Dem Lärm Grenzen setzen - aber wie ?

Autor:  Horst Bröhl-Kerner,     25.2.2013

Das von der Fluglärmkommission vorgeschlagene "Modell der Lärmobergrenze mit dynamisiertem Faktor sieht vor, dass für die relevant mit Fluglärm belasteten Wohngebiete Grenzwerte festgelegt werden" und "ein kontinuierliches Absenken der Grenzwerte" ermöglicht werden soll. Ziel ist, "über ein nachhaltig angelegtes Absenken der Lärmgrenze langfristig eine Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität im Umfeld von Flughäfen" zu bewirken. Wie könnte das funktionieren?

Die Kommission selbst benennt zwei Instrumente, die der Lärmminderung dienen können: "Betriebsbeschränkungen", besonders nachts, und "Technische Fortentwicklung", die die Entstehung von Schall bei bestehenden und neuen Flugzeugtypen reduzieren soll. Theoretisch müssen sich die lärmgeplagten Anwohner aber darüber gar keine Gedanken machen: die Politik definiert einfach eine Grenze und legt fest, wie die künftig zu sinken hat. Um die Einhaltung müssen sich diejenigen kümmern, die fliegen wollen. Wenn sie es nicht schaffen, dürfen sie eben nicht mehr fliegen. So einfach könnte die Welt sein.


Was wird da begrenzt ?

Nehmen wir für einen Augenblick an, die Politik wollte dieses Ziel tatsächlich so umsetzen. Dann wäre eine der ersten Fragen: wie sieht denn eine solche Lärmgrenze aus, was genau begrenzt sie und wie wird die Einhaltung kontrolliert? Physikalisch messen kann man den Schall, der von einer bestimmten Quelle ausgeht oder der an einer bestimmten Stelle einwirkt. Damit Schall zu Lärm wird, muss ein Empfänger da sein, der den Schall aufnimmt und ggf. darunter leidet. Über die Frage, wie dieser Prozess darzustellen und über größere Flächen zu bewerten ist, toben schon seit längerem wahre Glaubenskriege. Hier liegt denn auch schon die erste Möglichkeit, dem radikal klingenden Instrument "Lärmobergrenze" viel von seiner Wirkung zu nehmen.

Am Frankfurter Flughafen würde man wohl mit dem Instrument arbeiten wollen, das bereits im Einsatz ist und mit dem u.a. schon Flugrouten hinsichtlich ihrer Lärmwirkung bewertet werden: dem Frankfurter Fluglärmindex. Wer wissen möchte, was das eigentlich ist, stösst auf Schwierigkeiten. Das "Forum Flughafen und Region", zuständig für das Fluglärm-Monitoring, teilt in einer "ausführlichen Beschreibung" nur mit, dass der Index die Lärmbelastung widerspiegelt, und zwar der Tag-Index für den Tag und (man ahnt es) der Nacht-Index für die Nacht. Näheres erfährt man auch auf Anfrage nicht. Aus alten Mediations-Unterlagen kann man immerhin entnehmen, dass auch die Autoren dieses Index mehrere Varianten diskutiert haben, bis sie sich auf eine (welche?) festgelegt haben. Im Prinzip funktioniert das Ganze so: Für jede Fläche rund um den Flughafen wird berechnet, welcher Lärmwert (genauer: welcher "äquivalente Dauerschallpegel") dort rechnerisch vorliegt. Dieser Wert wird mit einem Bewertungsmaß multipliziert, das sich zusammensetzt aus der Zahl der dort wohnenden Menschen und dem Prozentsatz derjenigen, die sich bei diesem Lärmwert hoch belästigt zu fühlen haben. Die so bewerteten Lärmwerte werden über die ganze Umgebung aufsummiert, und schon hat man eine Zahl, die den Lärmindex angibt als Maß für den Lärm, den der Flughafen erzeugt. Diese Zahl kann man dann natürlich begrenzen.

