Saure DROps

Autor:  Horst Bröhl-Kerner,     30.03.2013

"Dedicated Runway Operations", kurz DROps, gehören zum Standard-Repertoire des aktiven Schallschutzes. Durch planmäßig wechselnde Nutzung von Bahnen oder Flugrouten sollen Lärmpausen erzeugt werden, in denen sich die lärmgeplagte Bevölkerung erholen kann. Lärmmediziner bestätigen, dass dies eine positive Wirkung haben kann. Über ihre Anwendung auf FRA wird aber seltsamerweise relativ wenig gesprochen, und auch in den Erfolgsmeldungen der "Allianz für mehr Lärmschutz" tauchen sie zwar regelmäßig, aber in äußerst unbestimmten Formulierungen auf. Was verbirgt sich dahinter?

Im Monitoring des Forums Flughafen und Region erfährt man zumindest (annähernd), was passiert: DROps gibt es für Starts zwischen 5:00 und 6:00 Uhr, aber nur an ungeraden Tagen (nein, kein Witz, s. unten). Für den jeweils aktuellen und den folgenden Tag kann man auch sehen, wie das jeweils aussieht. Mehr erfährt man an dieser Stelle allerdings nicht.
Sucht man weiter, findet man an anderer Stelle beim FFR ein 20seitiges Hintergrundpapier zu DROps, dass 2010 im Bericht des Expertengremiums Aktiver Schallschutz des FFR veröffentlicht wurde. Ob auf dieses Papier vom Monitoring nicht verlinkt wird, weil die Inhalte dort grundsätzlich chaotisch organisiert sind, oder weil jemand gemerkt hat, dass an diesen Stellen unter der gleichen Überschrift über ganz verschiedene Dinge geredet wird, bleibt dahingestellt. Worum geht es in diesem Hintergrundpapier?

DROps können naturgemäß nur in betriebsarmen Zeiten genutzt werden, wenn nicht die gesamte Bahnenkapazität gebraucht wird. Als das Expertengremium Einsatzmöglichkeiten untersuchte, ging es noch davon aus, dass das Nachtflugverbot ein "praktikables" sein würde, also nachts beflogen werden darf, wenn auch eingeschränkt. Daher sollten DROps von 23:00 - 5:00 Uhr geflogen werden, und da die Bahnnutzung für Landungen weitgehend festgelegt war, sollten sie nur für Starts gelten.
Für Starts gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: sie werden entweder über das Parallelbahnsystem abgewickelt und führen je nach Windrichtung nach Osten oder Westen, oder sie gehen über die Startbahn West nach Süden. Nach längeren Berechnungen, die aufgrund des Papiers nicht nachvollziehbar sind, kam das Gremium zu folgendem Ergebnis: wenn bei Betriebsrichtung 25 alle Starts auf dem Parallelbahnsystem Richtung Westen durchgeführt werden und bei Betriebsrichtung 07 nur die Startbahn West genutzt wird, wird die größte Lärmentlastung für Hochbetroffene erreicht. Die Gesamtlärmbelastung der Region steigt dabei an, aber nur geringfügig. Wohl deshalb wurde aber empfohlen, DROps nur in der Hälfte der Zeit, d.h. jede zweite Nacht, anzuwenden.
Die Art und Weise, wie diese Lärmbelastung bestimmt wurde, wirft eine Reihe von Fragen auf. Zum einen wird natürlich, wie immer, nur mit dem Dauerschallpegel gearbeitet, die gerade in der Nacht viel relevanteren Einzelschallpegel und deren Verschiebung in der Region werden nicht betrachtet. Zum anderen liest man zwar in dem Papier, wie sich die geplanten DROps bei Betriebsrichtung 25 auswirken sollen. Für Betriebsrichtung 07 ist aber nur begründet, warum der Startverkehr da nicht auf dem Parallelbahnsystem gebündelt werden soll. Wie sich die Bündelung auf die Startbahn West, und insbesondere die dafür neu eingeführte "Ostumfliegung", in der Region auswirken, ist nicht im Detail erläutert. Und speziell für Raunheim ist interessant, dass zwar festgestellt wird, dass Raunheim von Parallelbahn-DROps bei Betriebsrichtung 07 nicht betroffen wäre (was trivial ist, weil dann nach Osten gestartet wird), bei der Untersuchung der Betriebsrichtung 25 Raunheim aber schlichtweg nicht erwähnt wird. Da wir hier den Startverkehr Richtung Südwesten aber sehr deutlich hören können, ist das ein starkes Indiz dafür, dass die Belastungsbetrachtungen hier, vorsichtig formuliert, unvollständig waren.

