm­belastung auf die kogni­tiven Leis­tungen und das Wohl­befinden von Grund­schul­kindern im Rhein-Main-Gebiet unter­sucht, wurden am 4.11.2014 vorgestellt. Dazu wurden eine Broschüre über die Grund­lagen und eine über die Ergeb­nisse veröffentlicht.
Am 17. März 2015 hat das Umwelthaus angekün­digt, dass alle Ergeb­nisse der NORAH-Studie im Rahmen der Konfe­renz Aktiver Schall­schutz im November dieses Jahres, die das Leit­thema "Gesund­heit" haben soll, ausführlich dargestellt und diskutiert werden sollen. Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden die Ergebnisse am 29. Oktober 2015.
Der Deutsche Fluglärmdienst hat alle vorliegenden Ergebnis-Berichte, Publikationen und Stellungnahmen in seinem Archiv zur Verfügung gestellt. Die offizielle Zusammenstellung aller Ergebnisse zum Download, ergänzt um einige Fachveröffentlichungen der AutorInnen, findet sich unter Publikationen auf der ursprünglichen NORAH-Webseite.

Die Durch­führung dieser Studie war von Anfang an umstritten. 2012 haben zahlreiche ÄrztInnen aus der Region eine Kritik an der Studie im Hessischen Ärzte­blatt veröffent­licht, auf die die an NORAH beteiligten Wissenschaft­lerInnen mit einem Offenen Brief geant­wortet haben.
Aus Sicht der Betrof­fenen ist insbe­sondere die Kritik wichtig, dass die NORAH-Studie benutzt wurde und wird, um mit dem Hinweis auf noch ausste­hende Ergebnisse die Umsetzung notwen­diger Maßnahmen zu verzögern, obwohl die grund­legenden Fakten längst bekannt sind. So sind etwa die Kernaus­sagen der NORAH-Kinder­studie auch in den Ergeb­nissen der RANCH-Studie enthalten, die 2001-2003 in den Nieder­landen, Groß­britan­nien und Spanien durchge­führt wurde, auch wenn im Detail durchaus Fort­schritte erzielt wurden.
Nach Veröffent­lichung der Studien­ergeb­nisse hat sich der Streit verschärft. Der Arbeitskreis "Ärzte gegen Fluglärm" wendet sich in einer ersten Stellung­nahme zu den Ergeb­nissen insbe­sondere gegen die Verharm­losung der Flug­lärm-Wir­kungen und weist darauf hin, dass die Studie trotz teilweise erheb­licher Unklar­heiten und Mängel im Prinzip die Resul­tate anderer Studien bestätigt.
Der Vorsitzende der Arbeits­gemein­schaft Deutscher Flug­lärm­kommis­sionen, Thomas Jühe, hat am 10. November 2015 ein Schreiben veröffent­licht mit einer eigenen Zusammen­fassung der NORAH-Ergeb­nisse, denn "Teil­weise wurden unzutref­fende Zusammen­fassungen der Studien­ergeb­nisse kommu­niziert". Ohne es explizit zu sagen, wendet er sich damit wohl insbe­sondere gegen die verfäl­schenden Darstel­lungen der Fraport, die von anderen Luft­verkehrs­lobby­isten aufge­griffen wurden.

TELI-Logo Lärm

Am 14.02.14 fand in Wiesbaden eine sog. Wissen­schafts­debatte mit dem Titel "Lärm macht krank" statt, die online fortgesetzt wird und auch ein Memorandum verabschiedet hat, das weiter entwickelt werden soll. Die Präsen­tationen, mit denen die Debatten einge­leitet wurden, sind ebenfalls online verfügbar.
Die Veran­staltung beschäftigte sich mit Lärm­wirkungen insgesamt, speziell zum Thema Fluglärm wurde nichts Neues vorge­tragen. Wichtig sind aber die Forde­rungen des Memo­randums an die Politik, Lärm­risiken anzuer­kennen, Transparenz herzustellen und Beteiligung zu ermöglichen.

DLR-Titel

Trotz aller hier aufgezeigter Aktivi­täten kommt ein im März 2013 vorgelegter DLR-Bericht zur Situation der Lärm­wirkungs­forschung in Deutsch­land zu dem traurigen Ergebnis:

"Die augenblick­liche Situation in Deutschland ist dadurch gekenn­zeichnet, dass die vorhandene Forschungs­infra­struktur aufgrund fehlender Ressourcen nicht imstande ist, die in allen wichtigen Wirkungs­diszi­plinen notwendigen grund­legenden Forschungs­arbeiten zur Lärmwirkung aufzu­nehmen und erfolg­reich durchzu­führen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass der in diesem Bericht aufge­zeigte Erkenntnis­bedarf auf allen Ebenen der Gesell­schaft in den nächsten Jahren erfüllt werden kann." (S.49)
Das gilt leider nicht nur für Deutschland, und es ist nicht absehbar, dass sich an diesem Zustand schnell etwas ändern könnte.



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Aktiver Schallschutz


"Aktiver Schallschutz" bedeutet, die Lärment­stehung an der Quelle zu reduzieren oder aber die Lärmquelle weiter vom Einwir­kungsort weg zu bringen. Für Fluglärm heißt das, die Flugzeuge leiser zu machen bzw. sie höher oder weiter entfernt von Ortschaften fliegen zu lassen.

Struktur FFR

Die Geschichte des aktiven Schall­schutzes im Zusammen­hang mit dem jüngsten Ausbau­schritt am Frank­furter Flughafen beginnt mit dem Antilärmpakt, den der damalige Vor­sitzende des "Regio­nalen Dialog­forums", Herr Prof. Dr. Wörner, noch in letzter Minute durch­setzen wollte. Obwohl nie formal verabschiedet, wurde er eine Grundlage der Arbeit der Nachfolge­einrichtung, des Forum Flughafen & Region / Umwelthaus GmbH. Dieses setzte ein Experten­gremium ein, das ein erstes "Massnahme­paket Aktiver Schall­schutz" entwickelte und dazu im Juli 2010 einen Endbericht sowie im Juni 2012 einen Moni­toring-Bericht vorlegte.

Allianz-Logos

Parallel dazu wurde auf der Basis einer Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 im Februar 2012 die Allianz für Lärm­schutz ge­grün­det, die ihre eigene Maß­nahme­liste einführte.
Das sind zwar partiell die gleichen Akteure, sie agieren aber zuweilen durchaus unter­schied­lich, wie nach­folgend gezeigt wird.

Ende 2013 veran­staltete das FFR mit Unter­stützung gewich­tiger Partner zum zweiten Mal (nach 2010) eine "Inter­national Confe­rence on Active Noise Abatement" (Inter­nationale Konferenz Aktiver Schall­schutz), ICANA. Die Dokumen­tation der Vorträge und Links zu Video-Mit­schnitten sind inzwi­schen online verfügbar, ebenso wie die dort verab­schie­dete Frank­furter Erklä­rung.

Die Entwick­lungs­geschwindig­keit der Maßnahme­planung ist enorm. Während die Experten noch 7 Maßnahmen in ihr Paket packten, listet die Allianz stolze 19 auf (die Numme­rierung geht zwar nur bis 16, aber bei gutem Willen kann man einige Punkte als mehrere Teil-Maßnahmen sehen). Die haben aber sehr verschie­denen Charakter: 3 dienen nur dazu, Fehl­planungen bei der Umstellung auf das 4-Bahn-System zu korri­gieren (Anhebung der Flughöhen bei Gegen- und Zwischen-Anflügen), eine möchte über­wiegend aus anderen Gründen durch­geführte Flotten­moderni­sierungs­maßnahmen als Schall­schutz verkaufen, und eine ist durch "unvorher­gesehene" Ein­schränkungen (Nachtflug­verbot) zur Lach­nummer verkommen, die so wirkungs­los ist, dass nicht einmal die Schäden, die sie theo­retisch anrichtet, spürbar werden. Wieder andere beziehen sich auf Forschungs­vorhaben mit sehr begrenzter Wirkung (Redu­zierung Bodenlärm), ökono­mische Instrumente mit unklarer Reich­weite (Spreizung Lärment­gelte) oder sind ohnehin nur "zur Prüfung" aufge­listet (neue An- und Abflug-Routen).

Am 18.07.14 hat die "Kommission zur Abwehr des Fluglärms, Flughafen Frankfurt Main" (kurz Flug­lärm­kommission, FLK) mit einer Presse­mitteilung daran erinnert, dass sie seit 10 Jahren aktiv und mit eigenen Vorschlägen für aktiven Schall­schutz eintritt und einen Bericht vorgelegt, der den Stand der Umsetzung der Vorschläge bewertet. Von den 81 vorge­legten Vor­schlägen sind lt. Bericht "je 1/3 ... realisiert bzw. umgesetzt, nicht umgesetzt oder befinden sich noch in der Prüfung". Besonders inte­ressant sind die nicht umge­setzten Vorschläge, weil man daraus viel darüber lernen kann, was einem wirk­samen Schall­schutz im Weg steht.
Da die FLK über­wiegend aus Kommunal-Vertretern zusammen­gesetzt ist und ausser einer kleinen Geschäfts­stelle nicht über eigene Ressourcen verfügt, ist sie für die Ausar­beitung und Beur­teilung von tech­nischen Vor­schlägen zum Schall­schutz auf externe Expertise angewiesen, die über­wiegend vom o.g. Forum Flughafen und Region gestellt wird. Viele dieser Vorschläge wurden daher über das "Experten­gremium Aktiver Schallschutz" einge­bracht und umge­setzt. Eigen­ständige Beiträge der FLK gibt es im Bereich der politi­schen Bewer­tung von Maßnahmen und der Betei­ligung von Betrof­fenen.

