"Lärmpausen" - Hoffnungsschimmer oder Polit-Show ?

Autor:  Horst Bröhl-Kerner,     18.03.2014

In der 6. Plenarsitzung am 12. März 2014, 53 Tage nach Amts­antritt der schwarz-grünen Landes­regierung, hat im Landtag die erste größere Debatte über Fluglärm stattgefunden. Die SPD wollte von der Regierung per Antrag u.a. wissen, wie sie das Konzept der 7stündigen Lärmpausen umzusetzen gedenkt. Verkehrs­minister Al-Wazir antwortete für die Landes­regierung, und alle Fraktionen beteiligten sich an der Debatte, SPD und CDU gleich mit mehreren Rednern. Die Rede­beiträge wurden vom hessischen Staats­fernsehen aufge­zeichnet, und auf der Webseite des Landtages findet man auch die Sitzungs­unterlagen.
Bereits in der 4. Plenar­sitzung hatte es einen kurzen Schlag­abtausch zum Thema gegeben, nachdem Die Linke beantragt hatte, das Fraport-Rabatt­programm FRAconnect zu verurteilen.
Sachlich gab es in diesen Debatten nichts Neues. Weder hat die Landes­regierung erklärt, wie die Lärmpausen umgesetzt werden sollen, noch gab es von den anderen Fraktionen Vorschläge dazu. Lediglich Inhalt und Stil im Umgang mit diesem Thema haben sich bei einzelnen Akteuren geändert. Das soll im Folgenden betrachtet werden, um Schluss­folgerungen zu ziehen, was in den nächsten Jahren von dieser Regierung und diesem Landtag zu erwarten ist.


Bündnis 90 / Die Grünen: Kehrtwende

Die drastischste Veränderung ihrer Position haben natur­gemäß die Grünen vollziehen müssen. Nicht nur Minister Al-Wazir muss künftig primär die Wettbewerbs­fähigkeit des Flughafens im Auge haben, auch der grüne Flughafen-Sprecher Kaufmann muss Koalitions­treue demon­strieren. Beiden scheint das nicht allzu schwer zu fallen.
Zwar muss sich Al-Wazir immer mal wieder Zitate aus der vergangenen Legis­latur­periode anhören, in denen er das Gegenteil von dem sagte, was er jetzt vorträgt, aber das trägt er gelassen. Dafür darf er ja für seine rhetorischen Tricks endlich den Beifall der Mehrheit des Hauses geniessen, und in SPD und FDP findet er auch genügend Opfer für ironische Spitzen. Sein Problem: die neuen Inhalte so zu verpacken, dass nicht alle alten Anhänger sich mit Grausen abwenden, gelingt ihm nur unzu­reichend. Er versucht es, indem er Triviali­täten breitwalzt und in konkreten Fragen ausweicht. Im Kern fordert er, "ein gutes Jahr" (das sind laut FAZ-Interview 15 Monate) in Ruhe gelassen zu werden, damit er "Gespräche führen" kann, um dann eine Lösung aus dem Hut zu zaubern.
Und während der "Herr Minister" staats­tragend nichts sagt, tut der Herr Abgeordnete Kaufmann als Mann fürs Grobe dasselbe, nur zwei bis drei Niveaus tiefer. Ob er versucht, Janine Wissler von den Linken als geistige Enkelin Walter Ulbrichts (für Jüngere: das war der DDR-Spitzbart, der jahrzehnte­lang Staats­feind Nr. 1 der damaligen BRD war) erscheinen zu lassen oder sich in Elementar-Mathematik übt (7 Stunden sind eine weniger als 8, aber eine mehr als 6, also "die halbe Miete") - wer ihn in den letzten Legis­latur­perioden zum gleichen Thema gehört hat, kann kaum glauben, dieselbe Person vor sich zu haben. Aber dadurch wird nur umso deutlicher: was gestern war, zählt nicht mehr, heute stehen die Regierungs-Grünen auf der anderen Seite.


CDU: rhetorisch einen Schritt zurück, inhaltlich unverändert

Die CDU ist bei diesem Thema jetzt in der glücklichen Lage, nur noch die ihr wichtigen Passagen aus dem Koalitions­vertrag zitieren zu müssen ("Die Wett­bewerbs­fähigkeit des Flughafens darf nicht gefährdet werden", aber "es soll leiser werden") und ansonsten ihren neuen Partner machen zu lassen. Da darf sich dann auch ein Herr Dr. Arnold durch eine Rede stottern, die zur Debatte garnichts beiträgt, ein Herr Bodden­berg muss nur kurz zu Protokoll geben, dass er schon für die richtige Orientierung sorgt, und der Herr Minister­präsident zeigt dazu sein berüchtigtes landes­väter­liches Grinsen. So einfach kann die Welt sein.


FDP: beleidigte Hardliner

Der Ex-Koalitions­partner, personi­fiziert durch den ehemaligen Verkehrs­minister und jetzigen Fraktions­vorsitzenden Rentsch, ist darüber offen­sichtlich stink­sauer. Nach einer kurzen Schwäche­phase unmittelbar nach Empfang der Wahl­klatsche, in der sogar darüber sinniert wurde, ob man vielleicht etwas zu einseitig wirtschafts­orientiert rübergekommen sei, ist man jetzt wieder voll auf Kurs. Den Weicheiern von der CDU muss man Saures geben, die populis­tische Anti-Lärm-Rhetorik muss aufhören, der Flughafen muss ungehindert wachsen dürfen. Wenn man es positiv sehen will: sie sind in ihrer Borniert­heit wenigstens ehrlich.