Was sich dann auch so erwiesen hat. Im Monitoring-Bericht zum 1.Maßnahmenpaket Aktiver Schallschutz findet sich der Hinweis, dass die Maßnahme vom 12.01. bis 28.10.2011 (im Wesentlichen) wie geplant durchgeführt wurde. Dort findet man auch die Auswertung der Lärmmessungen an ausgewählten Messpunkten für die Monate März und Juni, mit denen die Wirkung beurteilt werden sollte. Und so sieht das Ergebnis für Raunheim aus:

DROps-Lärmwerte Raunheim


Fazit: Im Monatsmittel wurde es in Raunheim um 2,7 dB(A) lauter, einzelne DROps-Nächte waren um 10 dB(A) lauter als Nicht-DROps-Nächte. Nicht gerade das, was man sich unter aktivem Schallschutz vorstellt. Eine Gesamtbewertung der Maßnahme, aus der hervorginge, ob denn wenigstens insgesamt in der Region eine Verringerung der Lärmbelastung erreicht wurde, enthält der Bericht interessanterweise nicht.
Am 28.10.2011 war dieser Spuk aber zunächst mal vorbei. Mit Eröffnung der Nordwestbahn trat auch das gerichtlich verordnete Nachtflugverbot in Kraft, und die Betriebsgrundlage für dieses DROps-Modell war damit entfallen.

Und was hat das Ganze nun mit dem zu tun, was aktuell geflogen wird? Alles und nichts. Formal ist einiges übrig geblieben: das Nutzungsmodell für die Bahnen, die Flugrouten, die Nutzung nur jeden zweiten Tag, all das wurde offenbar übernommen. (Genau weiss man das als Aussenstehender natürlich nicht, da es nirgendwo dokumentiert ist.) Was nicht übernommen werden konnte, war die Nutzungszeit: da zwischen 23:00 und 5:00 Uhr nicht mehr planmäßig geflogen werden darf, hat man den Zeitraum einfach auf 5:00 - 6:00 Uhr verlegt - und so getan, als würde das sonst nichts ändern.
Dieses "DROps early morning" genannte Konzept kann man eigentlich nur als Karikatur des ursprünglichen Modells sehen. Sechs Stunden können eine echte Lärmpause sein, auch wenn nur wenige in den Genuss wirklicher Ruhe kommen und die Pausen wegen der Betriebsrichtungs-Abhängigkeit nicht wirklich planbar sind. Eine Stunde lang den Lärm in der Region ein bißchen zu verschieben, erzeugt keine nutzbaren Lärmpausen. Und wenn nicht einmal klar ist, ob die Gesamt-Belastung in der Region dadurch nicht noch deutlich anwächst und auch hochbelastete Gebiete noch zusätzlich belastet werden, sollte man nicht von Schallschutz reden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier also um "show-adapted, unnecessary, reduced-evidence-based, dedicated runway operations" - saure DROps fürs Schaufenster, die niemandem schmecken und deren Wirkung höchst zweifelhaft ist.



Nachtrag vom 24.04.2013:

... aber sie machen weiter.

Nach einer Auswertung des "Probebetriebs" möchte Fraport die Maßnahme in den Dauerbetrieb übernehmen. Die der Fluglärmkommission am 24.04. vorgestellten Ergebnisse könnten dürftiger nicht sein. Wer wann wieviel ent- oder belastet wird, weiß man nicht, wegen Baumaßnahmen fällt die Maßnahme sowieso häufig aus, und wenn sie angewendet wird, sind ganze 3 bis 7 Abflüge pro Tag betroffen. Alberner geht's nicht mehr.





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