Für Raunheim: nichts mehr drin im Paket

Die für Raunheim interes­santen Maßnahmen haben allesamt ein trauriges Schicksal erlitten. Von den Maßnahmen zur Steigerung der Überflug­höhe bei Anflug, die im Fluglärm­entlastungs­konzept Raunheim gefordert wurden, hatten es ohnehin nur zwei in das Maßnahme-Paket geschafft: die Erhöhung der Rücken­wind-Komponente und die Erhöhung des Anflug­gleit­winkels. Letztere sollte zunächst allerdings nur für die Nordwest­bahn getestet werden und hat diese Tests inzwischen erfolgreich bestanden; die Übertragung auf Center- und Südbahn wird allerdings von der Einführung eines neuen Navigations­systems (GBAS) abhängig gemacht und damit weit in die Zukunft verschoben. Immerhin meint aber auch die Allianz, dass daran zumindest geforscht werden sollte.

Spurlos verschwunden ist dagegen die Erhöhung der Rücken­wind-Komponente. Während in den Empfeh­lungen zum Monitoring-Bericht zumindest noch erwähnt wird, dass die Umsetzung im Auge behalten werden sollte, taucht sie im Allianz-Katalog nicht mehr auf. Dies erklärt sich aus der unterschied­lichen Funktion beider Papiere: während das Experten­gremium tatsächlich versucht, eine Redu­zierung der Lärmbe­lastung nach seinen Kriterien zu erreichen (d.h. auch eine Lärm­umverteilung in Kauf zu nehmen, wenn dadurch Höchst­belastete entlastet werden und der Lärmindex sinkt), ist die Allianz eine politische Show-­Veran­staltung, die primär dazu dient, den Protest zu befrieden. Und da man einschätzt, dass die Mehrheit der Protestie­renden diese Maßnahme nicht will oder zumindest nicht fordert, fällt sie eben unter den Tisch.
Schlimmer noch: wie eine Unter­suchung der Betriebs­richtungs­verteilung in Abhäng­igkeit von den Wind­verhält­nissen am Flughafen ergeben hat, war 2013 und 2014 der Anteil der Betriebsrichtung 07 höher als der Anteil der Windsituationen, in denen überhaupt eine Ostwind-Komponente vorlag. Mit anderen Worten: es gibt nicht nur keine Erhöhung, eine Anwen­dung der Rücken­wind-Kompo­nente zugunsten der höher belasteten Kommunen im Westen erfolgt garnicht mehr.

DTOP AirportFrankfurt

  Versetzte Landeschwelle beim DTOP-Test.
  Bildquelle: Wikipedia.

Die Versetzung der Lande­schwellen nach Osten bei Betriebs­richtung 07, die niemandem schaden würde, ist von Anfang an daran gescheitert, dass die dafür notwendigen Investi­tionen in die Infra­struktur (die für Kapazitäts­steigerungen durchaus denkbar waren) zur Entlastung der Handvoll Betroffener in Raunheim, Rüssels­heim und weiter westlich natürlich viel zu hoch wären.
Der neue Lärm­aktions­plan für den Flughafen lehnt die Maßnahme auch ab, aber formuliert das (auf S. 144) etwas freund­licher: es "müssten Rollwege und Infra­struktur geändert werden ... . Die Beibe­haltung der 4.000 m Lande­bahnen für schlechte Wetter­bedingungen kombi­niert mit variabel verkürztem Schwellen­ersatz ist nach bisherigem Kenntnis­stand in Frankfurt nicht umsetzbar, da die erforder­liche Kombi­nation und Verlage­rung von Rollwegen flächen­mäßig nicht darstellbar ist." - und diesen Kenntnis­stand irgendwie zu verändern oder zu erweitern, gibt es natürlich keinen Grund.

Interessant ist auch das Schicksal der ursprüng­lichen Maßnahme Nr. 1, die vertikale Opti­mierung der Abflug­verfahren, sprich die Einführung von Steilstarts. Hier erkennt man (zumindest im Nachhinein) die Wirkung geschickter Lobby­arbeit. Während im Experten­gremium anfangs völlig klar war, dass nur steilere Starts zu einer Reduzierung des Lärm führen können, taucht in den Empfeh­lungen des Monitoring-Berichts plötzlich der Hinweis auf, dass alle Start­verfahren, auch Flach­starts, auf den Prüfstand sollten, obwohl keinerlei technische Begründung dafür existiert. Sie ist eben ökono­mischer Natur: Lufthansa möchte die Flach­starts, weil sie glaubt, damit Treibstoff sparen zu können.

Schallschutz a la Lufthansa: lauter und dreckiger fliegen ...

Bereits im Februar 2013 hatte Lufthansa heimlich begonnen, ein neues Start­verfahren zu praktizieren. Der Test dauerte nur eine Woche, dann kam ein Journalist dahinter und damit trat ein Problem auf, das prompt zum Abbruch führte. Aber aufge­schoben ist nicht aufge­hoben - der nächste Versuch startete am 1. Juli. Was Lufthansa genau vorhat, liegt immer noch im Dunkeln. Von sich aus zu informieren, was sie den Menschen zuzu­muten gedenken, haben sie nicht nötig, und auf Fragen antwortet der "gute Nachbar" auch nicht. Das Forum Flughafen und Region beantwortet die Detail-Fragen ebenfalls nicht, stellt aber ein paar allge­meine Aus­sagen zu Start­verfahren bereit.

Gemäß einer Präsen­tation der LH in der Sitzung der Fluglärm­kommission im April soll das bisherige Standard-Verfahren durch ein Verfahren ersetzt werden, das zur ICAO-Klasse NADP2 gehört. Das sagt zunächst einmal nur, dass es sich um ein Verfahren handelt, das ICAO empfiehlt, wenn der Lärm nur in einer weiteren Entfernung vom Start­punkt eine Rolle spielt. Was nah und was weit ist, hängt dabei u.a. vom Flugzeug­typ ab. Da die Flug­manöver an die jeweils erreichte Höhe gebunden sind, endet der Nahbereich für leichte, schnell steigende Maschinen bereits in etwa 5 km Entfer­nung vom Start­punkt, während er bei den schweren Kisten ("Heavies") bis zu 15 km ausge­dehnt sein kann. Da diese auch für Lärm­betrachtungen die relevan­testen sind, ist diese Lufthansa-Entschei­dung also ein Schlag auf die Ohren aller Menschen, die weniger als 15 km vom Flughafen entfernt leben und eine Abflug­linie in der Nähe haben (das Raunheimer Stadt­zentrum ist ca. 6 km vom Startpunkt der Centerbahn entfernt).

Am 28.05. hat Lufthansa per Presse­mittei­lung verlaut­bart, dass das neue Verfahren ab 01.07. für drei Monate "getestet" werden soll. Genaueres erfährt man aber auch hier wieder nicht. In einer Last-Minute-Aktion, wiederum per Presse­information mitgeteilt, wurde der "Test" wieder auf ein Jahr verlängert, aber dafür auf Abflüge von der Startbahn West beschränkt. Zugleich wird aber auch aus der PM und einem gleich­zeitigen Vortrag des Umwelt­hauses in der Flug­lärm-­Kommis­sion deutlich, dass eine echte Messung der Auswirkungen des neuen Verfahrens nicht vorge­sehen ist - das geplante Monitoring ist keins.
Dies bestätigt der Monito­ring-Bericht, den das FFR/UNH in der Sitzung der Flug­lärm­kommis­sion am 09.07.14 vorge­stellt hat. Wenig Daten, viel Statistik - so versuchen die Autoren, doch noch irgendwie die gewünschte Schluss­folgerung zu begründen. Über­zeugend ist es nicht. Auch die FLK mochte auf dieser dünnen Grundlage keinen Freibrief für das neue Verfahren ausstellen. Aber auch hier gilt wieder: die FLK berät, entscheiden tun andere. In einer Presse­infor­mation vom 10.09.14 teilt Lufthansa mit, dass sie "ab heute" das neue Flach­start­verfahren "deutsch­landweit" eingeführt hat.

Flugspuren Abflüge

Was künftig droht, zeigt ein Blick auf die heutige Belastung beim Start­betrieb. Die Grafik rechts zeigt die Abflug­spuren eines halben Tages (12.05.2013, 12 - 24 Uhr) bei Betriebs­richtung 25. Wie man sieht, kann von einer Abflug­route bei der Süd­umfliegung kaum die Rede sein. Der Bereich, der überflogen wird (und damit der Abstand zur Bebauung), variiert sehr stark. Und auch die Flug­höhen unterscheiden sich stark: während einzelne schon früh Höhen über 2.000 m erreicht haben (gelbe Linien), quälen sich andere unter 1.000 m (rote Linien) durchs ganze Bild. Die hinterlegte grössere Grafik zeigt, was das für Aus­wirkungen hat: die markierte rote Linie ist die Flugspur einer Lufthansa 747-400, die in Höhen zwischen 600 und 800 m an Raunheim vorbeidröhnt und dabei den Süden der Stadt mit 81 dB(A) beschallt. Selbst im Nordwesten werden noch 71 dB(A) erreicht. Das sind Werte, die viele anfliegende Flugzeuge nicht erreichen, die direkt über das Stadtgebiet fliegen.

Zu befürchten ist, dass derartige Belastungen zunehmen. Zum einen hat Lufthansa ja immerhin schon zuge­geben, dass künftig in diesem Bereich niedriger geflogen werden soll. Zum anderen muss man davon ausgehen, dass bei dem neuen Verfahren enge Kurven­radien schwie­riger werden, da der Schub weniger in Höhen­gewinn und mehr in Geschwin­digkeit umgesetzt wird, und daher die Annähe­rungen an Raunheim, wie sie hier noch als Einzel­fall zu sehen ist, häufiger vorkommen werden. Wenn dann die DFS auch noch Vorgaben macht, die ein zu frühes Abbiegen nach Süden verhindern sollen, um die Südumfliegung von den Starts auf der 18 West unabhängig zu machen, kann man fast sicher sein, dass sich die Abweichungen Richtung Raunheim verlagern werden.