SPD: knallharte Opposition - aber wogegen ?

Die SPD hat mit dem Abgeordneten Marius Weiss aus Idstein offenbar einen neuen Frontmann zum Thema Flughafen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Regierung knallhart zu kritisieren. Sein Problem: inhaltlich liegt er, wie seine Partei auch, auf derselben Linie, so dass er letzt­endlich nur noch behaupten kann, selber sehr viel effizienter für Wachstum des Flugverkehrs und Lärmschutz sorgen zu können. Da hilft es dann auch nicht, dass er viele Fehler, Täuschungen und Inkonse­quenzen der Regierung zu Recht anprangert - Opposition sieht anders aus. Und so stellt sein (Fraktions-)Chef Schäfer-Gümbel am Ende dann auch noch klar: ja, die SPD will dasselbe wie die Landes­regierung; aber die Argumentation soll bitte "redlicher" werden. Auch hier weiss man als Fluglärm-Gegner am Ende also doch noch, was man zu erwarten hat - nichts.


Die Linke: allein auf weiter Flur

So schön es sich anhört, wenn Janine Wissler alle guten Argumente und alle wichtigen Forderungen der Fluglärm­gegner vorträgt, es bleibt ein bitterer Beigeschmack. Politischer Druck folgt daraus nicht, es fehlt ein Projekt, das den weit­ver­breiteten, aber vielfach unpolitischen Wunsch der Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet nach weniger Lärm und sauberer Luft eine Stoß­richtung geben könnte, die es dann auch erlauben würde, wirksame parlamen­tarische Initia­tiven zu entwickeln. Die politische Schwäche der Bürger­initiativen spiegelt sich leider sehr deutlich in der Schwäche ihrer einzigen parlamen­tarischen Repräsentanz.


Neben dem Gerangel der Ausbau-Parteien, das einen weiteren wirkungs­vollen Beitrag zum Thema "Politik­verdrossen­heit" liefern könnte, wenn es denn in größerem Rahmen zur Kenntnis genommen würde, bleiben noch ein paar weitere unan­genehme Schluss­folgerungen. Die wichtigste davon ist: nicht nur in diesem Parlament findet keine ernsthafte inhaltliche Aus­einander­setzung darüber statt, wie die Belastung der Bevölkerung mit Lärm und Schadstoffen auf ein erträgliches Maß zurück­geführt werden könnte - diese Landes­regierung setzt noch stärker als ihre Vorgängerin auf Kungelei und Hinter­zimmer-Politik. Ihre Redner empfinden es nicht nur als Zumutung, schon 53 Tage nach Amts­antritt gefragt zu werden, wie sie ihre groß­mäuligen Wahl­versprechen denn umsetzen wollen. Sie verlangen frech, dass das dumme Volk doch wenigstens ein Jahr Ruhe halten soll, bis die Segnungen der Regierungs­initiativen auf es herunter­prasseln. Keine Rede mehr von Trans­parenz oder Beteiligung - so wie die "Allianz für Lärmschutz" als Polit-Klüngel­runde das (auch schon völlig intrans­parente, aber wenigstens fachlich halbwegs legitimierte) "Experten­forum Aktiver Schallschutz" ersetzt hat, so soll offen­sichtlich auch unter grüner Regie in Wiesbadener Hinter­zimmern ausgekocht werden, welche Kosmetik das Wachstum des Flugverkehrs in Rhein-Main begleiten soll.

Warum wir dem Ansatz der Schaffung von "Lärmpausen" bzw. dem dahinter stehenden Konzept der "vari­ierenden Bahn­nutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") kritisch gegenüber stehen, haben wir in einem Kommentar zu der bereits einge­führten Maßnahme "DROps Early Morning" begründet. Diese wurde ursprünglich vom "Experten­gremium Aktiver Schall­schutz" unter anderen Rahmen­bedingungen (kein voll­ständiges Nachtflug­verbot) entwickelt, aber dann unter veränderten Bedingungen (Flugverbot während der "Mediations­nacht") von der "Allianz für Lärmschutz" übernommen und ohne jegliche Neubewertung und kritische Diskussion eingeführt. Hier kann man immerhin aufgrund der Unter­suchungen des Experten­forums noch nachweisen, was für ein Unsinn diese Maßnahme ist - sowas soll künftig offen­kundig nicht mehr passieren können.


Es ist eine dringende politische Aufgabe, diese Kungelei zu kritisieren und die vielfach versprochene Transparenz und Beteiligungs­möglichkeiten der Betroffenen einzufordern - nicht nur beim Thema Lärmpausen, sondern auch bei allen anderen noch anstehenden Themen im Einfluß­bereich der Landes­regierung: von der Reduzierung des Wirbel­schleppen-Risikos bis zur Entscheidung über Terminal 3.




Button-Back