Damit wäre das Problem formal gelöst, aber wie immer, wenn man versucht, einen komplexen Sachverhalt in einer Zahl abzubilden, gibt es viel Unklarheiten und Manipulationsmöglichkeiten. Da ist einmal die Mittelung über Raum und Zeit, die in dem äquivalenten Dauerschallpegel steckt. Damit kann man zeitliche und räumliche Extrembelastungen ebenso verschwinden lassen, wie man durch kleine, die Belastung kaum verändernde Korrekturen (etwa geringfügige Verschiebung der Flugrouten) zahlenmäßig relevante Veränderungen erzeugen kann. Dann wird der Lärm eben nur berechnet, nicht gemessen. Ein bestimmter Flugzeugtyp erzeugt rechnerisch einen bestimmten Lärm, egal ob er nun im kontinuierlichen Sinkflug herunterkommt oder permanent zwischen Beschleunigung und Verzögerung (beides mit zusätzlichem Lärm verbunden) pendelt. Und schließlich ändert sich der Index wegen der Bewertungsfunktion auch dann, wenn Menschen in der Region zu- oder wegziehen. Im Zweifelsfall könnte man also auch den Lärm(index) reduzieren, indem man belastete Bereiche "absiedelt". Die Liste der Einwände liesse sich noch eine Weile fortsetzen.


Was könnte bestenfalls passieren ?

Setzen wir die Übung im positiv denken fort und nehmen weiter an, niemand würde manipulieren wollen (oder es würde wirksam unterbunden, beides ist gleich realistisch). Wie würde dann ein Sinken der Lärmobergrenze herbeigeführt werden können?
Die Fluglärmkommission setzt auf "lärmarme Technik". Tatsächlich gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die Antriebe leiser zu machen, die noch nicht umgesetzt sind, weitere liessen sich mit dem nötigen Einsatz sicherlich entwickeln. Allerdings weist die Kommission selbst darauf hin, dass Innovationen in die Antriebstechnik derzeit in eine andere Richtung zielen: Treibstoff-Einsparungen. Und das ist leider manchmal nicht nur eine andere, sondern die entgegengesetzte Richtung. Einige der vielversprechendsten Möglichkeiten zur Verbrauchsreduktion führen zu Triebwerken, die lauter anstelle leiser werden. Und um mit dem ökonomischen Anreiz für den Einsatz spritsparender Triebwerke konkurrieren zu können, müßte ein Verstoß gegen die Lärmauflagen schon ziemlich teuer werden.

Für Kommunen wie Raunheim, die sehr dicht am Flughafen liegen, ist die Geräuschentwicklung der Triebwerke im Normalbetrieb ohnehin nicht der entscheidende Parameter. Hier kommt es vielmehr auf die aerodynamischen Lärmquellen an, die durch die schiere Masse der Flugkörper und die eingesetzten Landehilfen (Klappen, Fahrgestell) bestimmt werden, bzw. auf den Lärm, der beim Startschub erzeugt wird. Bei beiden sind weitaus weniger Fortschritte abzusehen, so dass die geforderten Lärmreduktionen wohl sehr wahrscheinlich im weiteren Umland realisiert werden würden, nicht auf den ersten bzw. letzten Kilometern. Damit ist von diesem Instrument für die Höchstbelasteten generell am wenigsten zu erwarten.


So what ?

Als Herr Koch in seinem letzten Wahlkampf als Ministerpräsident in Raunheim aufgetreten ist, hat er als Beispiel für die Bemühungen seiner Regierung um Lärmreduzierung das Steilstart-Verfahren genannt - das einzige Verfahren aus der Instrumentenkiste des aktiven Schallschutzes, das im Nahbereich des Flughafens, also auch in Raunheim, tendenziell eher mehr als weniger Lärm erzeugt. Seine Raunheimer Parteifreunde haben ihn trotzdem gefeiert.
Etwas mehr kritische Distanz zu solcher Polit-Werbung ist immer angebracht. Auch wenn tatsächlich in den bevorstehenden Wahlkämpfen PolitikerInnen ihre Unterstützung für die Forderungen der Fluglärmkommission bekunden sollten, sollte man doch nochmal nachfragen, was sie denn genau damit meinen und wie sie es konkretisieren wollen.

All die oben formulierten Einwände sprechen nicht grundsätzlich gegen das Instrument einer Lärmobergrenze. Es kann in der Tat dazu führen, dass dem Lärmschutz mehr Beachtung geschenkt wird, es kann auch dazu führen, dass lärmarme Technik für Fluggesellschaften interessanter wird. Wie bei allen Instrumenten ist entscheidend, wie es eingesetzt wird. Die Gefahr, dass es zu einer reinen Alibi-Veranstaltung ohne praktische Konsequenzen verkommt, ist gegeben. Nur bei ausreichender Beteiligung der Betroffenen, voller Transparenz und sauberer Dokumentation der Wirkungen kann damit wirklicher Lärmschutz in der Region erreicht werden - alles Voraussetzungen, die rund um FRA bisher nicht gegeben sind.



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