Dazu kommt, dass mit ziemlicher Sicherheit auch die Schad­stoff-Immis­sionen zunehmen werden. Das ICAO-Umwelt­komitee hat in einem Arbeits­papier festgestellt, dass NADP2-Verfahren im Vergleich zu NADP1-Verfahren (zu denen man das bisher in Frankfurt geflogene Verfahren rechnen kann) zwar 0,6 bis 2,7 % weniger Kohlen­dioxid produzieren (und entsprechend viel Treibstoff einsparen), dafür aber zwischen 5 und 20 % mehr Stickoxide im Nahbereich emittieren. Auch wenn noch umstritten ist, wie hoch der Beitrag des Luft­verkehrs zur Stickoxid-Belastung insgesamt ist: klar ist, dass diese Belastung schon jetzt im Rhein-Main-Gebiet fast ganzjährig zu hoch und damit jede zusätzliche Steigerung unverant­wortlich ist.

Flugspuren Swing-over

Eine andere Art des "lauter fliegen", die besonders Raunheim betrifft, ist die Praxis des sog. "Swing-over", d.h. des Bahnwechsels vor der Landung. In der Regel passiert das, um vom Anflug auf die Südbahn noch schnell auf die (ev. gerade erst frei gegebene) Centerbahn zu wechseln, um nach der Landung schneller am Terminal zu sein. Wie die Flugspuren zeigen, ist das auch kurz vor dem Aufsetzen noch möglich (s. Grafik links, zum Vergrössern anklicken) und, da es in niedriger Höhe über dem Stadtgebiet erfolgt, mit zusätzlichem Lärm verbunden.
Ab 50 km Entfernung im kontinuierlichen Sinkflug anfliegen, um Lärm zu vermeiden, aber auf den letzten Metern einen Zauber wie bei einer Flugshow zu veranstalten - wie passt das zusammen? Verant­wortlich für das Verfahren ist die DFS, die jeden Swing (auf Antrag des Piloten) geneh­migen muss - aber es ist wohl kein Zufall, dass man bei Prüfung des Einzelfalls (fast) immer LH-Piloten als Mitglieder dieses Swinger-Clubs findet.
Zu dem unnötigen Krach, den das Swing-Manöver erzeugt, kommt natürlich noch die Tatsache, dass entgegen früherer Versprech­ungen der Raunheimer Norden durch die dauernde Nutzung der Centerbahn eben doch ständig mit extremem Fluglärm belastet wird - weitaus weniger als früher, aber trotzdem störend, besonders wenn es früh morgens oder spät abends passiert. Da reicht eben schon ein besonders lauter Flieger, um den Schlaf zu beenden oder zu verhindern.

In der Sitzung der Fluglärm-Kommission im November 2013 hat die DFS beantragt, das bis dahin anscheinend nur "informell" geflogene Manöver nun auch offiziell einzu­führen, aller­dings nur für die Betriebs­richtung 25, also bei Anflug aus Osten. Eine dazu vorgelegte Betrach­tung der Lärm­wirkungen durch das Umwelthaus zeigt, dass dadurch Neu-Isenburg und Zeppelin­heim rechnerisch entlastet werden, während der Lärm in Sachsen­hausen und Nieder­rad nur unwesentlich zunehmen soll. Für die Betriebs­richtung 07 kommt die Betrachtung zu dem Ergebnis, dass Raunheim dadurch unakzep­tabel belastet wird, ohne dass irgendwo Entlas­tungen auftreten. Die BI hatte deshalb die DFS in einer Presseerklärung aufge­fordert, dieses Ver­fahren sofort einzu­stellen. Aktuell scheint es über Raunheim auch nur noch selten ange­wendet zu werden.

... und noch lauter heucheln ...

So verschlossen sich Lufthansa bei der Umsetzung profitträchtiger, aber potentiell belastender Maßnahmen gibt, so laut schreien sie und ihre Allianz-Partner bei anderen Maßnahmen, bei denen keine negativen Auswirkungen zu befürchten sind, auch wenn dabei die Grenze zur Peinlichkeit mehrfach überschritten wird. Hauptsache, das Thema bleibt in den Medien und ausserhalb der betroffenen Region wird der Eindruck erweckt: "Die tun was".
Allein im September/Oktober 2013 wurden drei "Maßnahmen des aktiven Schall­schutzes" in den Medien bejubelt, die sich bei genauerem Hinsehen eher als peinlicher Beleg dafür entpuppen, wie wenig Schall­schutz in der Vergangenheit eine Rolle spielte und wie unzureichend seine Förderung auch heute noch ist. Zweimal war daran die Lufthansa beteiligt.

DLH Beschaffung

Fast zeitgleich wurden auch andere Zahlen präsentiert, aber das schadet der Glaubwürdigkeit auch nicht mehr ...
Quelle: Dokumentation ICANA 2013, Teil 2, S. 39

Am 19.9.13 verkündete LH "die größte, private Einzel-Investi­tionen in der deutschen Industrie­geschichte", die Bestellung von "34 Boeing 777-9X und 25 Airbus A350-900" für "die Lang­strecken­flotten der Lufthansa Group". "Der Lärm­teppich der neuen Modelle wird mindestens 30 Prozent kleiner sein, als bei heutigen Flugzeugen", heißt es voll­mundig, und der Noch-Vorstands­vorsitzende Franz setzt noch einen drauf: „Jeder einzelne A350 und jede einzelne Boeing 777 entfaltet in Deutschland die Beschäftigungs­wirkung eines mittel­ständischen Unter­nehmens“.
Klingt phantastisch, solange man nicht bedenkt, dass es sich hier um längst über­fällige Ersatz­beschaf­fungen handelt, die, beginnend 2016, über zehn Jahre verteilt werden. Lufthansa rangiert im aktuellen Effizienz­rating von Atmosfair auf Platz 72 von 125 getesteten Airlines, eine Moderni­sierung der Flotte ist schon aus ökono­mischen Gründen dringend nötig. Dass neuere Flugzeuge leiser sind, ergibt sich zwangs­läufig aus der Tatsache, dass vor 40 Jahren (damals wurden die jetzt zu ersetzenden Typen entworfen) der Schall­schutz überhaupt keine Rolle gespielt hat. Der beliebte 30%-Vergleich ist eine weitere Irre­führung, denn er bezieht sich nur auf die Größe der Fläche, innerhalb derer extrem lauter Start­lärm auftritt, und besagt keines­falls, dass es an irgend­einem gegebenen Ort "30% leiser" würde.

Flottenausbau

... denn je nach gewünschter Wirkung kann man die Sachverhalte auch anders darstellen.
Quelle: LH Politikbrief 04/2014, S. 3

Und die Beschäf­tigungs­wirkungen? "Die neuen Flug­zeuge dienen primär dem Ersatz bestehen­der Flug­zeuge bei Lufthansa" heißt es lapidar an anderer Stelle, mit anderen Worten: Aufrecht­erhaltung des laufenden Betriebs bei (besten­falls!) gleich­bleibender Zahl der Arbeits­plätze. Bei soviel Über­treibung fällt es dann auch kaum noch ins Gewicht, dass Bestel­lungen noch lange kein Kauf sind (Stornie­rungen sind in diesem Geschäft häufig) und die ange­gebenen "Listen­preise" von nieman­dem, der sich ein solches Flug­zeug leisten kann, bezahlt werden.
Und tatsächlich: Groß­sprecher Franz war kaum sechs Wochen von Bord, da mussten seine Nachfolger im Juni 2014 eine Gewinn­warnung veröffent­lichen und u.a. ankündigen, es würden "sämt­liche Flugzeug­bestel­lungen unter die Lupe genommen, ob sie verschoben oder gar abgesagt werden müssten".

Zur richtigen Einordnung dieses Beschaffungs­programms ist es auch hilfreich zu wissen, dass die in Dubai ansässige Emirates allein auf der dies­jährigen dortigen Airshow neue Flugzeuge in einem Wert geordert hat, der etwa dem Drei­fachen des Gesamt-Investitions­programms der Lufthansa entspricht - und dabei auch schon die ersten A380 wieder austauscht, weil sie nicht effizient genug sind.
Das ist aber natür­lich keine begrüssens­werte umwelt­politische Gross­tat, sondern ein verdammungs­würdiger Ver­drängungs­wett­bewerb eines staat­lich subven­tionier­ten Prestige­projekts zulasten der bedauerns­werten privat­wirtschaft­lichen Kon­kurrenz (s. Grafik links).

DLR-Bericht

... aber mit Ausdauer.

Den nächsten Knüller lieferte LH mit einer Presse­mitteilung am 29.10.13: Die A320-Flotte erhält "soge­nannte Wirbel­genera­toren", die "den Gesamt­schallpegel des Flugzeugs im Anflug um bis zu zwei Dezibel reduzieren" sollen. 157 Flugzeuge werden "ab Januar 2014" damit ausge­stattet.

Foto Wirbelgenerator

Auch hier hat die hoch­trabende Ankündi­gung einen pein­lichen Hinter­grund: es handelt sich um die Beseiti­gung eines simplen Kon­struk­tions­fehlers, der seit mehr als zehn Jahren bekannt ist (DLR-Jahres­bericht 2001/02, S. 44, s. Grafik rechts).
Lufthansa selbst hatte diese Maßnahme schon in der Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 angedeutet und im Februar 2012 in der Maß­nahme­liste der Allianz für Lärm­schutz konkret benannt.

Statt sich nun aber für die jahrelange unnötige Lärm­belastung zu entschul­digen, feiert sich Lufthansa für eine Selbst­verständ­lich­keit, die zudem noch teil­weise von Anderen bezahlt wird. Durch die Umrüs­tung fallen die Flug­zeuge nämlich ab 2015 in eine günsti­gere Kate­gorie der Lärm­entgelte auf FRA, so dass LH einen grossen Teil der Kosten gleich wieder einspart.

Die Peinlich­keiten waren damit aber nicht zu Ende. Im Juni 2014 antwortet Luft­hansa auf eine entspre­chende Anfrage, dass schon vier(!) neue A320 mit den Genera­toren ausgerüstet sind und weitere sechs noch im selben Jahr dazu­kommen sollen. Die Umrüs­tung der Bestands­flotte sollte nun "voraus­sichtlich" im 3. Quartal 2014 beginnen. Am 3. November 2014 teilte Luft­hansa mit, dass nun schon zehn Flug­zeuge (neun neue und ein umgerüs­tetes) mit den "Genera­toren" ausge­rüstet sind, 257 weitere (100 neue und 157 umzurüs­tende) sollen folgen. "Nach derzei­tigen Planungen wird die gesamte Maßnahme in etwa einem Jahr abge­schlossen sein." Ange­sichts des tatsäch­lichen tech­nischen Aufwands, der dahinter­steckt (s. Grafik links), kann man wirklich nur staunen über soviel Dreistig­keit.
Am 25.06.2015 konnte Lufthansa immerhin melden, dass die Umrüstung der ersten hundert Maschinen geschafft ist. Zwei Drittel des Projekts in acht Monaten geschafft - also voll im Plan.

(Nach Angaben von Minister Al-Wazir in einer Landtags­debatte wird das Teil im hessischen Polit-Jargon übrigens "Bodden­berg-Gene­rator" genannt - wahr­schein­lich deshalb, weil dieser CDU-Abgeordnete im Landtag üblicher­weise genau das produ­ziert: wohl­geformtes Blech.)

Auch über die Wirkung gibt es neue Aussagen: "bis zu 4 Dezibel" soll es nach den beiden grade zitierten Quellen in 15-20 bzw. 10-17 km Entfernung vom Flughafen leiser werden. Uns nützt das leider nicht, denn "für Raunheim ergibt sich keine Verän­derung des Lärmpegels da die Flugzeuge sich hier unmittel­bar vor der Landung in einer anderen Konfigu­ration befinden". Das heißt: der Anflug wird leiser, nicht aber die Landung. Also auch hier wieder: nichts drin für Raunheim.

Auch anderswo nur heisse Luft

An der dritten Posse dieser Art war Lufthansa nicht direkt beteiligt. Rund um den 4.10.13 rauschten Meldungen von einem revolutio­nären Test durch den lokalen Blätterwald: eine Maschine der Condor flog achtmal hinter­einander aus Westen kommend die Nordwest­bahn an, davon sechsmal in einem Winkel von 4,5°, also deutlich steiler als üblich. Die zahlreich an Bord vorhan­denen Reporter konnten aus erster Hand bestätigen, dass die Anflüge problemlos verliefen, und die frohe Botschaft verkünden, dass es, wenn das Verfahren "serienreif" sei, (schon wieder) deutlich leiser werden könne, zumindest in Mainz und Wiesbaden.

DLR-Folie Höhendifferenzen in Abhängigkeit von der Entfernung vom Aufsetzpunkt
für den "steilen Anflug".

Grundsätz­lich können steilere Anflüge natürlich zur Lärm­minderung beitragen, zumindest in größerem Abstand vom Aufsetz­punkt, da dann länger in größeren Höhen geflogen wird und weniger Lärm unten ankommt. Der Teufel steckt aber im Detail: bei größeren Flug­höhen verteilt sich der Lärm auch über eine größere Fläche, und durch die notwen­digen Manöver kann es an einigen Stellen sogar lauter werden. Um also heraus­zufinden, was tatsächlich passiert, muss man die Lärmver­teilung messen - und das ist der traurige Hinter­grund der Frankfurter Show.

Denn eigentlich soll das Verfahren in einem länger­fristigen Forschungs­projekt der DLR erforscht werden. Die Aktivi­täten dazu sind aber seltsam bruch­stück­haft, und Zusammen­hänge er­schlies­sen sich nur mühsam. So kann man bei gründ­lichem Lesen heraus­finden, dass die DLR zusammen mit Air Berlin 2011 erste Tests in Braun­schweig durch­geführt hat und mit TUIfly am Flughafen Hannover einen längeren Test­betrieb plant, aber dort gibt es bisher offenbar keine geeigneten Mess­stellen. Statt nun dort ein geeignetes Messfeld zu instal­lieren, wie es in der Vergangen­heit für solche Unter­suchungen genutzt wurde, und damit im Dauer­betrieb realis­tische Mess­werte zu sammeln, verfiel man auf die Idee, doch lieber ein paar wenige Flüge in Frankfurt zu veran­stalten, wo ja ohnehin wenigstens ein paar Mess­stellen in der Nähe herum­stehen - ist ja deutlich billiger, und das Forum Flughafen und Region, das diese Testflüge beauftragt (s. News vom 4.10.) und wahrschein­lich aus Steuer­geldern bezahlt hat, brauchte noch ein Highlight für seine Konferenz ICANA. Die DLR hat dort Ergeb­nisse vorge­stellt, aller­dings in so allge­meiner Form, dass deren Wert kaum zu beur­teilen ist. Eine erste Auswer­tung auf der Basis von DFLD-Daten zeigt, dass wohl auch keine schlüssigen Resultate zu erwarten sind.

Man darf gespannt sein, ob jemand Geld in die Hand nimmt, um die Lärm­wirkungen dieses Verfahrens wirklich zu messen - oder ob auch hier, wie beim Start­verfahren der Lufthansa, aus untaug­lichen Mess­ergebnissen die gewünschten Schluss­folgerungen gezogen werden. Es gibt allerdings zwei wesent­liche Unter­schiede: erstens läßt sich mit dem steileren Anflug kein Geld sparen, und zweitens wird er so bald auch nicht kommen. Wie der DLR-Projekt­leiter lapidar bemerkt, wider­spricht das Verfahren geltenden ICAO-Regeln, und "(e)ine Änderung dieser inter­nationalen Vor­gaben ist aufwendig und sehr zeit­intensiv. Daher kann der 'Steeper Segmented Approach' auch bei erfolg­reichem Testverlauf auf absehbare Zeit nicht im Regel­betrieb angewendet werden."
Deswegen, und wegen der seltsam segmen­tierten öffent­lichen Darstellung, in der die jeweiligen "Partner" immer nur ihren eigenen Beitrag ("weltweit einmalig" etc.) in den Vorder­grund rücken, darf man vermuten, dass auch hier die positive Botschaft ("es wird leiser !!") schon das Ziel der Übung ist. Für Raunheim ist aber auch das egal: wie man aus der Grafik ablesen kann, gibt es in dieser Entfer­nung keinen Höhen­unter­schied zwischen beiden Verfahren.


Eine schwarz-grüne Schall-Mauer ?

Im Koalitions­vertrag der schwarz-grünen Landes­regierung, die Anfang 2014 ihr Amt antrat, ist ein weiteres Instrument des aktiven Schall­schutz hervor­gehoben: die Lärm­ober­grenze. Vollmundig heißt es dazu:

"Entsprechend der Empfeh­lungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärm­ober­grenze für den Flughafen Frankfurt einzu­führen. Ziel ist es, eine deutliche Lärm­reduzierung gegenüber den im Plan­fest­stellung­beschluss prog­nosti­zierten Werten zu erreichen."
Wie diese Grenze aussehen soll, wird nicht erläutert, als Instrumente werden wieder einmal die 19 Maßnahmen der "Allianz für Lärmschutz" herunter gebetet. Immerhin ist das Ziel ein bißchen ehrlicher: nicht mehr "Es wird leiser", sondern "Es wird nicht ganz so laut wie geplant".
Andere haben bei dem Thema schon vorge­arbeitet. So schrieb die Flug­lärm­kommission in ihren Forderungs­katalog zu den Wahlen 2013:

"Das Modell der Lärmober­grenze mit dynami­siertem Faktor sieht vor, dass für die relevant mit Fluglärm belasteten Wohn­gebiete Immissions-Grenz­werte fest­gelegt werden." Dazu ist "ein hin­reichend bemes­sener dynamischer Faktor zu ermitteln und durch die Genehmigungs­behörde festzu­setzen, der ein kontinuier­liches Absenken der Grenzwerte ermöglicht."
Das klingt zunächst recht positiv, wirft aber einige grund­sätzliche Fragen auf, wie wir bereits vor einiger Zeit in einem Kommentar erläutert haben. Die Zeiten, in denen wünschen geholfen hat, sind aber ohnehin schon länger vorbei. Was wirklich passieren soll, legen andere fest. So teilte der "Koordi­nierungs­rat des Forum Flughafen und Region" im November 2013 mit, dass er die Entwicklung eines Konzepts einer Lärm­obergrenze beschlossen hat, das auf den Vorschlägen von DLR-Chef Wörner beruhen soll. In der Presse­mitteilung dazu heißt es:
"Eine zentrale Überlegung hierbei ist, die Entwicklung des Fluglärms von der Anzahl der Flug­bewegungen zu entkoppeln".
Schon die Sprache ist hier verräterisch. Die simple physika­lische Tatsache, dass jede Flug­bewegung Lärm erzeugt, soll irgendwie wegge­rechnet werden, damit diese "Wörner-Grenze" nur ja kein Hindernis für das weitere Wachstum des Flughafens werden kann. Näheres dazu findet man in der Dokumen­tation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten der FFR-Konferenz ICANA (die Folien von Herrn Wörner alleine sind schwer verständ­lich, man sollte zusätz­lich den Video-Mitschnitt des Vortrags von Minute 6 bis 12 anhören). Über das oben Zitierte hinaus enthalten sie noch interes­sante Details. So ist nach Herrn Wörner der "einzig logische" Wert für die Obergrenze des Fluglärm­index der, der laut Plan­feststellungs­beschluss 2020 zu erwarten wäre. (Der gleiche Herr Wörner hat im "Anti-Lärm-Pakt" des "Regionalen Dialog­forums" noch lauthals eine 10%ige Absenkung dieses Wertes versprochen, aber wen kümmert das dumme Geschwätz von gestern?) Auch geht er ganz selbstver­ständlich davon aus, dass die Zahl der Flug­bewegungen (nach 2020) auch noch weit über 700.000 hinaus wachsen kann; eine Tatsache, die die Ausbau-Lobby sonst gerne herunter spielt. Warum der Index dann trotzdem weiter sinkt, wird nicht wirklich klar, weil er keiner­lei realis­tische Ansätze für schnelle und durch­schlagende Erfolge bei der Lärm­minderung "an der Quelle" benennen kann - aber das soll vermutlich auch niemand so genau wissen.

In einer Sonder­sitzung am 03.09.2014 musste die Flug­lärm­kommission ein Gutachten zur Kenntnis nehmen, das Aussagen darüber macht, ob und ggf. wie eine Lärm­ober­grenze am Flughafen Frankfurt rechts­sicher einge­führt werden kann. Zwar hebt die FLK in ihrer Presse­mittei­lung positiv hervor, dass die Einführung einer solchen Grenze rechtlich möglich ist, aber die eigentliche Absicht, den Fluglärm damit deutlich zu limitieren, kann kaum erreicht werden. Herr Wörner hat dort auch nochmal einen leicht veränderten Vortrag gehalten und im Nachgang noch ein Papier geliefert, das als Konzept dienen soll für eine "realis­tische" Lärm­ober­grenze, wie oben beschrieben.
Am 15.04.2015 hat der Wirt­schafts- und Verkehrs-Ausschuss des Hessi­schen Land­tags mit schwarz-grüner Mehrheit einen Antrag beschlossen, der die Landes­regierung auffor­dert, "bis spätestens Sommer 2016 einen Vorschlag zur Umsetzung vorzulegen". Da am 13. Juni 2016 die neue EU-Verord­nung über Betriebs­beschrän­kungen an Flug­häfen in Kraft tritt, die es deutlich schwerer macht, aus Lärm­schutz­gründen echte Beschrän­kungen einzu­führen, wird schon aus dem Timing klar, dass keines­falls geplant ist, mit der Lärmober­grenze die Zahl der Flugbewe­gungen zu begrenzen.
Um dieser Diskus­sion eine andere Richtung zu geben, hat der Sprecher­kreis des BBI nach ausführ­licher Diskussion in der Delegierten­versammlung im Juli 2015 ein Positions­papier zur Diskussion gestellt, das Forde­rungen formuliert, die tatsächlich zu einer Verbes­serung der Situation führen könnten. Statt eine "Obergrenze" einzuführen, die noch wesent­lich mehr Lärm zuläßt als heute, sollen Lärm­minderungs­ziele formuliert werden, die den heute schon unhaltbaren Zustand Schritt für Schritt, aber verbindlich für alle, verbessern.


Das Beste zum Schluss - die "Lärmpausen"

Lärmpausen waren seit Amts­antritt der schwarz-grünen Landes­regierung deren Lieblings­thema im Komplex Flughafen­ausbau. Schon im Koalitions­vertrag hatten sie dazu energisch formuliert:

"Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koalitions­partner halten dies durch den abwechseln­den Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemeinsam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich realisieren."
"Für den Fall, dass dieses Ziel (sieben­stündige Nutzungs­pausen) nicht in ange­messener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initiativen für eine entsprechende Plan­änderung bzw. modifi­zierte Betriebs­genehmigung vor."
Der Hinweis auf mögliche Änderungen von Plan­feststellungs­beschluss und Betriebs­genehmi­gung wurde ganz schnell wieder beerdigt, und "so schnell wie möglich" wurde konkre­tisiert als "ein gutes Jahr" bzw. "15 Monate". Ziel ist derzeit die Ein­führung zum Sommer­flug­plan 2015. Inzwischen wird immer mal wieder gewarnt, die Pausen würden "nicht immer und überall" (Minister­präsident Bouffier) und "nicht dauerhaft und planbar" (Fraport-Chef Schulte) sein, aber kommen sollen sie trotzdem irgendwie.

Am 12.09.14 hat Minister Al-Wazir der Öffent­lich­keit fünf Modelle vorge­stellt, aus denen Flug­lärm­kommission und Forum Flug­hafen und Region eines für einen einjäh­rigen Test­betrieb aussuchen sollen. In einer Sonder­sitzung haben beide Gremien die Vorschläge zur Kenntnis genommen und eine sorg­fältige Prüfung zugesagt, aber auch Skepsis gezeigt, denn schon die erste grobe Berech­nung der Verände­rung der Lärmbe­lastung durch das Umwelt- und Nachbar­schafts­haus, die ebenfalls in der Sitzung vorge­stellt wurde, zeigte, dass drei der fünf Modelle zu einer, zum Teil sehr deut­lichen, Mehrbe­lastung der Region führen, und auch die beiden insgesamt positiven Modelle an einzelnen Orten den Lärm unzu­mutbar verstärken.

Das einzige "Lärmpausen-Modell", das Sinn macht ...

Ausführ­liche Berech­nungen des Forums Flughafen und Region, die der Flug­lärm­kommis­sion zur Ent­schei­dungs­findung im Januar 2015 vorgelegt wurden, bestä­tigen das. Obwohl dort als Defini­tion "rechne­rischer Lärm­pausen" keines­wegs Ruhe vor Fluglärm, sondern nur (relativ) wenige (relativ) leise Über­flüge benutzt werden (genauer: "Wenn 6 x 58 dB (A) Maximal­pegel außen in den Zeit­räumen 22-5 Uhr oder 23-6 Uhr nicht erreicht werden, wird rechne­risch eine Lärm­pause unter­stellt."), kann keins der Modelle eine insgesamt positive Bilanz aufweisen, ohne punktuell zu erheb­lichen Zusatz­belastungen, insbe­sondere für ohne­hin schon Hoch­betrof­fene, zu führen. Nach den Krite­rien der Flug­lärm­kommis­sion für die Prüfung von Lärm­pausen, die die allge­meinen Krite­rien für Schall­schutz­maß­nahmen für diesen Fall konkre­tisieren, ist das Regie­rungs-Konzept der "sieben­stün­digen Lärm­pausen" damit gestorben.
Das Bündnis der Bürger­initia­tiven hat daher die Flug­lärm­kommission per Flug­blatt aufge­fordert, "Modell 7" (die sieben­stündigen "Lärm­pausen") konse­quent abzu­lehnen und sich für "Modell 8" (acht­stündiges Nacht­flug­verbot) auszu­sprechen.

Die FLK ist dieser Empfehlung leider nicht gefolgt, sondern hat in einer Stellung­nahme einen Probe­betrieb von Modell 4, beschränkt auf Betriebs­richtung 25 (West­betrieb) für vertret­bar erklärt. Die Landes­regierung wird also diese Variante ein Jahr testen lassen, um ihr Lieblings­thema am Leben zu erhalten, ohne die ange­kündig­ten Konse­quenzen (Ände­rung Plan­fest­stellungs­beschluss oder Betriebs­genehmigung) ernst­haft in Erwägung ziehen zu müssen. Die Folgen werden für Raunheim negativ sein.

      ... was die FLK für möglich hält ...

FLK-Modell Lärmpause

In der Abend­stunde ändert sich im Westen zwar nichts, da werden ledig­lich alle Anflüge aus Osten auf die Südbahn gepackt, worunter Neu-Isen­burg und Teile Offen­bachs zu leiden haben. Morgens sieht Modell 4 aller­dings vor, alle Abflüge von der Südbahn zu starten, so dass es im Raun­heimer Süden (und ggf. unter der Nord­abflug­route) lauter wird. Würde das im Wechsel mit Modell 5 gesche­hen, wäre da wenig­stens auch jeden zweiten Tag Ruhe, da dann alle Abflüge über die Start­bahn West raus­gehen würden, aber dieser Vorschlag ist leider unter den Tisch gefal­len.

Es gibt aber auch noch eine Gefahr, die aus dem Modell nicht deutlich wird. Sollte wegen der Lärm­pausen-Rege­lung der West­betrieb morgens und/oder abends zu instabil oder aufwändig werden, könnte die DFS auf die Idee kommen, die Willkür, die in der Betriebs­richtungs­wahl steckt, öfter mal zu nutzen, dem Chaos zu entkommen und ganz ohne Lärm­pause Betriebs­richtung 07 zu fliegen - worst case für Raunheim.

      ... und was nun getestet wird.

Test-Modell Lärmpause

Am 04.02.15 wurde im Wirtschafts­ministerium das Bündnis für Lärm­pausen aus der Taufe gehoben. Fest­gelegt wurde der geringst-mög­liche Anspruch: Lärm­pausen sind unverbind­lich und frei­willig, sie schaffen keiner­lei recht­liche Ansprüche über den Plan­feststellungs­beschluss hinaus und werden nur angewendet, wenn Aspekte der Sicher­heit, der "Infra­struktur" (sprich: Kapa­zität) und des Wetters dem "nicht im Weg stehen". Entspre­chend hoch sind die Erwar­tungen: der Test gilt nur dann als nicht bestanden, wenn das Modell "an weniger als 50% der Tage zur Anwendung gekommen ist". Am 23. April hat der Test begonnen und soll ein Jahr dauern.

Diese Ergebnisse bestätigen unsere kritische Haltung zu "Lärm­pausen" bzw. dem dahinter stehenden Konzept der "vari­ierenden Bahn­nutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") und der politischen Diskussion dazu, die wir in jeweils eigenen Beiträgen kommentiert haben. Gerade die Erfah­rungen aus dem DROps-Modell "Early Morning" lassen befürchten, dass die "Lärm­pausen" nicht nur keinen Nutzen bringen werden, sondern sogar Schaden anrichten - besonders für die, die nahe am Flug­hafen dran sind.

Raunheimer Banner

Raunheim hat also allen Grund, diese "Lärmpausen" abzulehnen und bei der Forderung zu bleiben:

Nachtflug­verbot von 22 bis 6 Uhr - vollständig und für alle.



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Gequältes Haus

Passiver Schallschutz


Wichtige Links:

Details zur Antragstellung für alle
Fördermaßnahmen gibt es auf der Seite des RP Darmstadt zu
Baulicher Schallschutz - Regionalfonds

Das zuständige Ministerium
(HMWEVL) hat eine Seite zur
Verordnung über den Lärmschutzbereich

Auch Fraport erläutert seine Sicht der Dinge unter
Das passive Schallschutzprogramm.

Kartenausschnitte Raunheim: Tagschutzbereich, Nachtschutzbereich
und Anspruchsbereich nach dem Regionalfondsgesetz


Fristen:

Für alle Ansprüche (von Privat-Personen) gilt:
Ablauf 5 Jahre nach Entstehen des Anspruchs, d.h.

für Ansprüche nach FluLärmG
12. Oktober 2016
für Grundstücke in der "inneren Nachtschutzzone"
12. Oktober 2021
für alle Anderen

für Ansprüche nach RegFondsG
31. Dezember 2017 für Alle

für Ansprüche auf Aussen­wohn­bereichs-Entschädigung
12. Oktober 2021 für Alle


Ansprechpartner:

bei der Stadt Raunheim
Herr Norbert Schütz,
Fachdienst Soziales,
Rathaus, Am Stadtzentrum 1
Zimmer 137, 1. Etage
Tel. 06142 / 402-251,
Mail n.schuetz@raunheim.de

beim RP Darmstadt
Frau Nieratzky (06151/123108)
peggy.nieratzky@rpda.hessen.de
Herr Ullmer (06151/123163)
rene.ullmer@rpda.hessen.de

Schallschutz-Ansprüche nach dem Fluglärmschutzgesetz

Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) regelt die Ansprüche, die Anwohner von Flughäfen in Deutsch­land an den "Schutz ... vor Gefahren, erheb­lichen Nach­teilen und erheb­lichen Belästi­gungen durch Fluglärm" stellen können. Es schützt damit auch den Fluglärm vor weiter­gehenden Ansprüchen, die sich aus medizi­nischen Not­wendig­keiten o.ä. ergeben könnten.

Es ist ein typisch sozial­demokra­tisches Gesetz, von SPD-Verkehrs­ministern in einer SPD/Grüne-Regierung vorbe­reitet und unter einer CDU/SPD-Regierung verab­schiedet. Gegen­über dem Vorgänger­gesetz wurden die Grenz­werte verschärft, dafür aber die Berech­nungs­verfahren so verändert, dass sich faktisch kaum Verbes­serungen ergaben - es sieht eben nur besser aus.

Primär zielt das Gesetz darauf ab, störende Nutzungen von Flughäfen fern zu halten. Dazu definiert es "Lärmschutz­bereiche", in denen Siedlungs- und Nutzungs­beschränkungen gelten. Die genaue Fest­legung dieser Bereiche wird in der ersten Verord­nung zu diesem Gesetz geregelt, der 1. FlugLSV. Soweit in diesen Zonen noch Bebauung zulässig oder schon vorhanden ist, muss sie bestimmten Schall­schutz-Anforde­rungen genügen. Das wird in der 2. FlugLSV, der sog. Flug­platz-Schall­schutz­maßnahmen­verordnung, festgelegt.

Ventilator

Deren Bestim­mungen führen heute zu dem Ärger vieler Antrag­steller­Innen, denen Maßnahmen verweigert werden. Sie bieten nur ein Minimum an Lärmschutz, und obendrein sind die Maßnahmen, die der Verur­sacher - in unserem Fall also Fraport - zu finan­zieren hat, gedeckelt auf eine Summe von 150 Euro je Quadrat­meter Wohnfläche. Für die meisten Bestands­bauten reicht das natürlich nicht einmal aus, um die in der Verordnung angege­benen, ungenü­genden Schall­dämmwerte zu erreichen, aber das ist für den Gesetz­geber das Pech derje­nigen, die da drin wohnen.
In der Praxis führt das dazu, dass für Altbauten nach diesem Gesetz gerade einmal Schall­schutz­fenster und die berühmt-berüch­tigten Lüfter für die Schlaf­räume gefördert werden. Bewohner neuerer Bauten bekommen in der Regel garnichts, weil die vorge­gebenen Dämmwerte schon beim Bau erreicht werden mussten.

Auch auf die Einhaltung der Fristen ist zu achten. § 9 Fluglärm­gesetz sagt im aller­letzten Satz (§ 9 (7) Satz 2): "Der Anspruch ... kann nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden." Bisher hat es praktisch keine Rolle gespielt, aber der Zeitpunkt der Entstehung des genannten Anspruchs ist tatsäch­lich nicht für alle Raun­heimer Haus­besitzer gleich. Denn zwar liegt ganz Raunheim in der sog. "Nacht­schutzzone", aber die ist in sich nochmal in zwei Bereiche geteilt: einen inneren Bereich, in dem der (berech­nete) Lärmwert zwischen 55 und 60 db(A) liegt, und einen äusseren Bereich von 50 bis 55 dB(A) (orange­farbener bzw. brauner Bereich der Karte). (Für die "Tag­schutz­zone" gibt es eben­falls zwei Bereiche, aber da liegt ganz Raunheim im "äusseren Bereich" (!))
Bei Novellie­rung des FluLärmG wurde eine allge­mein als Lex Fraport kriti­sierte Fristen-Regelung einge­führt, die den "weniger belasteten" Anwohnern des äusseren Bereichs erst nach sechs Jahren Schutz­ansprüche einräumen sollte. Das hat sich bei den Erstat­tungen für Schall­schutz­maß­nahmen nicht ausgewirkt, weil Fraport sich nach massiven Protesten nach der Eröf­fnung der Nordwest­bahn mit der Einführung des Regional­fonds 2012 "freiwillig" ver­pflichten musste, die Erstat­tungen für alle umgehend auszu­zahlen.
Für die Ablauf-Fristen bleibt aber der gesetz­lich festge­legte Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs relevant, und das ist für die Bewohner der orange-far­benen inneren Nacht­schutz­zone der 12. Oktober 2016, denn am 13. Oktober 2011 trat die Verord­nung über die Fest­setzung des Lärm­schutz­bereichs für den Verkehrs­flughafen Frank­furt Main in Kraft, die diese Zone definiert hat. Für alle Anderen läuft die Frist erst fünf Jahre später ab. Will man aller­dings zusätz­lich Mittel aus dem Regional­fonds in Anspruch nehmen, muss man beachten, dass deren Frist früher abläuft (siehe unten).


Schallschutz-Maßnahmen nach dem Regionalfonds-Gesetz

Um die Empörung über den unzurei­chenden Lärmschutz rund um den Frank­furter Flughafen etwas zu dämpfen, hat die hessische Landes­regierung 2012 das sog. Regional­fonds-Gesetz auf den Weg gebracht. In diesem Regional­fonds stehen zusätz­lich ca. 120 Mill. Euro für Lärm­schutz­maßnahmen und "nach­haltige Regional­entwicklung" zur Verfügung, davon 100 Mill. aus Steuer­geldern. Zusätzlich werden noch 150 Mill. Euro für zins­günstige Kredite bereit­gestellt. Über Umfang und Vertei­lung der Mittel wurde im "Forum Flughafen und Region" längere Zeit gefeilscht, das Ergebnis wird dort unter Kriterien­katalog Regional­fonds beschrieben.
Im Ergebnis werden in einem eigens definierten "Anspruchs­gebiet" ca. 17.300 Haus­halte mit max. 4.350 Euro pro Wohn­einheit gefördert. Die Kriterien, was gefördert werden kann, sind flexibler, aller­dings besteht auch kein Rechts­anspruch auf diese Förderung. Gegen die Entscheidung des Regierungs­präsidiums gibt es im Falle der Ableh­nung nur die Möglich­keit eines Ein­spruchs bei einer sog. "Härte­fall-Kommis­sion" - und wenn das Geld verbraucht ist, gibt es ebenfalls keinen Anspruch mehr. Es lohnt sich also, den Antrag bald zu stellen.
Um die Mittel in Anspruch nehmen zu können, muss man vorher die Ansprüche nach FluLärmG geltend gemacht haben. Endgül­tiges Ende der Antrags­frist ist fünf Jahre nach Inkraft­treten der Förder­richt­linie, also am 31.12.2017.


Entschädigung nach der Fluglärm-Außen­wohnbereichs­entschädigungs-Verordnung

Am 20.08.13 hat die Bundes­regierung die Dritte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm mit dem schönen Namen "Fluglärm-Außen­wohnbereichs­entschädi­gungs-Verordnung - 3. FlugLSV" beschlossen.
Danach können Besitzer von sog. "Aussen­wohn­bereichen", d.h. Balkonen, Terassen etc., in der Tagschutz­zone 1 eine Einmal­zahlung erhalten dafür, dass sie dauerhaft den Fluglärm ertragen müssen. Die Pauschalen, die der Flughafen­betreiber zahlen soll, sind in §5 festgelegt, dazu gibt es noch Ausnahme­regelungen. So können Besitzer hochwer­tiger Häuser oder Wohnungen statt der Pauschalen einen prozen­tualen Anteil am Verkehrs­wert geltend machen, und der Betrag kann durchaus höher sein - frei nach dem christ­lich-libera­len Motto: Wer viel hat, dem wird auch mehr gegeben.
Wer den Verkehrs­wert einer Raunheimer Immobilie offiziell bestimmen lassen möchte, muss sich an den "Gutachter­ausschuss für Immobilien­werte für den Bereich des Land­kreises Groß-Gerau" beim "Amt für Boden­management" in Heppen­heim wenden (Kontakt und Preis­liste). Der gleiche Ausschuss kann den Verkehrs­wert auch schätzen mithilfe einer Software, die mit aktuellen Vergleichs­werten gefüttert wurde. Diese Schätz­werte können vom "wahren" Wert in beiden Richtungen abweichen, werden aber eben­falls anerkannt und haben den Vorteil, kostenlos erstellt zu werden. Die Kosten für ein voll­ständiges Gut­achten müssen von Fraport nur über­nommen werden, wenn sich daraus tatsäch­lich ein höherer Ent­schädigungs­wert ergibt als der Betrag der entspre­chenden Pauschale. Dieses Verfahren ist im Gesetz nicht vorgesehen, wurde erst im letzten Jahr einge­führt und in einem Vortrag in einer Sitzung der Flug­lärm­kommis­sion erläutert.
Hier kann man sich aber Zeit lassen - der Rechts­anspruch entsteht erst ab Oktober 2016 und erlischt erst fünf Jahre später. Stellen kann man den Antrag jetzt trotzdem schon.

Symbol Neu

Im Dezember 2015 hat das RP Darmstadt eine neue Info-Broschüre veröffentlicht, die auf 20 Seiten noch einmal aktuell alle wesentlichen Punkte, die auch oben beschrieben wurden, zusammenfasst.


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Flugzeugabgase

Schadstoffe


Wie alle Massenverkehrsträger emittiert auch der Frankfurter Flughafen grosse Mengen Schadstoffe in Luft, Wasser und Boden. Im Rahmen der Ausbauplanung wurden diese Emissionen, ihre voraus­sichtliche Entwicklung, die daraus resultie­renden Immissionen und ihre Wirkungen in mehreren Gutachten abgeschätzt. (Der DFLD stellt alle PFV-Unterlagen zur Verfügung. Ordner 60 enthält alles Wesentliche zum Thema Schadstoffe.) Auch wenn an den Ergebnissen dieser Gutachten im Einzelfall Zweifel angebracht sind, geben sie doch einen Überblick. Auch Fraport informiert unter dem Stichwort "Nachhaltigkeit" über die Luftqualität am Flughafen und veröffentlicht jährlich einen Luftbericht sowie eine Umwelterklärung.
Einen speziellen Beitrag liefert das Monitoring des "Forum Flughafen und Region" auf der Basis von Messungen des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie. Zu deren jüngsten Ergebnissen haben wir einen eigenen Kommentar.

Symbol Ökotox

Während die Schadstoffe, die Boden und Grundwasser belasten, in der Regel aus den Begleit­aktivitäten des Flughafen­betriebs stammen (Leckagen in Kerosin-Leitungen und -Tanks, unsachgemäßer Umgang mit Enteisungs­mitteln, Löschschaum usw.), stammen die Luft­schadstoffe sowohl vom Flugverkehr als auch von sonstigem Bodenverkehr, Heizung/Kühlung und anderen Verbrennungs­prozessen. Bis heute gibt es kein anerkanntes Verfahren, um Abgase aus der Verbrennung von Kerosin in Turbinen von solchen aus der Verbrennung von Diesel oder Heizöl zu unterscheiden.

Flugzeugabgase

91,5% des Ausstosses eines Triebswerks bestehen aus Luft (Stickstoff und Sauerstoff), von den restlichen 8,5% sind wiederum nur 0,4% Schadstoffe im eigentlichen Sinn - also kaum der Rede wert?

Was kommt aus den Triebwerken raus ?

Messungen von Triebwerks­emissionen im laufenden Betrieb sind schwierig und werden nur selten durch­geführt. Die Mengen an Schad­stoffen, die am Flug­hafen tatsächlich ausge­stossen werden, können daher nur abge­schätzt werden. Dies geschieht in der Regel auf der Basis der durch­geführten Flug­bewegungen und der dabei eingesetzten Trieb­werke, deren Hersteller verpflichtet sind, Emissions­werte für sog. Standard-Zyklen anzugeben. Für den Flughafen Frankfurt kennen wir zwei Quellen, die auf diese Weise Emissionen abschätzen. Zum einen ver­öffent­licht Fraport in der o.g. Umwelt­erklärung Emissions­daten aus dem Luft­verkehr (S.10), aller­dings ohne genaue Angabe der Berech­nungsart. Ange­geben ist ledig­lich, dass nur Emissionen unterhalb 300 m Flughöhe berück­sichtigt sind (nur diese seien "lokal wirksam"). Zum anderen ver­öffent­licht der Deutsche Flug­lärm­dienst DFLD in seinen Jahres­statistiken Emissions­werte, die auf einer externen Identi­fikation der Flugzeuge beruhen. Letztere gelingt nur in etwas mehr als der Hälfte aller Fälle, so dass die Daten unvoll­ständig und zu niedrig sind. Anderer­seits berechnet DFLD die Emissions­werte für den gesamten sog. LTO-Zyklus bis 900 Meter Flughöhe, wodurch sich deutlich höhere Werte ergeben müssten.
Ein Vergleich für die neuesten aus beiden Quellen vor­liegenden Daten zeigt die nach­folgende Tabelle. Was man daraus in erster Linie sieht, ist, das die Unsicher­heiten bei dieser Art Abschätzung offenbar sehr groß sein müssen.

Schadstoff-Emissionen 2011

Zwar stimmen die geschätzten CO2-Mengen relativ gut überein (was aufgrund der unter­schied­lichen Daten­basis auch nicht unbedingt zu erwarten war), aber die damit verbun­denen Schad­stoff-Emis­sionen unter­scheiden sich insbe­sondere bei Kohlen­wasser­stoffen (HC) und Fein­staub/PM10 erheblich. Die letzte Zeile gibt an, welche Schad­stoff-Mengen man aufgrund der CO2-Emissionen ungefähr erwarten würde, wenn man die mittlere Auf­teilung zugrunde legt, die in der Grafik des Flug­hafen Düssel­dorf angegeben wird. Das sind aller­dings auch wieder nur mittlere Werte, die dem Start- und Lande-Modus der Triebwerke nicht entsprechen.
Das Problem haben auch andere. So ergeben die beiden letzten Versuche des Umwelt­bundes­amts, die Luft­verkehrs-Emissionen in Deutschland zu kalkulieren (veröffent­licht 2010 und 2013, wobei der neuere Ansatz nicht zwangs­läufig der Bessere ist), ebenfalls deutlich unter­schied­liche Daten­sätze.
Mit anderen Worten: nichts Genaues weiß man nicht. Die nachfolgend zu diskutie­renden Gutachten wissen es natürlich auch nicht besser, so dass alle dort zitierten Schluss­folgerungen mit Skepsis zu betrachten sind.

Was wurde "planfestgestellt" ?

Die Auswahl der Schadstoffe, die bei der Plan­fest­stellung für relevant gehalten wurden, und ihre Behandlung in den diversen Gutachten wird in der Übersicht zur Umwelt­verträglichkeits­prüfung (Ordner 36, G1 Teil II, Vorhaben und Projekt­wirkungen, Auszug) darge­stellt. Die durch den Flugverkehr bedingten Emissionen, ihre Veränderungen beim Ausbau und die dadurch jeweils bedingten Immis­sionen beschreibt das Gutachten von Janicke, das eine für Raunheim interessante Zusammen­fassung enthält. Demnach verdoppeln bis verdrei­fachen sich die Schad­stoff-Immis­sionen an der Ostgrenze von Raunheim (Punkt B) im "Planungs­fall" gegenüber dem "Ist-Zustand". Dennoch heißt es im zusammen­fassenden Immissions­gutachten: "Im Unter­suchungs­gebiet bewegen sich die Verände­rungen der mittleren Gesamt­immissionen von der Ist-Situation (2005) zum Prognose­nullfall (2020) zwischen Abnahmen um 38% und Zunahmen um 3%. Vom Prognose­nullfall (2020) zum Planungs­fall (2020) nehmen ... die mittleren Gesamt­immissionen um bis zu 4% zu", d.h. zwischen Ist-Zustand und Planungs­fall bewegen sich die Immis­sionen zwischen einer Abnahme von 34% und einer Zunahme von höchstens 7%. Wie geht das?
Die künftigen Flugzeuge fressen nicht etwa Schadstoffe, vielmehr macht sich Fraport hier die Bemühungen anderer zunutze, Emissionen zu senken (insbesondere des Kfz-Verkehrs), um den eigenen Schadstoff­ausstoss nicht auffallen zu lassen. Dies sieht man auch sehr schön in der oben zitierten UVP-Übersicht: während die Zeile "Gesamt", die die Flughafen-bezogenen Verände­rungen ausweist, fast überall Zunahmen, zum Teil drastischen Ausmaßes, zeigt, enthält die Zeile "Umland - gesamt" bei der Differenz die gewünschten negativen Werte. Und wo die Kfz-Katalysa­toren nicht ausreichen, um die Flugzeug-Emissionen zu schönen, wie bei Ruß und Feinstaub, tauscht Fraport eben zusätz­lich noch ein paar eigene Dreck­schleudern am Boden aus, um das gewünschte Ergebnis darstellen zu können.

Feinstaub-Effekte

Da also immissions­technisch gesehen auch mit dem Ausbau (angeblich) Alles beim Alten bleibt, wundert es nicht, dass auch die human-toxiko­logische Bewer­tung der Immissionen keine Gründe gegen den Ausbau gefunden hat. Dafür brauchte man eigentlich gar kein Gutachten mehr. Schon der "gesunde Menschen­verstand" legt doch nahe, dass, wer den Dreck bisher überlebt hat, ihn auch künftig über­leben wird. (Wer ihn nicht überlebt hat, müsste erstmal beweisen, dass er daran gestorben ist - tut aber keiner.)
Dennoch enthält auch dieses Werk interes­sante Aussagen. Um wenigstens 70 Seiten zu füllen, läßt sich die Autorin, Frau Tesseraux, ausführ­lich über die Wirkung der zu bewer­tenden Schad­stoffe aus - und gibt z.B. über die Wirkung von Fein­staub eine lesens­werte, auch heute noch weit­gehend korrekte Zusammen­fassung. Darin weist sie u.a. auf die beson­deren Gefahren der Staub­fraktionen PM2.5 und PM0.1 hin. Selbst das RP hält es nach ihrer Stellung­nahme dazu im Anhörungs­verfahren für sinn­voll, "zu prüfen, ob im Human­toxiko­logischen Gut­achten eine ergän­zende Aus­einander­setzung mit PM2,5 erfolgen sollte." (RP-Stellung­nahme, auf der 109. Seite des Kapitels, S.931) Passiert ist aller­dings nichts.

Was passiert anderswo ?

Die Bundesregierung hält es auch fünf Jahre später nicht für nötig, bei diesen beiden Feinstaub-Fraktionen genauer hinzu­schauen (s. Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag), es gilt weiterhin: kein Meßwert, kein Grenzwert, kein Problem.
Hessisches Umwelt­ministerium und HLUG haben diese Haltung jüngst noch einmal bestätigt. Da stört es auch nicht, dass das Regionalbüro der Welt­gesundheits­organisation für Europa in einer Übersicht bedeutende Fortschritte in den letzten Jahren darstellt und in einem aktuellen Papier zu der Schluss­folgerung kommt:

"Die Gesundheits­effekte von PM10 und PM2.5 sind gut dokumentiert. Es gibt keinen Hinweis auf ein sicheres Expositions­niveau oder einen Schwellen­wert, unterhalb dem keine negativen gesundheit­lichen Effekte auftreten. Da die negativen Wirkungen der Luftverschmutzung selbst bei relativ niedrigen Konzentrationen signifikant sind, ist ein effektives Luft­qualitäts­management zur Erreichung der Ziele der WHO Luft­qualitäts­richtlinien notwendig, um Gesundheits­risiken auf ein Minimum zu reduzieren." (Schlussfolgerungen, S. 12, eigene Übersetzung).
Auch eine umfangreiche europäische Studie hat jüngst den Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lungenkrebsrisiko auch unterhalb der geltenden Grenzwerte bestätigt. Selbst das Umwelt­kommittee der Zivil­luftfahrt-Organi­sation ICAO, sonst haupt­sächlich auf profitablen Klima­schutz (sprich Reduktion von Treibstoff­verbrauch und Kohlen­dioxid-Ausstoss) orientiert, sieht die Notwen­digkeit, einen Standard für Partikel-Emissionen von Triebwerken und geeignete Mess­verfahren dafür zu entwickeln, beklagt aber mangelnde Förderung entsprechender Aktivitäten (s. Bericht CAEP/9).
Die Bundes­regierung hat sich zwar in der jüngsten Änderung des Göteborg-Protokolls zur Reduzierung weit­räumiger, grenz­über­schreitender Luft­verschmut­zungen auf Reduktions­ziele auch für PM2,5 verpflichtet - aber das muss ja nicht ausge­rechnet im Flug­verkehr passieren.

Ob ultrafeine Partikel (UFP oder PM0.1) ggf. eine noch grössere Gefahr für die Gesundheit darstellen, ist erst recht nicht Gegen­stand offi­zieller Betrach­tungen, obwohl Zusammen­fassungen aus den USA und aus Europa immer mehr Hinweise auf die Gefähr­lichkeit dieser Staub­fraktionen finden. Auch eine europäische Experten-Umfrage gibt dieser Schadstoff-Fraktion oberste Priorität. Aktuelle Studien aus den USA weisen darauf hin, dass der Flug­verkehr eine bedeut­same Quelle gerade für diese Schad­stoff-Fraktion sein kann, sowohl beim Start als auch bei Lan­dungen. Dabei können kurz­zeitige Belastungs­spitzen ein besonderes Problem sein. Für die Partikel­fraktion 0,01 - 1 µm konnte selbst für die Autostadt Los Angeles nach­gewiesen werden, dass der Anteil aus dem Flug­verkehr bis in 10 km Entfer­nung vom Flughafen in der gleichen Größen­ordnung liegt wie der des Straßen­verkehrs. Eine Studie am Flughafen Kopen­hagen hat gezeigt, dass Vorfeld-Mitar­beiter dort hohen UFP-Konzen­trationen ausgesetzt sind und bei ihnen auch erhöhte Raten dadurch verur­sachter Krank­heiten auftreten.
Auch das Spektrum möglicher durch Ultra­feinstaub verursachter Schäden vergrössert sich immer mehr. So stellt eine Studie der University of Rochester einen Zusammen­hang zwischen Ultra­feinstaub, der Gehirn­entwicklung von Kindern und der Entstehung von Autismus und Schizo­phrenie her. Auch Kohlen­monoxid könnte, eventuell im Zusammen­spiel mit bestimmten Feinstaub-Fraktionen, eine grössere Rolle für die Entstehung von Krank­heiten spielen, als bisher ange­nommen, wie eine weitere US-Studie zeigt.

Symbol Flugzeugabgase in Lunge

Die Entwicklung in Deutschland, weitgehend konzentriert auf die Fraktion PM10 und den Strassen­verkehr als Quelle, kann man auf der Themen­seite des Umwelt­bundes­amtes nachver­folgen. Dem Thema "Ultrafeinstaub" widmen sich aber lediglich zwei Forschungsprojekte, GUAN und UFIREG.
Einen kritischen Überblick zum Thema "Ultra­feinstaub und Flugverkehr" hat der AK Feinstaub des BBI erstellt. Um der trägen staat­lichen Über­wachung Beine zu machen, hat der Arbeits­kreis, unterstützt durch Spenden aus den BIs, auch ein mobiles Meßgerät angeschafft, mit dem Partikel in der Größen­ordnung von 0,02 - 1 µm gezählt werden können. Ein erster Bericht über Messungen im Umfeld des Flughafens Frankfurt liegt inzwischen vor; und es gibt auch einen Flyer, der in leicht verständ­licher Kürze in das Thema einführt.

Und was bedeutet das ?

Allgemein wird Luftver­schmutzung weltweit zunehmend kritischer einge­schätzt. Die Europäische Umwelt­agentur EEA kommt in ihrem aktuellen Luft­qualitäts-Bericht für Europa zu dem Ergebnis, dass "trotz Verbesse­rungen über mehrere Jahrzehnte Luft­verschmutzung weiter­hin die menschliche Gesund­heit und die Umwelt schädigt. Staub­partikel (PM), Ozon (O3), reaktive Stickstoff­verbindungen und einige organische Verbindungen stellen immer noch eine signifikante Bedrohung dar. Dies führt zu schlechter Gesund­heit, vorzeitigen Todes­fällen, und Schäden an Öko­systemen, Ernten und Gebäuden." (aus: EEA, Air quality in Europe 2013, Executive Summary, eigene Über­setzung).
Wirkliche Abhilfe ist nicht in Sicht, denn selbst das Clean Air Policy Package, das die EU-Kommission Ende 2013 vorge­schlagen hat, würde bis 2030 nur zu graduellen Verbesse­rungen, aber nicht zu durch­greifenden Verände­rungen führen. Selbst dieses moderate Paket ist jedoch vielen Mitgliedern des EU-Minister­rates (d.h. den Regierungs­vertretern) nicht kosten­effizient genug. Die EU-Kommis­sion unter Juncker, die Ende 2014 ins Amt kam, möchte das Paket am Liebsten ganz abschaffen, stößt dabei aber auf massiven Wider­stand etlicher EU-Institu­tionen und der europä­ischen Zivil­gesell­schaft. Die EU-Koordi­nation des Deut­schen Natur­schutz­rings hat den Stand der Aus­einander­setzung, die sich vermut­lich noch eine Weile hin­ziehen wird, im April 2015 in einem Steck­brief zusammen­gefasst.

Main-Ebene

  Klare Luft über dem Rhein-Main-Gebiet ?  Der optische Eindruck ist leider nicht entscheidend.

Obwohl Deutschland innerhalb der EU noch relativ gut dasteht, zeigt das Factsheet Germany etliche kritische Bereiche auf - leider häufig auch im Rhein-Main-Gebiet. Insbe­sondere bei den Stickoxiden überschreitet Deutschland den mit der EU vereinbarten Emissions­grenzwert nach wie vor um gut 20% - und liegt damit an dritt­letzter Stelle unter den EU-Staaten. Die Gesamt­situation in Deutsch­land beschreibt ein UBA-Bericht, der auf der EU-Daten­sammlung beruht.
Die zuständige Unter­organisation der Welt­gesundheits­organisation WHO hat Luft­verschmutzung aufgrund der inzwischen vorlie­genden Fakten als "krebs­erregend" eingestuft. (Erläute­rungen, Einschät­zungen und Quellen­angaben dazu finden sich auf der von dem Mediziner Dr. Henning Thole betriebenen Webseite Fluglärm-Fakten.)

Symbol Gasmaske

Zusammengefaßt: es gibt keinen Grund zur Beruhigung. Die Überwachung der Luftqualität durch die Mess­stationen des HLUG hat mit den Immissionen durch den Flugverkehr bestenfalls am Rande zu tun. Eine mögliche Verbesserung dieser Luftqualität, die aus den Bemühungen anderer Emittenten um Emissions­minderung resultieren sollte und müsste, bleibt den Menschen in Rhein-Main vorenthalten, weil die steigenden Emissionen des Flugverkehrs all diese Verbes­serungen wieder auffressen.
Ein Monitoring der Schadstoffe, die spezifisch aus dem Flugbetrieb resultieren, findet im Umland des Flughafens nicht statt. Welchen zusätzlichen Belastungen die Menschen in der Rhein-Main-Region durch den Flughafen ausgesetzt sind, bleibt weitgehend verborgen, ebenso wie die Risiken, die daraus resultieren. Ohne massiven politischen Druck wird sich diese Situation nicht verbessern.


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